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Wirtschaft: Euro-Umstellung: "Viele Produkte werden über Nacht teurer" - Klaus-Dieter Kühbacher im Interview

Klaus-Dieter Kühbacher (57), stammt aus Niedersachsen. Bereits in jungen Jahren engagierte er sich in der SPD.

Klaus-Dieter Kühbacher (57), stammt aus Niedersachsen. Bereits in jungen Jahren engagierte er sich in der SPD. Im niedersächsichen Landtag und später im Bundestag widmete er sich vornehmlich Haushalts- und Finanzfragen. Ab 1990 arbeitete er als Finanzminister in Brandenburg. Im September 1995 übernahm Kühbacher als Präsident die Leitung der Landeszentralbank in Berlin und Brandenburg. In dieser Funktion ist er für den reibungslosen Ablauf der Euro-Bargeldeinführung in der Region zuständig .

Herr Kühbacher, was haben Sie für Ihren letzten Espresso bezahlt?

Drei Mark beim Inder, 3,50 Mark in der Filmbühne.

Da entgeht Ihnen aber was. In diversen Cafés sind krumme Mark-Preise gang und gebe. Gastronomie und Handel machen mit der Euro-Umstellung bereits heute gute Geschäfte und haben klammheimlich die Preise raufgesetzt. Wie finden Sie das?

Vor allem stört mich, was der Einzelhandel anstellt. Der verwirrt die Leute mit seinen Preisauszeichnungen. Plötzlich wird der Euro ganz groß rausgestellt. Die Markbeträge werden kleingedruckt.

Sie glauben, dass die Verunsicherung der Kundschaft gezielt ausgenutzt wird?

Zum Thema Online Spezial: Der Euro-Countdown So weit will ich nicht gehen. Schließlich gibt es ein riesiges Angebot. Was einem zu teuer erscheint, muss man ja nicht kaufen. Wenn es aber stimmt, dass eine große Handelskette den Preis für eine H-Milch von 99 Pfennig auf 1,19 Mark erhöht, finde ich das schon herb. Dafür gibt es nun wirklich keinen Grund. Es empfiehlt sich auch, auf die Verpackungsgrößen zu achten. Eine Dose Pflaumenmus von einem großen Anbieter kostet nicht mehr, aber plötzlich ist weniger drin. Auf diese Weise kann man im Einzelfall zehn Prozent draufgeschlagen.

Der Euro als Preistreiber. Was tun Sie dagegen?

Gar nichts. Das ist nicht unsere Aufgabe. Man kann die Leute nur dazu aufrufen, preisbewusster zu kaufen. Ein Käufer hat ja eine ungleich größere Macht als die Verkäufer. Er muss sich nur dessen bewusst sein.

Das alles macht den Euro nicht beliebter. Liegt es auch an der Werbung?

Es wird doch mit Persönlichkeiten für die Sache geworben, die von sich aus schon Vertrauen ausstrahlen...

Selbst der ideale Werbeträger Günther Jauch hat als Frontmann für die Aktion Schlafmünzen, mit der die Leute dazu animiert werden sollten, ihre Mark-Münzen bei der Bank abzugeben, kaum einen hinter dem Ofen hervorlocken können.

Die Leute hängen an ihrer Mark.

In Berlin soll die Schlafmünzen-Aktion immerhin mehr eingebracht haben als bundesweit. Wieso?

Das liegt an der hohen Bankendichte. Der kurze Weg zur Filiale spielt eine große Rolle. Auf dem Lande haben die Banken oft nur noch Automatenstandorte.

Haben Sie Ihre Schlafmünzen schon zur Bank gebracht?

Wir haben unser großes Glas mit Münzen unserem Sohn zur Verfügung gestellt. So kommt das Geld auch an die richtige Stelle.

Wird es Engpässe bei der Umstellung geben?

Das wollen wir nicht hoffen. Allerdings wäre es schlecht, wenn alle Leute in der ersten Woche nach der Bargeldeinführung noch mit viel Mark-Kleingeld bezahlen. Das würde die Verkäufer in zusätzliche Nöte bringen. Deshalb wollen wir das Kleingeld weitgehend vorher abschöpfen.

