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Wirtschaft: Experten zweifeln an schneller Gesundheitsreform

Kompromiss zwischen Regierung und Opposition noch in diesem Jahr „unwahrscheinlich“ – Schränken Kassen Leistungen ein?

Berlin (uwe). Die von der Bundesregierung geplante Gesundheitsreform wird wahrscheinlich nicht zum 1. Januar 2004 in Kraft treten können. Das erfuhr der Tagesspiegel am Sonntag in Kreisen, die mit der Reform befasst sind. Gesundheitsexperten halten es für kaum noch realistisch, dass es bis zur Sommerpause einen Konsens zwischen Regierung und Opposition geben werde. Dann aber gerate der Gesamtzeitplan in Gefahr. Für diesen Fall, so die Experten, werde die Regierung einzelne Spar- und Umfinanzierungselemente der Reform getrennt verabschieden müssen, um die Krankenkassenkosten zu Jahresbeginn 2004 nicht weiter steigen zu lassen. Das würde vor allem Leistungseinschränkungen und die Ausgliederung von Versicherungsleistungen umfassen müssen, um zu vermeiden, dass die Beiträge erneut dramatisch steigen, heißt es.

Ein Gesetz, das in zwei Stufen verabschiedet werden muss, wäre eine Niederlage für die Bundesregierung. Ein erneutes „Vorschaltgesetz“, wie es Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in diesem Jahr durchgesetzt hatte, um die Beitragsexplosion der gesetzlichen Kassen zu verhindern, „ist undenkbar“, heißt es in Regierungskreisen. Nur ein Gesamtpaket, bei dem die Menschen sicher sein könnten, dass es bei allen Zumutungen tatsächlich langfristig stabile Beiträge bringe, werde Akzeptanz in der Bevölkerung – und in den eigenen Reihen – finden.

Bislang war der dichte Zeitplan für die Gesundheitsreform eines der Hauptargumente der Koalition, um die Zustimmung der Opposition zu erzwingen. Kommende Woche sollten die Experten der Rürup-Kommission einen ersten gemeinsamen Reformvorschlag machen. Bis Mai sollte das Konzept in die bereits vorliegenden Vorschläge des Gesundheitsministeriums eingearbeitet werden. Anfang Juni sollte das Gesetz in den Bundestag. Spätestens dann, so das Kalkül der Regierung, müsse die Opposition Farbe bekennen – sie werde sich kaum gegen den gesammelten Experten-Sachverstand stellen können, ohne als Blockierer zu gelten, ist die Überlegung. Dann könne das endgültige Werk zwischen beiden Lagern festgezurrt und nach der Sommerpause verabschiedet werden.

Dass es so funktioniert, ist mittlerweile unwahrscheinlich. Zwar sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums: „Wir denken nicht in Alternativen“. Doch Kassen, Ärzte und Koalitions-Gesundheitspolitiker finden, dass sich das Ministerium nicht mehr allzu viel Zeit lassen sollte. So rechnet niemand mehr damit, dass die Rürup-Kommission tatsächlich einen einvernehmlichen Vorschlag machen wird. Denn die Experten sind zerstritten. Damit aber wäre schon der Start der Reformgesetzgebung verpatzt. Entscheidende Schritte im Einvernehmen mit der Union seien vor dieser Kulisse kaum vorstellbar, heißt es in den Kreisen. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber wolle ohnehin keinen Konsens vor den Landtagswahlen im Herbst.

Sollte Ulla Schmidt dann noch schwierige Umbauten wie eine neue Beitragsstruktur durchsetzen wollen, werde die Zeit zu knapp. Schmidt selbst hatte jüngst eingeräumt, „dass wir noch eine längere Diskussion brauchen, was die beste Form ist“. Da aber alle Experten davon ausgehen, dass die Kassenbeiträge schon 2003 auf mehr als 15 Prozent steigen werden und zudem einzelne Bestimmungen des letzten Vorschaltgesetzes im Dezember auslaufen, muss die Ministerin schneller und mehr sparen.

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