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Bundesbank: Schlechte Note

Am Dienstag kommt der Vorstand der Bundesbank zusammen. Und die Sitzung dürfte hitzig werden. Denn die Causa Thilo Sarrazin wird debattiert. Aber auch andere Probleme muss die Bank meistern. Welche?

Hunderte von Briefen und E-Mails haben sich mittlerweile bei der Bundesbank in Sachen Thilo Sarrazin angesammelt. Rund die Hälfte soll dem Ex-Finanzsenator den Rücken stärken, ist zu hören. Seine drastischen Aussagen über in Berlin lebende Türken und Araber seien doch richtig. In der Bundesbank selbst allerdings hat Sarrazin an Rückhalt verloren. Bundesbank-Präsident Axel Weber will ihn möglicherweise degradieren und damit zum Rücktritt zwingen. Gerade noch für IT soll Sarrazin die Verantwortung behalten, abgeben soll er die Bereiche Risiko-Controlling und Bargeld – eine der wichtigsten Aufgaben, die der Bundesbank nach der Einführung des Euro vor zehn Jahren geblieben ist. Dies jedenfalls soll am Dienstag im Vorstand beschlossen werden. Es wäre ein beispielloser Vorgang in der 52-jährigen Geschichte der Bank.

Wie die Zusammenarbeit im Bundesbank-Vorstand noch gedeihlich möglich sein soll, weiß niemand. „Sarrazin ist überhaupt nicht bereit, sich in der Bundesbank zu integrieren“, sagt ein Bundesbanker. „Er nutzt das Ansehen und die seriöse Plattform der Bundesbank, um seine Thesen herauszuposaunen.“ Bei aller Kritik ist aber ungewiss, ob Weber wirklich auf die komplette Rückendeckung der anderen Vorstände bauen kann. Kein Mitglied des Gremiums wolle sich de facto zur Zustimmung zwingen lassen, hieß es. Zudem sei Weber selbst in der Vergangenheit mit der ein oder anderen Entscheidung angeeckt. Als möglicher Wackelkandidat gilt intern etwa der für Personal und Revision zuständige Vorstand Rudolf Böhmler. „Wenn Weber nicht die Zustimmung aller Vorstände außer Sarrazin bekommt, ist das für ihn eine Blamage“, sagte ein hochrangiger Bundesbanker. Neben Sarrazin gibt es fünf weiter Vorstände. Die Zentralbank lehnte eine Stellungnahme ab.

Aber die Causa Sarrazin ist längst nicht das einzige Problemfeld für Weber. Auch gegen das forsche Vorgehen, die deutsche Bankenaufsicht komplett in die Hände der Bundesbank zu legen – bisher teilen sich Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) diese Aufgabe – regt sich Widerstand. Neben den Personalvertretern der Bonner Behörde zeigen sich auch BaFin-Chef Jochen Sanio und sein Direktorium erheblich irritiert. In einem dem „Handelsblatt“ vorliegenden Brief an die rund 1900 Mitarbeiter äußern sie Verständnis für deren „Sorgen“ und bedauern, „nicht an den politischen Entscheidungen beteiligt“ zu sein. Hintergrund ist das vergangene Woche bekannt gewordene Vorhaben der künftigen Koalitionspartner Union und FDP, die Bankenaufsicht bei der Bundesbank zu konzentrieren.

Damit jedoch nicht genug. Weber muss sich in diesen Tagen auch noch mit seinen Mitarbeitern auseinandersetzen. Was er sich selbst zuzuschreiben hat. Denn die sind sauer, weil der Präsident im September überraschend angekündigt hat, bis 2012 weitere 14 der aktuell noch 47 Filialen zu schließen und 800 Stellen zu streichen. Da hilft es wenig, dass sich die Bundesbank-Gewerkschaft (VdB) im Fall Sarrazin voll hinter Weber stellt und den Rücktritt des Ex-Finanzsenators fordert. Dieser Schulterschluss freilich hält die VdB nicht davon ab, am Dienstag gegen den Bundesbank-Präsidenten auf die Straße zu gehen. Mehr als 1100 Bundesbanker aus der ganzen Republik wollen mit der ersten Demonstration überhaupt in der Geschichte der Notenbank direkt vor der Zentrale im Norden von Frankfurt am Main ihrem Unmut Luft machen. Auch Verdi-Chef Frank Bsirske hat sich zur Kundgebung unter dem Motto „Hände weg von den Filialen“ angesagt.

Die 14 Filialen werden angeblich wegen der Automatisierung der Bargeld-Bearbeitung nicht mehr gebraucht, lautet die Begründung für die geplanten Stellenstreichungen. „Die Heftigkeit der Pläne erinnert eher an Sanierungspläne für Dax-Unternehmen als an eine öffentliche Institution mit hohem Ansehen“, heißt es bei der VdB. Allein betriebswirtschaftliche Überlegungen seien aber fehl am Platz. „Sicheres und gutes Geld für die Bürger und Wirtschaft hat seinen Preis.“

Mit der Einführung des Euro vor zehn Jahren hat die Bundesbank ihre zentrale Aufgabe in der Geldpolitik verloren und an die Europäische Zentralbank abtreten müssen. Dort sitzt allein noch Bundesbank-Chef Weber im Rat, der über den Leitzins entscheidet. Zentrale Aufgaben der Bank sind seitdem die Bargeldversorgung, der unbare Zahlungsverkehr und – noch mit der BaFin – die Bankenaufsicht.

Mit der Einführung des Euro war klar, dass die Bundesbank mit ihren damals 15 300 Mitarbeitern und rund 150 Filialen deutlich überdimensioniert war. Der Zentralbankrat wurde abgeschafft, aus dem achtköpfigen Direktorium ein heute sechsköpfiger Vorstand. Ein Drittel der Stellen wurde mittlerweile abgebaut, Ende 2008 waren es noch rund 10 000. Bis Ende 2012 sollen es nur noch 9000 Vollzeitjobs sein. Mehr als 100 Filialen hat die Bundesbank inzwischen geschlossen. Durch die Einschnitte spart die Bundesbank nach Angaben des Vorstandes jährlich 280 Millionen Euro. Ein Rücktritt von Sarrazin würde daran nichts ändern. Denn der Job würde vermutlich schnell wieder besetzt. Bliebe nur die Frage, wen die Länder Berlin und Brandenburg vorschlagen würden. Ihnen stand bei dem üblichen Geschachere zwischen den Bundesländern um die Besetzung der Bundesbank-Spitze zuletzt das Vorschlagsrecht zu. mit HB

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Rolf Obertreis[Frankfurt, Main]

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