Wie viel wollen sie aus dem Verkehr ziehen?

Insgesamt sind 48 Milliarden Münzen im Wert von 12,2 Milliarden Mark in Umlauf, von denen wir 28,5 Milliarden Münzen zurückerwarten. Geschätzte acht Milliarden Schlafmünzen wollen wir vor dem Stichtag, dem 1. Januar 2002, aus dem Verkehr ziehen. Bisher wurden rund 4,5 Milliarden Münzen eingesammelt. Aber die Aktion soll ja wiederholt werden.

Und wie sieht es in der Region aus?

In Berlin-Brandenburg erwarten wir 1,7 Milliarden Münzen im Wert von 570 Millionen Mark zurück. Eine teure Angelegenheit übrigens. Für die Banken sind das reine Kosten. Wer mit riesigen Münzbeständen anrückt, muss deshalb auch Gebühren zahlen.

Das sind dann die berühmt-berüchtigten haushaltsunüblichen Mengen. Von welchen Beträgen an wird es für die Kunden denn richtig teuer?

Das entscheidet jede Bank für sich. Wer die Bank mit seinen Münzbeständen förmlich erschlägt, nimmt eine Dienstleistung in Anspruch, für die er auch bezahlen muss.

Im Moment geht es darum, dass die Münzbestände schnell aufs Konto wandern. Die Beträge werden dann in Mark oder Euro gutgeschrieben. Wann aber bekommt der Verbraucher die ersten Euro in die Hand?

Es gibt zwei Gruppen. Zum einen sind das die Endverbraucher, also die privaten Haushalte. Die bekommen erst zum 1. Januar 2002 das neue Geld. Zum Kennenlernen gibt es vorab so genannte Starterkits; ein Münzpäckchen im Wert von 10,23 Euro. Zum anderen sind das die Banken mit ihren Großkunden. Die erhalten von Anfang September an Euro-Bargeld von uns, das sie seit Januar bestellen können. Dafür müssen die Banken übrigens zunächst noch nichts zahlen. Außerdem bekommen sie für jeden Kontainer, der zur Fertigung von Münzmischungen für Geschäftskunden rechtzeitig abgeholt wird, 400 Euro für Versicherungs- und Dienstleistungsentgelt.

Und die Bank-Großkunden?

Wir erwarten, dass die Banken diese Vergünstigungen weiterreichen.

Tun sie aber nicht.

Wenn das stimmt, ist das nicht in Ordnung.

Wieviel wird denn bestellt?

Ich fürchte zu wenig. Gerade in Berlin wird das Interesse unterschätzt. Insbesondere an den Starterkits. Für Deutschland sind 53 Millionen solcher Päckchen gepackt. Für Berlin und Brandenburg liegen uns nur 2,3 Millionen Bestellungen vor. Ich glaube das wird nicht reichen. Bei der Sammlerwut der Deutschen. Allein im Raum Berlin leben viereinhalb bis fünf Millionen Menschen.

Wie lange können die Leute noch mit Mark bezahlen?

Bis zum 28. Februar nächsten Jahres.

Muss der Handel die Bezahlung in Mark akzeptieren?

Streng nach dem Gesetz ist er dazu nicht verplichtet. Von Anfang nächsten Jahres an gilt der Euro als alleiniges Zahlungsmittel. Aber der Handel wird die Mark freiwillig noch bis zum 28. Februar akzeptieren. Das ist so vereinbart.

Was ist denn mit dem Kleingeld aus dem letzten Urlaub? Werden Francs oder Lira problemlos in Euro eingewechselt?

Münzen werden überhaupt nicht eingewechselt. Wer Glück hat, kann Scheine bei den Banken eintauschen. Wir tauschen garantiert bis zum 31. März. Wer später kommt, muss das ausländische Geld wohl oder übel bei den entsprechenden Zentralbanken im Urlaubsgebiet einwechseln. Mark-Scheine nehmen wir natürlich unbefristet zurück.

