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Jetzt kommt der Italo. Ausgestattet mit viel Komfort und modernster Technik verbindet er Mailand, Bologna, Florenz, Rom und Neapel mit Tempo 300. Foto: dapd

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Wirtschaft: Ferrari auf Schienen

Der Sportwagenbauer fordert Italiens Staatsbahn heraus und schickt einen roten Superzug ins Rennen.

Es gab keine Tickets mehr. Und Trauben von Menschen standen auf den Bahnsteigen, um den schnittigen roten Zug auf seiner ersten Fahrt zu sehen. Vergangenen Samstag begann auf Italiens Schienen ein Liberalisierungs-Abenteuer, das in Europa bisher einmalig ist: Ein privater Unternehmer fordert die etablierte, staatliche Eisenbahn im prestigeträchtigen Hochgeschwindigkeitsnetz heraus. Ferrari-Chef Luca Cordero di Montezemolo schickt seinen Italo auf die Strecke zwischen Mailand, Florenz, Rom und Neapel. Während der 64-jährige Norditaliener mit kühler Noblesse ins Rennen geht, kündigen die Staatsbahnen einen „Krieg mit harten Schlägen“ um die Reisenden an.

Der Italo, entwickelt von der französischen TGV-Mutter Alstom, soll der modernste Zug auf Europas Schienen sein. Der komfortabelste auch: Ledersessel beispielsweise von der italienischen Firma Poltrona Frau, die selbst in teuren Autos nur gegen Aufpreis zu haben sind, gibt’s hier schon in der billigsten Klasse. Neuartige Fahrgestelle und die Verteilung der Motoren über die ganze Länge des Zugs sorgen für einen geräuscharmen, vibrationsfreien Lauf, Satelliten-TV und ein Kinoabteil für Unterhaltung.

An Montezemolos Konzern Nuovo Trasporto Viaggiatori NTV (Neuer Personentransport) sind auch der Luxusschuh- Fabrikant Diego Della Valle, die französische Staatsbahn SNCF, die Generali-Versicherung und die Bankengruppe Intesa Sanpaolo beteiligt. Mehr als eine Milliarde Euro haben sie in das Projekt gesteckt. Gemeinsam wollen sie den Ferrovie dello Stato, also der staatlichen italienischen Eisenbahn, bis 2014 ein Viertel des Hochgeschwindigkeitsgeschäfts entreißen: acht bis neun Millionen Reisende.

Über die Geschwindigkeit kann die Schlacht nicht geführt werden: Das Schienennetz bleibt im Besitz der Staatsbahn, und diese hat mit der Regulierungsbehörde schon die Bremse gezogen. Aus Gründen der Chancengleichheit darf der private Italo nicht schneller fahren als der Eurostar der Staatsbahn – also 300 Stundenkilometer. Der Italo würde mühelos 360 Kilometer in der Stunde schaffen.

Begonnen hat der Kampf um die Fahrpreise. NTV wollte etwas niedriger einsteigen als die Staatsbahn; diese kam den Privaten – nach einer saftigen Preiserhöhung im Herbst – nun mit solchen Dumping-Angeboten in die Quere (Mailand- Rom für neun Euro), dass Montezemolo schon bei der Regulierungsbehörde protestiert hat. Die Staatsbahn hat einen traditionellen Nachteil und den will Montezemolo ausnützen: Sie denkt wie eine Behörde und lässt es an Komfort für die Reisenden fehlen. Die Sitze sind oft durchgesessen und verschlissen, die Züge schmutzig und schlecht gepflegt, die Betreuung der Passagiere eine Katastrophe.

Montezemolo hingegen will nicht nur einen Zug fahren lassen. Einige Medien jubeln ihn zum künftigen Ministerpräsidenten hoch. Doch zu seinen politischen Ambitionen äußert er sich widersprüchlich. Aber er will ein Beispiel geben, „wie es in Italien auch gehen könnte“: 1000 junge Leute hat er mit unbefristeten Verträgen für seinen Italo eingestellt; sie sind nicht als Beamte geschult worden, sondern als Tourismusfachleute. Gebaut und gewartet werden die Züge auf einer neuen Anlage im Mezzogiorno, in Nola. Eine wirtschaftlich tendenziell aufgegebene Gegend steht also plötzlich für die Zukunft.

Hauptkampfplatz zwischen NTV, Staatseisenbahn und Flugzeug ist die Strecke Mailand-Rom. Der Staatsbahn ist es gerade mit ihren neuen, teuren Nonstop-Zügen und den gewaltigen, temposteigernden Tunneln zwischen Florenz und Bologna gelungen, der Fluggesellschaft Alitalia die Mehrheit der Reisenden zu entreißen; überhaupt legen nur noch 13 Prozent die knapp 600 Kilometer mit Auto oder Bus zurück.

Für den kleinen Regionalverkehr hingegen interessiert sich Montezemolo nicht. Dabei wäre gerade dieser für die überfällige Modernisierung ein Aufgabengebiet ersten Ranges. Bei den ungezählten Milliarden, die der Staat ins prestigeträchtige Höchstgeschwindigkeitsnetz gesteckt hat, blieb kein Geld für die lokalen oder regionalen Pendlerzüge übrig. Das Zugmaterial, das die Staatsbahn dort tagtäglich auf die Schienen schickt, ist nicht viel mehr als schäbiger, rollender Schrott. Wenn es überhaupt fährt.

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