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Glänzender Rahmen: In der Villa Pasculli in Berlin-Friedenau stehen die Räder in einem ehemaligen Industriegebäude.

© uwe steinert

Fahrrad-Manufaktur: Formel 1 auf zwei Rädern

Die Berliner Manufaktur Pasculli baut Fahrräder nach Maß für bis zu 6000 Euro. Der Rahmen kommt aus Italien.

Berlin - Es gibt viel Platz für die Räder in der luftigen Industriehalle. Fast neun Meter hoch ist der Raum, in dem um 1900 die Optische Anstalt Goerz untergebracht war. Mehr als 100 Jahre später gibt es hier Maßräder zu sehen. Und zu kaufen. Ein besonderer Ort für besondere Liebhaber des Radsports. Denn wer gibt schon 6000 Euro für ein Fahrrad aus?

Christoph Hartmann zum Beispiel. Der 45-Jährige spielt Oboe bei den Berliner Philharmonikern. Und wenn nicht, sitzt er gerne auf dem Rad – auf einem ziemlich guten Rad. Die Ansprüche Hartmanns an das Sportgerät stiegen im Laufe der Jahre. Doch der Markt kam nicht mit, das Angebot entsprach irgendwann nicht mehr den Bedürfnissen des ehrgeizigen Freizeitsportlers, der als einer der weltbesten Oboisten gilt. Hartmann vermisste Räder mit Rahmengrößen, die dem Körper des Radfahrers optimal entsprechen. Also gründete er vor etwa fünf Jahren mit Maik Kresse, dem Betreiber eines Radgeschäfts in Schöneberg, eine Fahrradmanufaktur, die Räder nach Maß baut. Im vergangenen Dezember dann öffnete die Villa Pasculli, die schmucke Ausstellungs- und Verkaufs- und Konzerthalle an der Rheinstraße in Schöneberg.

Antonio Pasculli war ein sizilianischer Komponist und Oboist. Als Hartmann vor Jahren die Fahrradfirma gründete, nahm er gerade eine Platte auf mit Pasculli-Stücken. Und gab der neuen Firma den Namen des geschätzten Komponisten. Überhaupt spielt Italien eine große Rolle in der jungen Firma. Hartmann kennt einen Kontrabassspieler aus der Nähe von Mailand, der auch Rahmen baut, Fahrradrahmen. Von dort stammt nun das wichtigste Teil des Rads, eben der Rahmen. Und die einzelnen Pasculli- Modelle tragen ihre Namen nach den Pässen südlich von Piacenza, wo Hartmann eine Wohnung besitzt. „Tomarlo“ zum Beispiel ist der höchste Pass in der Gegend, Tomarlo ist zugleich eines der teuersten Produkte der Firma.

Mia Wageneder, 30-jährige Sozialversicherungsfachangestellte in Berlin, fährt seit dem Frühjahr Tomarlo. Bis dahin war sie auf einem 1000-Euro-Rennrad unterwegs, für das nach ihren Maßen gefertigte Tomarlo hat sie 4900 Euro gezahlt. Ersparnisse, wie sie sagt, deren Verwendung sich gelohnt habe. „Ich sitze viel bequemer auf dem Rad und bin nicht mehr so gestreckt.“ Vor kurzem ist Wageneder den Berchtesgadener Radmarathon gefahren, 190 Kilometer lang, 3000 Höhenmeter, in sechs Stunden und 50 Minuten. Mit dem alten Rad hätte sie deutlich mehr Zeit gebraucht, meint Wageneder. Eigentlich hatte sie sich 3000 Euro als Limit gesetzt für das neue Sportgerät, doch im Verlauf eines mehrstündigen Gesprächs mit den Pasculli-Leuten inklusive Vermessung ihrer Körpergeometrie ließ sie sich von der ziemlich teuren Variante überzeugen. Natürlich mit Farben nach ihrem Geschmack.

Die Chefs: Andreas Hubert (links) und Maik Kresse wollen die Marke ausbauen. Radreisen gibt es schon. Fotos: Uwe Steinert
Die Chefs: Andreas Hubert (links) und Maik Kresse wollen die Marke ausbauen. Radreisen gibt es schon. Fotos: Uwe Steinert

© uwe steinert

Andreas Hubert und Maik Kresse kümmern sich um das Geschäft. Hubert hat früher für einen Private Equity Fonds gearbeitet und will nun die Fahrradfirma profitabel machen. In diesem Jahr sollen rund 250 Räder verkauft werden, in zwei Jahren dann mehr als 1000. „Ein Pasculli war das erste Fahrrad, das mich emotionalisiert hat“, sagt Hubert. Inzwischen hat er vier. „Wir bauen Formel 1“, ergänzt Kresse, der in der 80er Jahren selbst Radrennen fuhr. Das Besondere an den Pascullis sei die Passgenauigkeit der Sitzposition und der Bewegungsabläufe. Und wenn vier Fünftel der Radfahrer auf einem falschen Rahmen sitzen, wie Hubert und Kresse sagen, dürfte es für einen Rahmen nach Maß durchaus einen Markt geben. Zumindest eine Marktnische mit zahlungsbereiten Individualisten.

Die Preisspanne liegt zwischen 2000 (Aluminiumrahmen) und 6000 Euro (Vollkarbon). Und das gibt die Zielgruppe – Freizeitsportler zwischen 35 und 50 Jahren, relativ hohes Bildungsniveau und Einkommen, Affinität zu Kunst und Kultur – ohne großes Zaudern aus für ein „Fahrrad als hochwertiges Freizeitinstrument“, meint Hubert. „Wir pflegen das Besondere, ohne elitär zu sein“, sagen die Pasculli-Chefs und schwärmen vom Radfahren als „klassenlosem Sport“.

Die meisten Kunden fahren bereits Rennrad und brauchten eigentlich kein neues, hat Hubert beobachtet. Aber sie schätzten eben „das individuelle Rad“ und wollten nicht länger auf industrieller Massenware sitzen. Derzeit kommt rund ein Drittel der Pasculli-Käufer aus Berlin, die große Mehrheit aus anderen Teilen Deutschlands. Das Abholen der Rennsportfreaks vom Flughafen ist Teil des Kundenservice.

Zur Pflege der „Pasculli-Familie“, wie Hubert sie nennt, gibt es Veranstaltungen in der Villa Pasculli, etwa Konzerte von Hartmann oder kürzlich eine Lesung des Rad-Journalisten Herbert Watterott. Pasculli-Reisen sind ein weiteres Geschäftsfeld. Im Frühsommer ging der erste Trip in die Toskana, auch Mia Wageneder war dabei. Es wurde Rad gefahren, gut gegessen und viel Wein getrunken. „Beim nächsten Mal bin ich wieder dabei“, sagt Wageneder. Die Familie zieht offenbar.

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