Wie kann man sich vor Falschgeld schützen?

Unsere Botschaft lautet: Nehmen Sie vor dem 1. Januar kein Eurogeld an, schon gar nicht an der Haustür. Sondern nur von der Bank und nach dem 1. Januar von dem Einzelhändler, die sind von der Bundesbank bestückt.

Ein weiteres Thema ist Schwarzgeld. Offenbar wird zurzeit jede Menge Mark in Dollar getauscht.

Von rund 300 Milliarden Mark, die in Umlauf sind, dürfte die Hälfte gebunckert sein. Etliche Autos werden bar bezahlt. Nicht der Polo, aber große Geländewagen. Glauben Sie, dass das nur Ausdruck eines besonderen Kauferlebnisses ist?

Jedenfalls ist der Dollar offensichtlich für viele attraktiver als der Euro. Bleiben die Verbraucher am Ende die Verlierer?

Ich fürchte, wir werden uns noch umschauen. Vielleicht wird hier und dort ein Händler werben: Wir runden ab. Aber etliche Produkte dürften über Nacht teurer werden. Schon jetzt beobachten wir eine schleichende Preiserhöhung.

Glauben Sie nicht, dass der Wettbewerb im Handel groß genug ist, um dem entgegenzuwirken?

Gegenfrage: Glauben Sie, dass die Kunden tatsächlich größere Wege in Kauf nehmen, um billigere Angebote zu finden?

Immerhin wird man den Euro am Ende akzeptieren.

Notgedrungen. Wenn die Mark nach dem 28. Februar im Handel nicht mehr angenommen wird, haben wir uns blitzartig an den Euro gewöhnt.

Glauben Sie, dass der Euro, wenn ihn dann jeder in den Händen halten kann, Europa hilft, mit einer Stimme zu sprechen?

Das kommt darauf an, wie sich Europa weiter entwickeln will. Haben wir am Ende 25 oder 26 Nationalstaaten, die alles selber regeln wollen oder gibt es einen homogenen Bundesstaat wie die Vereinigten Staaten von Amerika? Ein Europa à la USA müsste eigentlich möglich sein. Davon sind wir aber noch weit entfernt. Und daran krankt auch der Euro. Vor der Einführung der Einheitswährung hätten eigentlich auch viele andere Dinge vereinheitlicht werden müssen. Wann es aber einheitliche Abgaberegelungen, einen einheitlichen Zugang zum Kapitalmarkt geben wird, steht in den Sternen.

Was könnte dem Euro denn helfen?

Wenn die Weltenergiemärkte nicht nur Dollar, sondern auch Euro akzeptieren würden. Ein Großteil unserer Importe hängt von den Energiepreisen ab.

Wie lange dauert es, bis alle EU-Mitglieder auch Mitglieder der Währungsunion sind?

Das kommt darauf an, wie schnell sie die Konvergenzkriterien erfüllen werden, also die Vorgaben für Schulden, Zinsen, Inflation und Wechselkurs. Ob die mittel- und osteuropäischen Staaten aber diese Kriterien so schnell umsetzen werden wie das etwa die Griechen geschafft haben, ist fraglich.

Sollte man die Kriterien lockern?

Auf keinen Fall. Das wäre nun wirklich nicht gut für den Euro.

Bei aller Liebe für die Währungsunion, geht mit der Mark nicht auch ein Stück weit Kultur verloren?

Vielleicht gehört Geld ja wirklich zur Kultur. Aber es werden heute keine Schätze mehr durch die Welt transportiert. Und letztlich ändert sich ja nur die Verrechnungseinheit.

Wir verlieren nichts, sagen Sie. Was gewinnen wir denn?

Ein Zusammengehörigkseitsgefühl. Nehmen wir unseren Espresso. Die Leute werden doch merken: Hier kann man billig Urlaub machen.

Oder auch nicht.

Egal, entscheidend ist: Man wird vergleichen können. Die Preise werden transparent.

Herr Kühbacher[was haben Sie für Ihren]

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