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Wirtschaft: Europäische Handelskonzerne auf der Einkaufsliste

"In Südeuropa kaufen die Leute gerne größere Packungen Waschpulver, das nach Rosen riecht.Nordeuropäer bevorzugen Konzentrat mit Zitronenduft; Zitronen sind im Süden nämlich nichts Besonderes, hierzulande aber schon.

"In Südeuropa kaufen die Leute gerne größere Packungen Waschpulver, das nach Rosen riecht.Nordeuropäer bevorzugen Konzentrat mit Zitronenduft; Zitronen sind im Süden nämlich nichts Besonderes, hierzulande aber schon." Auch im vereinten Europa bleiben die Geschmäcker der Konsumenten unterschiedlich, weiß WestLB-Analystin Jadwiga Bobrowska.Einheitsstrategien fürs vereinte Europa seien schwer zu verwirklichen.Da die Währungsunion den Markt transparent mache, würden Preisunterschiede wegschmelzen, der Druck auf die Gewinnmargen steigen.Schlechte Aussichten also für Handelskonzerne und ihre Aktien?

Mitnichten, viele Analysten sind für die Branche positiv gestimmt.Begründung: Der steigende Wettbewerbsdruck in der Währungsunion wird den Konzentrationsprozeß fördern.Die börsennotierten Großen der Branche werden weitere Kleinunternehmen schlucken und Marktanteil, Umsatz sowie Gewinn steigern.Die Börse dürfte dies mit Kursaufschlägen honorieren.Darüber hinaus werden die Handelstitel von Zeit zu Zeit durch Übernahmephantasien gestützt, ist die einhellige Meinung.

Der Spielraum für Gewinne in westeuropäischen Ländern sei allerdings durch die stagnierende Nachfrage nach Konsumgütern begrenzt, warnt Bobrowska vor allzu großer Euphorie.Die Märkte in Westeuropa seien gesättigt, deutliche Einkommenszuwächse aufgrund hoher Steuern nicht zu erwarten.Außerdem gehe der Trend weg vom Shopping hin zu größeren Ausgaben für Ferienreisen, Restaurant- oder auch Theaterbesuche.

Die Stuttgarter Landesgirokasse (LG) hält aber dagegen, die Konzerne rechneten für 1999 mit steigender Nachfrage der Konsumenten.Der Grund für die positive Prognose: Die Unternehmen erwarten einen Rückgang der Arbeitslosigkeit und höhere Lohnabschlüsse bei den Tarifverhandlungen.Eines wird jedoch von den meisten Experten nicht bestritten: Die besten Wachstumschancen für die Handelskonzerne liegen nicht innerhalb Europas, sondern in den Schwellenländern.

Die deutsche Metro, der größte europäische Handelskonzern, wird von Sal.Oppenheim unter anderem deshalb zum Kauf empfohlen, weil das Unternehmen Marktführer in Osteuropa ist.Dieser Markt biete gute Expansionsmöglichkeiten.Für viele Kaufempfehlungen der Experten (unter anderem WestLB und Paribas) ist jedoch ausschlaggebend, daß Metro vor kurzem bekannt gegeben hat, man werde sich auf die Kerngeschäftsfelder konzentrieren.Beobachter erwarten deshalb, daß das Unternehmen flexibler und produktiver wird.Die WestLB sieht Metro zudem als "Gewinner des Konsolidierungsprozesses".Goldman Sachs erwartet eine Kursentwicklung, die über dem Marktdurchschnitt liegt.Gerüchte über Fusionen oder Übernahmen des Konzerns tragen zur positiven Einschätzung bei:Immer noch wird über eine Kooperation mit der weltweit größten Handelskette, Wal-Mart aus den USA oder mit dem zweitgrößten europäischen Handelskonzern, Carrefour, spekuliert.Marc Josefson von Sal.Oppenheim hält sogar eine Fusion von Metro und Carrefour für wirtschaftlich sinnvoll.Die jüngsten Kursrückgänge bei Metro seien im übrigen nur als eine "Atempause" zu sehen, die durch Gewinnmitnahmen verursacht sei.

Carrefour, die Nummer zwei der Handelsriesen in Europa, ist auch auf zahlreichen Kauflisten zu finden, etwa bei ABN Amro, Société Générale und Sal.Oppenheim.Merrill Lynch rät zum "Akkumulieren".Besonders gelobt werden die stark auf Schwellenländer wie Südamerika und Asien ausgerichteten Expansionsvorhaben.Langfristig sei Carrefour mit dieser Strategie nicht zu schlagen und habe die "mit Abstand besten Wachstumsaussichten aller europäischen Händler", urteilt Amita Gulati von Paribas in London.Allerdings hat das Engagement in den Schwellenländern eine Kehrseite: Dort tauchen immer wieder unvermutet Währungskrisen auf, die die Gewinne dahinschmelzen lassen.Aufgrund der Finanzkrisen in Südostasien und Lateinamerika werde Carrefour 1998 erstmals seit langem keinen zweistelligen Gewinnzuwachs realisierten, betont Gulati.Derzeit sei eine Abwertung des brasilianischen Real zu fürchten.Gulati Empfehlung lautet daher: "Halten".

Die britische Tesco sieht Gulati mit noch kritischerem Blick: Sie empfiehlt die Aktien des drittgrößten börsennotierten Handelskonzern Europas zum Verkauf.Das Unternehmen habe es versäumt, außerhalb des Landes zu wachsen.Die Gewinnmargen stünden in Großbritannien unter starkem Druck."Außerdem steht die Branche im Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik.Der Vorwurf lautet: Die Händler verlangen ungerechtfertigt hohe Preise", erklärt Gulati.Die Regierung hat bereits mit Untersuchungen begonnen.Dagegen rät Josefson bei Tesco zum Kauf.Die Expansionspläne für Osteuropa gäben den Titeln Gewinnpotential.

Ahold, Marktführer in Belgien und Nummer fünf der börsennotierten europäischen Handelskonzerne, sieht Josefson ebenfalls als Kaufkandidat.Dabei hatte der Gewinn für das 3.Quartal nur am unteren Rand der Markterwartungen gelegen.Einige Banken gaben jedoch Kaufempfehlungen ab, unter anderen ABN Amro.Zum einen werde der Wert durch Fusionsphantasie gestützt, hieß es.Spekuliert wird über ein Zusammengehen mit Carrefour, sagt Bobrowska.Sie erwartet, daß Ahold auch zu den Gewinnern des Konsolidierungsprozesses gehören wird.Außerdem begrüßt sie die Expansionspläne für Asien und die bereits erzielten Erfolge in Lateinamerika.

KATHRIN QUANDT(HB)

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