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Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker.

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Update

Euro-Krise: Eurozone fordert größere Sparanstrengungen von Griechenland

Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker hat am Dienstagmorgen weitere Sparbemühungen der Griechen gefordert. Das Land bleibe hinter den Erwartungen zurück. Positives gibt es dagegen vom Euro-Rettungsfonds ESM zu vermelden.

Die Eurozone hat vom hochverschuldeten Griechenland neue Spar- und Reformbemühungen gefordert, um seine Finanzlage in den Griff zu bekommen. "Es ist deutlich, dass das griechische Programm aus der Spur geraten ist", sagte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker am frühen Dienstagmorgen nach einem Treffen der europäischen Finanzminister in Brüssel. Die Beratungen über den künftigen Euro-Rettungsfonds ESM wurden abgeschlossen.
Den mit Euroländern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarten Spar- und Reformzielen zum Trotz kommt Griechenland im Kampf gegen seinen Schuldenberg von rund 350 Milliarden Euro und im Bemühen um mehr Wettbewerbsfähigkeit nicht wie erwartet voran. Mit der Troika aus EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank müsse Griechenland die "Eckpunkte eines ehrgeizigen Anpassungsprogramms so schnell wie möglich" vereinbaren, mahnte Juncker. Das sei die Voraussetzung für weitere Finanzhilfen.

EU-Währungskommissar Olli Rehn drängte die Regierung in Athen, wirtschaftliche Reformen voranzutreiben. Die Euro-Finanzminister riefen Griechenland außerdem auf, die Verhandlungen mit seinen privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt in den „kommenden Tagen“ abzuschließen. Banken, Versicherer und Hedgefonds sollen freiwillig auf rund 100 Milliarden Euro verzichten, um Griechenlands Schuldenlast zu verringern. Die Gespräche stocken, weil sich beide Seiten nicht einigen können, welchen Zinssatz die Gläubiger für ihre neuen Anleihen erhalten sollen.

Juncker sagte, die Eurogruppe habe den griechischen Finanzminister Evangelos Venizelos aufgefordert, zu einem Verhandlungsergebnis zu kommen, bei dem der Zinssatz über die gesamte Laufzeit der neuen Anleihen klar unter vier Prozent liege. Das ist weniger, als die Banken gefordert hatten. Je geringer der Zinsatz, desto größer die Erleichterung für Griechenland. Ein erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen ist die Voraussetzung für ein neues Hilfsprogramm für Griechenland in Höhe von insgesamt 130 Milliarden Euro. Ohne weitere Hilfen droht dem Land im März der unkontrollierte Staatsbankrott.

Die Finanzminister aller 27 EU-Länder einigten sich zudem auf einen Vertragstext für den dauerhaften Euro-Rettungsfonds ESM, der im Sommer in Kraft treten soll. Bislang ist eine Ausleihkraft von 500 Milliarden Euro geplant - im März soll jedoch noch einmal geprüft werden, ob diese Summe ausreicht.

Die Eurostaaten stellen zum 1. Juli einen neuen Krisenfonds für klamme Mitglieder auf die Beine. Die Finanzminister des Eurogebiets verständigten sich am Montagabend in Brüssel auf den Vertrag für den ständigen Rettungsschirm ESM. Der Hilfsfonds startet ein Jahr früher als ursprünglich geplant und hat einen Umfang von 500 Milliarden Euro. Das berichteten Diplomaten am Rande der Konferenz. Im März wollen die EU-Staats- und Regierungschefs prüfen, ob die ESM-Obergrenze reicht. Dieser Kontrolltermin war schon im vergangenen Jahr beschlossen worden.

Der ESM löst den im Sommer auslaufenden Hilfsfonds für klamme Eurostaaten (EFSF) ab. Als wichtige Neuerung wird er über ein Barkapital von 80 Milliarden Euro verfügen und damit unabhängiger von Bewertungen der Ratingagenturen werden. Deutschland muss davon einen Betrag von rund 22 Milliarden Euro stemmen. Eine Aufstockung würde Deutschland und die anderen Eurostaaten noch mehr belasten.

