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Wirtschaft: Europa schickt Protestwellen über den Atlantik

Unternehmer und Politiker laufen gegen US-Pläne Sturm, den Containerverkehr zu durchleuchten

„Vor dem 11. September 2001 haben wir die Container bereitgestellt, wenn wir den Dampfer auf dem Meer heran- schwimmen sahen. Inzwischen müssen wir Ladungen, die in die USA gehen, aus Sicherheitsgründen 24 Stunden vorher abfertigen“, sagt Norbert Scholz. „Wenn jetzt noch jeder Container durchleuchtet werden müsste, würde sich der ganze Transport um mehrere Tage verzögern.“ Norbert Scholz leitet die Abteilung „Amerika-Export“ bei der Reederei MSC in Bremerhaven, einem der drei wichtigsten Nordamerika-Häfen Europas: Jeden Tag werden hier 1100 Container in die USA verschifft. Der Handel floriert – doch wie viele andere Reedereien, Hafenbetreiber und Logistikfirmen ist Scholz beunruhigt. Schuld ist ein Gesetz, das der US-Kongress jüngst beschlossen hat.

Danach müssen ab 2012 alle Container, die in die USA verschifft werden, in den Ursprungshäfen durchleuchtet werden – zum Schutz vor terroristischen Anschlägen. „Das könnte man logistisch kaum bewerkstelligen“, meint Scholz. „Es würde ewig dauern und wäre irrsinnig teuer.“

Seit Monaten rollen deswegen Protestwellen über den Ozean. „Das 100-prozentige Scannen würde die Lieferketten durcheinanderbringen, EU-Exporte verteuern und könnte dazu führen, dass andere Länder ähnliche Regeln einführen“, fürchtet Lars Kjaer, Senior-Vize-Präsident des Schifffahrtsverbands World Shipping Council. Bei der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer in New York ist man besorgt: „Auf Logistikunternehmen wie DHL würden riesige Investitionen zukommen.“ Auch 18 europäische Wirtschaftsverbände laufen Sturm: Die Maßnahmen würden zu Verzögerungen und Verstopfungen in den Häfen führen, heißt es in einem gemeinsamen Brief, der dem Tagesspiegel am Sonntag vorliegt. Gerichtet ist das Schreiben an EU-Zollkommissar László Kovács. Der ist längst der gleichen Meinung: Alle Container zu durchleuchten sei „kostspielig und ineffektiv“, sagt er.

Jetzt zeigen die Proteste aus Europa erste Wirkung. „Wir sind dabei, den Handel zwischen den USA und der EU zu vereinfachen“, sagte EU-Industriekommissar Günter Verheugen dieser Zeitung. „Die Entscheidung des US-Kongresses für neue Sicherheitsvorschriften wird nicht zu einer Belastung für europäische Unternehmen führen. Dafür haben wir die politische Zusage aus Washington.“ Im November wolle man erste „konkrete Resultate“ vorstellen, sagte Verheugen.

Die EU setzt bei Seetransporten auf eine vorgeschaltete Risikoanalyse, bei der nur die Container genauer untersucht werden, die verdächtig erscheinen. Firmen, die als zuverlässig gelten, können ab 2008 den Status „Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter“ erhalten und werden dann bei der Zollabfertigung begünstigt. Die Kommission erhofft sich von den Gesprächen mit den USA im November zunächst einmal, dass die USA diesen Status anerkennen. Ob aber auch das Durchleuchtungsgesetz noch vor den US-Präsidentschaftswahlen Ende 2008 kippt, wird selbst in Kommissionskreisen bezweifelt. „Die Demokraten haben Bush mit dem Gesetz eine Falle gestellt“, erklärt ein Brüsseler Lobbyist. „Hätte er sein Veto eingelegt, hätten sie den Republikanern im Wahlkampf vorgeworfen, nicht genug für die 100-prozentige Sicherheit der Nation zu tun. Also musste er das Gesetz erst mal akzeptieren.“ jto/hop

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