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Wirtschaft: Europäische Zentralbank: Druck auf eine Zinssenkung wächst

Der Spielraum für Zinssenkungen im Euro-Raum wächst. Chefvolkswirte erwarten, dass der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) bereits auf seiner nächsten Sitzung am 30.

Der Spielraum für Zinssenkungen im Euro-Raum wächst. Chefvolkswirte erwarten, dass der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) bereits auf seiner nächsten Sitzung am 30. August die Leitzinsen um einen Viertelprozentpunkt auf 4,25 Prozent senken wird. Dafür sprechen der stärkere Euro und die rückläufigen Teuerungsraten. Am Dienstag trat die US-Notenbank Federal Reserve zusammen, um über eine Zinssenkung in den USA zu beraten.

Zwar hatte die EZB in ihrem Monatsbericht August noch keinen Anlass zu Zinssenkungen gesehen und den Standpunkt vertreten, dass "die derzeitigen Leitzinsen als angemessen betrachtet werden, um die Preisstabilität im Euro-Währungsgebiet auf mittlere Sicht zu gewähleisten". Doch die langsamere Gangart der europäischen Wirtschaft wirkt sich ebenso preisdämpfend aus wie der Rückgang der Rohstoff- und Rohölpreise sowie der stärkere Euro-Außenwert gegenüber dem US-Dollar. All das erhöht ihren zinspolitischen Handlungsspielraum. Grafik: Inflationsrate und Wachstum in Europa So gilt als sicher, dass die noch im ersten Quartal im Euro-Raum verzeichnete Wachstumsrate von 2,5 Prozent im zweiten Quartal nicht annäherend erreicht werden dürfte. Nach Einschätzung von Kirsten Lommatzsch, Konjunkturexpertin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), werden sich die düsteren Erwartungen bestätigen, wonach im Gesamtjahr nicht mal zwei Prozent Wachstum erzielt werden. Die Ölpreise schwanken zurzeit zwischen 22 US-Dollar und 26 US-Dollar, womit sie deutlich unter ihren Höchstwerten vom vergangenen Herbst liegen. Und der Eurokurs hat bedingt durch die noch schlechtern Konjunkturperspektiven in den USA gegenüber dem Dollar seit Anfang Juli um über zehn Prozent zulegen können, was die importierten Waren und Dienstleistungen verbilligt.

Alles in allem, sagt Stephan Rieke von der BHF-Bank, könnte sich Europas Notenbank nunmehr stärker auf das gesamtwirtschaftliche Umfeld konzentrieren und gegebenenfalls die Zinsen senken. Damit käme die Notenbank den zahlreichen Appellen aus der Politik entgegen, die sich von niedrigeren Zinsen einen konjunkturellen Impuls versprechen. Anders als die US-Notenbank, die die Leitzinsen seit Jahresanfang in mehreren Schritten von über sechs Prozent auf unter vier Prozent senkte, haben die Europäer bislang eine völlig andere Gangart an den Tag gelegt und trotz zahlreicher Aufforderungen zu deutlichen Zinssenkungen lediglich einmal, Anfang Mai, die Leitzinsen um einen Viertelprozentpunkt auf 4,5 Prozent zurückgenommen. Doch die Teuerung im Euro-Raum ist seit einigen Monaten wieder auf dem Rückzug. Nachdem sie im Mai mit 3,4 Prozent das höchste Niveau seit sieben Jahren erreichte, sank sie bis Juli auf 2,8 Prozent. Die Inflationsgefahren (Siehe Lexikon: Inflation, Seite 16), findet auch Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW), sind deutlich gesunken. Für nächstes Jahr rechnen die Kieler sogar nur mit zwei Prozent Inflation im Euroraum. Natürlich gibt es keinen Automatismus, sagt Thomas Mayer vom US-Investmenthaus Goldman Sachs mit dem Verweis auf die mehrfachen Zinssenkungen in den USA. Die EZB, so Mayer, muss die Zinsen nächsten Donnerstag nicht zwangsläufig senken. Tatsächlich wollte sich im Eurotower bislang niemand dem Vorwurf aussetzen, lediglich im Sog der US-Zinspolitik zu handeln. Der Präsident des Kieler Weltwirtschaftsinstitut Horst Siebert rät dem Team von EZB-Chef Wim Duisenberg denn auch nicht zu übereilten Zinssenkungen. Die noch junge EZB könne nicht in gleicher Weise handeln wie der Chef der US-Notenbank Greenspan, sagte Siebert am Dienstag dem ZDF-Morgenmagazin. Zunächst sollte man die Wirkung der US-Zinsschritte auf die Konjunktur auch in Deutschland abwarten.

mo

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