Genau das fordern aber einige Politiker. Der neue Rettungsfonds ESM solle deutlich mehr als 500 Milliarden Euro zur Verfügung haben, forderte etwa Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF, am Montag in Berlin. „Wir brauchen eine größere Brandmauer“, verlangte sie.

Höhere Sicherheiten würden automatisch bedeuten, dass Deutschland als wirtschaftsstärkstes Land des Kontinents mehr zahlen muss. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist gegen eine Ausweitung des Rettungsschirms.

Zu Besuch in Berlin: IWF-Chefin Lagarde.
Zu Besuch in Berlin: IWF-Chefin Lagarde.

© dapd

„Je länger wir warten, desto schlimmer wird es“, sagte Lagarde. Schlimmstenfalls könne aus der Krise eine weltweite Depression wie in den 1930er Jahren werden, warnte sie. Der vorläufige Rettungsschirm EFSF müsse in den ESM überführt werden, außerdem müsse der ESM aufgestockt und so schnell wie möglich nutzbar gemacht werden. Ohne besseren Schutz liefen Länder wie Spanien oder Italien Gefahr, durch „abnormale Zinskosten“ in eine Zahlungskrise zu geraten.

Dahinter steht die Sorge, dass selbst der ESM, der über mehr Finanzkraft verfügt als der jetzige EFSF, mit einer Rettung beider Länder überfordert sein wird. Als weitere Hilfsmöglichkeiten nannte die ehemalige französische Finanzministerin Eurobonds und eine lockerere Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Europa brauche daneben mehr Wachstum und eine tiefere Integration. Länder mit finanziellem Spielraum wie Deutschland sollten bei der Haushaltskonsolidierung mit geringerem Tempo vorgehen.

Eine Woche vor dem EU-Sondergipfel zur Finanzkrise wächst damit der Druck auf die Bundesrepublik, mehr Mittel für die Euro-Rettung aufzubringen. Zuvor hatte bereits Italiens Regierungschef Mario Monti dafür plädiert, das ESM-Volumen auf eine Billion Euro zu erhöhen. Auch EZB-Präsident Mario Draghi will die unverbrauchten EFSF-Mittel von 250 Milliarden Euro dem ESM bereitstellen.

Merkel lehnte eine Ausweitung des ESM strikt ab. Für sie habe es Priorität, den ESM schnellstmöglich in Kraft zu setzen. Das soll im Juli der Fall sein. „Immer, kaum dass wir eine Neuigkeit gemacht haben, die nächste schon zu machen, das halte ich nicht für richtig“, sagte sie. Europa müsse zeigen, dass der EFSF mit seinen 230 Milliarden Euro arbeitsfähig sei. Sie würde „gerne einmal sehen“, dass „wir beweisen, dass dieses Instrument im entscheidenden Fall wirklich agieren kann“. Darüber hinaus regte sie an, das noch vorhandene Geld aus EU-Fördertöpfen zu nutzen, „auch über das derzeit Erlaubte hinaus“.

Gegen eine Ausweitung des ESM sprachen sich auch die Vorsitzenden von CSU und FDP, Horst Seehofer und Philipp Rösler, aus.

Eine Woche vor dem EU-Sondergipfel stimmt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Spitzen der Europäischen Union ab. Am Montagabend kam Merkel in Berlin mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sowie EU-Ratspräsident Herman van Rompuy zu Beratungen zusammen.

Mit den EU-Spitzen wollte Merkel zudem den angestrebten Fiskalpakt für schärfere Haushaltsregeln erörtern. Er soll bereits bis zum EU-Gipfel am 30. Januar stehen. Hier drohten zuletzt jedoch Abstriche gegenüber den ehrgeizigen Vereinbarungen vom Dezember. Diskutiert werden auch die Vorschläge sowie der Sechs-Punkte-Plan Frankreichs und Deutschlands für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa.

