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EZB-Präsident Mario Draghi: Seine Ankündigung im Jahr 2012, die EZB werde notfalls unbegrenzt Staatsanleihen kaufen, um Finanzspekulationen gegen den Euro zu stoppen, war Auslöser des Streits.

© Reuters

EuGH urteilt über Staatsanleihen: Was darf die EZB - und was nicht?

Beim obersten Gericht in Europa werden Weichen für die Geldpolitik in der Währungsunion gestellt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilt, ob das EZB-Kaufprogramm für Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder rechtens ist.

Ausgerechnet ein Grieche. Vassilios Skouris ist Präsident des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg. Am Mittwoch verkündet der 67-Jährige das Urteil über das Anleihekauf-Programm OMT („Outright Monetary Transactions“) der Europäischen Zentralbank (EZB). Manche Beobachter sprechen von einer fast schon historischen Entscheidung, weil es um Kompetenzen der Notenbank geht und darum, wie das EU-Recht greifen kann. Allerdings könnte sich nach der Entscheidung des EuGH auch das Bundesverfassungsgericht (BVG) noch einmal melden. Es hat die Beschwerde nach Luxemburg zwar im Februar 2014 weitergeleitet, sich aber das letzte Wort vorbehalten.
Selbst wenn die Europa-Richter der EZB die rote Karte zeigen: Konkrete Auswirkungen hat das nicht. OMT wurde bislang nicht umgesetzt und das derzeit laufende Anleiheprogramm QE ist anders aufgebaut. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das OMT wären wohl nicht übertragbar, sagt Commerzbank-Ökonom Michael Schubert.

Gauweiler und andere halten das Programm für einen Rechtsbruch

Ausgangspunkt für OMT war die schwere Krise in der Euro-Zone im Sommer 2012. Damals formulierte EZB-Präsident Mario Draghi seine fast schon legendären Worte, wonach die Notenbank bereit sei alles im Rahmen ihres Mandats zu tun, um den Euro zu retten. Dem schob die EZB kurz danach OMT hinterher. Es zielt auf den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen der Euro-Krisenstaaten – unter strikten Auflagen. Danach müssen die Staaten zuvor ein Anpassungsprogramm mit dem Euro-Rettungsfonds ESM vereinbaren.

Weil sie OMT für einen Rechtsbruch halten, legten Politiker, darunter der CSU-Politiker Peter Gauweiler und die ehemalige Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin (SPD), Verfassungsbeschwerde ein. 2013 kam es beim BVG zur Anhörung. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann erläuterte, warum er den Kauf von Staatsanleihen durch die EZB für eine indirekte Staatsfinanzierung hält, die der Notenbank verboten ist. Der damalige EZB-Direktor Jörg Asmussen verteidigte das Programm. Allein die Ankündigung habe die Krise eingedämmt und die Lage entspannt.

Im Februar 2014 kamen die Richter in Karlsruhe zwar zur Auffassung, dass die EZB mit OMT ihr Mandat überschreite, weil sie damit faktisch Wirtschaftspolitik betreibe und Staaten finanziere. Ein Urteil verkündete das BVG trotzdem nicht, sondern schob den Ball weiter zum EuGH. Es dauerte wieder bis Januar diesen Jahres bis EuGH-Generalanwalt Pedro Cruz Villalón sagte, dass OMT grundsätzlich mit dem EU-Recht vereinbar sei. Ein paar Voraussetzungen müsse die EZB allerdings beachten. Sie dürfe sich nicht direkt an Hilfsprogrammen für das jeweilige Land beteiligen, sie müsse die außerordentlichen Umstände für OMT erläutern und einen angemessenen Abstand zwischen der Emission einer Anleihe und dem Ankauf durch die EZB lassen. Ob das fünf Sekunden oder fünf Stunden sein sollten, ließ Villalón offen.

Wie wird sich Richter Skouris entscheiden? Die meisten Beobachter rechnen damit, dass er der Auffassung des Generalanwalts folgt. In drei Viertel aller Fälle ist dies am EuGH so. Bisher hatten die Richter in Luxemburg keine Bedenken gegen Maßnahmen zur Bekämpfung der Euro-Schuldenkrise. Ende 2012 etwa winkten sie den europäischen Rettungsschirm ESM durch.

Das letzte Wort hat Karlsruhe

Commerzbank-Ökonom Schubert rechnet mit einer Ablehnung der Beschwerde. Wichtige Kritik am OMT würde bei QE nicht greifen. QE habe geldpolitischen Charakter, außerdem kaufe die EZB Staatsanleihen aller Euro-Staaten und nicht nur von einzelnen Ländern. Griechische Anleihen sind gar nicht dabei. QE sei zudem nicht an Bedingungen geknüpft und außerdem gebe es, so Schubert, eine Obergrenze für die Käufe.

Selbst wenn der EuGH das Programm abschmettere, dürfte dies, sagt Schubert, kaum Auswirkungen auf das seit März laufende Programm der EZB haben, mit dem sie bislang Anleihen, Pfandbriefe und Kreditverbriefungen im Gesamtvolumen von fast 255 Milliarden Euro gekauft hat. Bis September 2016 will sie Monat für Monat jeweils 60 Milliarden Euro investieren und so insgesamt 1,14 Billionen Euro in den Bankensektor und in die Wirtschaft pumpen, um die Kreditvergabe anzukurbeln und die Wirtschaftskrise zu bekämpfen.

Freilich: Mit dem Spruch des EuGH muss das Thema nicht erledigt sein. Nicht nur weil sich das BVG das Wort darüber vorbehalten hat, ob OMT mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Rechtsexperten in Berlin, so Schubert, seien schließlich der Auffassung, dass die Richter in Karlsruhe EZB-Chef Draghi keine Vorschriften machen dürfen. „Aber im Extremfall könnte das BVG die deutsche Regierung zu Neuverhandlungen über die EU-Verträge zwingen.“ Außerdem prüft Unternehmer Patrick Adenauer eine Klage auch gegen QE. Nicht nur Schubert fragt sich, ob jetzt das Chaos droht.

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