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Wirtschaft: Fast alles verloren

Eine turbulente Hauptversammlung der Hypo Real Estate beschließt die Verstaatlichung

Scheu zuckt sein Lächeln, so, als wolle er sich gleich entschuldigen, dass er überhaupt gekommen ist. 42 Jahre jung, bubenhaft, die Haare sind links brav gescheitelt. Wer soll einem solchen Mann böse sein? Axel Wieandt, Vorstandschef der Skandalbank Hypo Real Estate. Es ist die erste Hauptversammlung, auf der er die Hauptrolle spielt. Wieandt ist der Mann, der die Verstaatlichung einer privaten Bank erklären soll. Mehrere Hundertschaften wütender Kleinaktionäre haben sich am Dienstag in Münchens Kongresszentrum aufgebaut, um den Bonzen den Marsch zu blasen. Doch weil keine Bonzen gekommen sind, muss Wieandt als Ziel herhalten. Aber als Feindbild taugt der Mann mit den schmalen Schultern unter dem dunkelblauen Anzug schlecht.

Heute ist das letzte große Gefecht bei der Hypo Real Estate. Die Versammlung soll eine Kapitalerhöhung beschließen, die am Ende in einer Vollverstaatlichung münden wird. Wie der HRE-Aufsichtsratsvorsitzende Michael Endres sagte, nehmen an der Hauptversammlung 74,11 Prozent des Grundkapitals teil. Da der Bund über den staatlichen Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) 47,3 Prozent der Anteile hält, kann er im Alleingang die geplante Kapitalerhöhung von bis zu 5,6 Milliarden Euro beschließen, durch die der Anteil des Bundes auf mindestens 90 Prozent steigen soll. Sobald der Soffin diese 90 Prozent hält, kann er die übrigen Altaktionäre aus der HRE herausdrängen und ihnen zu einem festgelegten Betrag deren Aktien abkaufen. Es gibt Buhrufe, Pfiffe und wütende Zwischenrufe. Doch die eigentlichen Reizfiguren sind nicht da.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, der die Kleinaktionäre aus dem Unternehmen drängen will, lässt sich durch Soffin-Chef Hannes Rehm vertreten. US-Investor Christopher Flowers, der sich partout nicht aus dem Unternehmen drängen lassen will, kann kein Deutsch und darf daher bei einer deutschen Hauptversammlung nicht sprechen. Ex-HRE-Chef Georg Funke, unter dessen Führung die Bank zusammenbrach und der nun auch noch sein Gehalt einklagt, lässt sich natürlich vor den wütenden Aktionären nicht blicken.

Bleiben also Aufsichtsratschef Endres und Vorstandschef Wieandt. Beide sehen keine Alternative zu der Verstaatlichung. Er könne sich ja gut vorstellen, dass viele mit Groll gekommen seien, sagt Endres. Doch Vorstand und Aufsichtsrat seien ja komplett neu besetzt worden. „Keiner von uns ist in das Debakel der Bank involviert gewesen.“ Wieandt atmet noch einmal tief durch, ehe er ans Rednerpult tritt. Bei der Deutschen Bank galt er als eines der großen Nachwuchstalente. Der interessierten Öffentlichkeit war sein Name bekannt, weil er aus einer Bankerfamilie stammt. Seine Schwester Dorothee ist Partnerin bei der Investmentbank Goldman Sachs, sein Schwager Commerzbank- Chef Martin Blessing, sein Bruder Carl Partner bei McKinsey.

Wieandt hat die Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten komplett gemieden. Er wohnt in einem Drei-Sterne-Hotel in der Nähe der Bank. Die Beschränkung auf das 500 000-Euro-Gehalt hat er klaglos akzeptiert. Nun muss er den Spagat schaffen. Einerseits Verständnis zeigen für die Kleinaktionäre, die viel Geld verloren haben und nun auch noch aus dem Unternehmen gedrängt werden. Andererseits muss er für die Pläne des Bundes werben. Ohne den Staat wäre die Bank längst pleite, betont er. Die Aktionäre wären dann komplett leer ausgegangen. „Wir gehen davon aus, dass im Insolvenzfall für Sie als Aktionäre kein Liquiditätserlös verblieben wäre“, hält Wieandt den Aktionären entgegen. Doch die 1,39 Euro, die der Bund bei seinem Übernahmeangebot vorgelegt hatte, sind für viele hier nur ein ganz schwacher Trost.

„Darauf kann ich auch verzichten“, sagt Reimund Kasperowitsch. Wie so viele Kleinanleger steht er schon zwei Stunden vor Beginn der Hauptversammlung vor den Toren des Kongresszentrums. Um vier Uhr morgens ist er mit seiner Frau in Thüringen aufgebrochen, um bei dieser historischen Stunde dabei zu sein. 33,37 Euro hat er einst je Hypo-Real-Estate-Aktie bezahlt. Das ist fast alles dahin. Nun steht der pensionierte Personalleiter mit seiner Aktentasche vor dem Eingang und wartet auf Einlass.

„Die Großen, die das verbockt haben, die Geldhaie sollten enteignet werden“, schimpft der 66-Jährige über den früheren Vorstand der Bank. Den Zeigefinger hoch erhoben fordert er den Rücktritt Wieandts und der gesamten Führungsriege – weil die die Enteignungspläne des Bundes mittragen. Vorstandschef Wieandt hört sich auch das an – ernst, aber freundlich schauend. Genau so wird er sich den Tag vorgestellt haben.

Und auch das Ende verläuft planmäßig. 73,95 Prozent der anwesenden Aktionäre stimmen am Abend der geplanten Kapitalerhöhung zu – und geben dem Bund damit freie Hand zur Verstaatlichung der Bank. HB

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