Thema dürften zudem die Verhandlungen der griechischen Regierung mit privaten Geldgebern über einen Schuldenerlass sein. Mit dem freiwilligen Forderungsverzicht der Privatgläubiger soll die Schuldenlast Athens um 100 Milliarden Euro gesenkt werden. Eine Einigung ist Voraussetzung für das zweite Hilfspaket für Griechenland. Dem müssen auch EU-Kommission sowie Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) zustimmen.

Trotz Warnung: Verhaltene Hoffnung für Griechenland.

Schon bis Ende dieses Monats soll dagegen der Schuldenschnitt für Griechenland ausgehandelt sein. Am Rande von Beratungen in Brüssel zeigte sich EU-Währungskommissar Olli Rehn optimistisch, dass ein Kompromiss zwischen griechischer Regierung und Finanzbrache doch noch zeitnah gelinge. „Ich bin zuversichtlich, dass wir die Verhandlungen bald abschließen können, vorzugsweise im Laufe dieser Woche“, sagte er. Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden fügte hinzu: „Ich denke, dass wir auf dem Weg sind, eine gute Lösung zu finden.“

Hinter den Kulissen machten Diplomaten deutlich, dass der Deal bis zum Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs nächsten Montag stehen müsse. Zwar gibt es keine offizielle Frist, Athen droht aber die Staatspleite, sollten die Banken-Verhandlungen scheitern. Ein gesenkter Schuldenstand sei Vorbedingung für die Geberstaaten und den IWF, die Milliardenhilfen an Athen fortzusetzen, sagte der niederländische Ressortchef Jan Kees de Jager. Die obersten Kassenhüter ließen sich von ihrem griechischen Amtskollegen Evangelos Venizelos über die Verhandlungen informieren. „Wir haben eine sehr konstruktive Zusammenarbeit mit dem Privatsektor. Wir sind bereit, das Verfahren termingerecht abzuschließen“, sagte er vor dem Treffen.

Dem Vernehmen nach hatte die griechische Seite eine Vereinbarung mit dem Internationalen Bankenverband IIF erreicht. Die neuen griechischen Staatsanleihen, die die alten nach dem Schuldenschnitt ersetzen sollen, sollten demnach einen Zinssatz von durchschnittlich vier Prozent haben. Dann aber sollen sich Vertreter des IWF und der EU indirekt in die Gespräche eingeschaltet haben, um den Zinssatz auf weniger als drei Prozent zu drücken. Anderenfalls bestehe vor allem nach Sicht des IWF keine Möglichkeit, dass Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen könne, berichteten griechische Medien übereinstimmend unter Berufung auf Regierungskreise.

In Brüssel machte Rehn gleichzeitig deutlich, dass es für Griechenland nicht mehr Geld geben werde als bisher geplant. „Wir haben sehr solide Beschlüsse vom Oktober (2011)“, sagte der Finne. Damals hatten die Eurostaaten ein neues Hilfspaket von insgesamt 130 Milliarden Euro für Athen beschlossen.

Am Abend wollten die Ressortchefs der Eurozone mit ihren Kollegen aus anderen EU-Ländern über den neuen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin verhandeln. Die Staats- und Regierungschefs wollen den neuen Sparvertrag, auf den vor allem Berlin pocht, beim Gipfel am nächsten Montag beschließen. Das Papier soll rechtlich verbindliche Regeln zum Defizitabbau und zur Verankerung von nationalen Schuldenbremsen enthalten.

Derweil stimmt die Bundesregierung vor dem EU-Sondergipfel das weitere Vorgehen in der Schuldenkrise ab. Merkel hatte für den Montagabend EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy nach Berlin eingeladen.

Bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin rief Merkel dazu auf, bei der Bewältigung der Schuldenkrise aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. „Die Krise hat grundlegende Mängel in der Konstruktion der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion offenbart“, sagte Merkel. „Ein wesentlicher Punkt ist die übermäßige Staatsverschuldung, ein zweiter die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Euro-Mitgliedsstaaten.“ Beide Probleme hingen zusammen und müssten zusammen angegangen werden. (Mit AFP)

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