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Wirtschaft: Experten warnen vor dem totalen Ausverkauf

Das Image von Konsumtempeln leidet, wenn die anfangen, alles zu verramschen

Berlin (msh). Schon Wochen vor dem heute startenden Sommerschlussverkauf haben die Händler die Kunden mit saftigen Rabatten in die Läden gelockt. Der Grund: Die Lager der Händler sind voll. „Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage und der Diskussion um den Teuro halten sich viele Menschen mit Anschaffungen immer noch zurück“, sagt Ulrich Eggert, Geschäftsführer der Kölner Handelsberatung BBE.

Seit Beginn des Jahres hat der Handel Umsatzeinbußen von über fünf Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen müssen. Hinzu kommt das bisher mäßige Wetter, das die Nachfrage nach sommerlicher Bekleidung dämpfte.

Nach den Preissenkungen der vergangenen Wochen wollen die Händler beim Sommerschlussverkauf jetzt noch eins drauf setzen. Der Handelsverband HDE rechnet mit „rekordverdächtigen Preisstürzen“. Die Kehrseite der Tief- und Tiefstpreise: Laut HDE verdienen die Händler mit den Schlussverkaufsartikeln „keinen müden Euro“.

Auch Branchenexperten sehen das Rabattgewitter mit Sorge. „Die Preisaktionen sind aus der Not entstanden und werden nicht als intelligentes Marketinginstrument eingesetzt“, sagt Hans-Christian Limmer von der Unternehmensberatung Roland Berger. Die Händler hätten riesige Warenbestände, die sie ohne Rabatte nicht los werden. Dabei nutzen die Ladeninhaber inzwischen alle Möglichkeiten, die ihnen seit dem Wegfall des Rabattgesetzes zur Verfügung stehen. So hat der Textilhändler Peek & Cloppenburg schon vor Wochen quer durch das Sortiment die Preise gesenkt. Auch bei Warenhäusern Karstadt oder Galeria Kaufhof gehören die Wühltische fast schon zur Standardeinrichtung.

Unangenehme Folgen könnte das für die Profite und das Image vieler Händler haben. „Gewähren die Unternehmen hohe Preisnachlässe, steigt zwar kurzfristig der Umsatz, Gewinn machen damit aber nur wenige“, sagt Limmer. Negativ wirke sich die Billigheimerei auch auf das Image vieler Händler aus. „Je hochwertiger sich ein Geschäft mit seiner Marke positioniert, desto mehr verwässern die hohen Rabatte das Qualitätsimage.“ Gerade die großen Kaufhausketten wie Karstadt oder Galeria Kaufhof, die ihre Häuser mit Millioneninvestitionen zu wahren Konsumtempeln ausbauen, laufen Gefahr, die Käufer mit einer Preiswackelpolitik zu verwirren.

Reform der Handelsgesetze stockt

Nach Ansicht der Experten führt die hohe Anzahl der Preisaktionen zu einer Abstumpfung der Verbraucher. Immer neue Ideen wie den „Weltmeister-Rabatt“ von Karstadt einen Tag nach dem Finale der Fußball-WM müssten sich die Händler einfallen lassen, um die Kunden noch zu begeistern. „Rechnet der Käufer ständig mit einer neuen Aktion, wartet er mit seiner Anschaffung ab“, sagt der Handelsexperte Volker Dölle. Zudem werde selektiver gekauft. „Die Rabatte fördern die Schnäppchenjäger-Mentalität. Die Menschen gehen in das Geschäft, um ausschließlich den verbilligten Artikel zu kaufen.“

Fantasie bei den Preisermäßigungen müssen die Händler auch aus einem anderen Grund haben. Auch nach dem Fall des Rabattgesetzes dürfen sich die Firmen nicht alles erlauben. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verbietet beispielsweise, das gesamte Sortiment herabzusetzen oder Rabatte zu einer bestimmten Tageszeit zeitlich zu befristen. In den Schlussverkäufen dürfen nur Bekleidung und andere „Saisonwaren" wie Schuhe und Taschen herabgesetzt werden. Wer nicht spurt, bekommt von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs eine Abmahnung ins Haus geschickt.

So musste die Bekleidungskette C&A für ihren Euro-Rabatt zu Beginn des Jahres eine Millionen Euro zahlen. Dass diese Regelungen fallen müssen, darüber sind sich die Unternehmen und die Politik einig. Doch die Reform des UWG steckt in den bürokratischen Mühlen fest. Schon seit Monaten arbeitet eine Expertengruppe, die im Bundesjustizministerium angesiedelt ist, an der Reform. Offenbar will die Arbeitsgruppe nichts unternehmen, bis über den Entwurf einer EU-Verordung entschieden ist. Die noch nicht gültige Verordnung sieht eine deutliche Liberalisierung von Sonderverkäufen und Rabattaktionen vor.

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