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Wirtschaft: Europas Linke auf dem Rückzug

Wird das linke Gebäude in Europa weiter zerfallen? Die anstehenden Wahlen in einer Reihe von Ländern auf dem europäischen Kontinent werden darüber Aufschluß geben.

Wird das linke Gebäude in Europa weiter zerfallen? Die anstehenden Wahlen in einer Reihe von Ländern auf dem europäischen Kontinent werden darüber Aufschluß geben. Für die linke politische Klasse, die glaubt, sie habe ein natürliches Recht zum Regieren, ist die Aussicht, in Ländern wie Deutschland, Frankreich und Portugal die Macht zu verlieren, mehr als schockierend. Die Angriffe des Chefs der portugisischen Sozialisten, Eduardo Ferro Rodrigues auf die Konkurrenz von rechts machen den Kern des Problems deutlich: Das, was den Sozialisten in Europa wirklich zu schaffen macht, ist ein schwer wiegendes Identitätsproblem. Wollen die linken Kandidaten eine Chance haben, die Wahlen zu gewinnen, müssen sie über die Forderungen der Rechten hinausgehen und eine liberale Marktwirtschaft propagieren. Rodrigues beschuldigt zwar seinen Gegner aus dem rechten Lager, ein neuer Thatcher zu sein. Aber das ist auch für sein eigenes Lager gar nicht so weit gefehlt. Das politische Denken der eisernen Lady scheint jenseits des Kanals an Einfluss zu gewinnen. Margaret Thatcher glaubte nicht daran, eine Volkswirtschaft bis ins kleinste Detail lenken zu können. Die Anhänger der freien Marktwirtschaft glauben, dass es unmöglich ist, die unbeabsichtigten und oft nachteiligen Folgen einer Intervention der Regierung abzuschätzen, weshalb sie der Regierung nur eine beschränkte Rolle zuweisen wollen. Die Linken halten das für mangelndes Verantwortungsbewußtsein. Aber selbst in Deutschland, wo korporatistisches Denken immer im öffentlichen Bewusstsein verankert war, finden liberale Ideen Zustimmung. In diesem Jahr macht die FDP unter ihrem neuen Parteichef Guido Westerwelle Steuersenkungen und eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes zu ihrer Bedingung für eine mögliche Koalition mit den Sozialdemokraten oder den Christdemokraten. Beide große Parteien haben Steuersenkungen nicht geplant, aber sie werden vielleicht keine andere Wahl haben - jedenfalls, wenn die FDP ihr Ziel einer Regierungsbeteiligung erreicht. Nur in Schweden sitzen die Linken fest im Sattel. Überall sonst scheinen sie auf dem Rückzug, in der Defensive und in schlechter Stimmung. Wenn noch andere Wahlen genauso laufen wie die in Italien, wo sich die Rechte klar durchsetzte, dann wird es für die Sozialisten ein Schreckensjahr.

Aus dem Wall Street Journal. Texte übersetzt

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