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Entschädigung: Richter schlägt im HRE-Prozess Vergleich vor

Der erste Tag im Schadenersatzprozess um die Hypo Real Estate könnte zugleich der letzte Verhandlungstag sein. Das Gericht hat einen Vergleich vorgeschlagen.

Denkbar wäre, dass die Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) je nach Zeitpunkt der Aktienkäufe zehn bis 100 Prozent des entstandenen Schadens zahlt, sagte der Vorsitzende Richter der 22. Zivilkammer am Landgericht München, Matthias Ruderisch. Er schränkte dies auf den Zeitraum zwischen Ende November 2007 und Mitte Januar 2008 ein. In diesem Zeitraum hatte das Bankhaus möglicherweise schon Kenntnis von Belastungen durch die Finanzkrise, ohne dies den Anlegern mitzuteilen.

Für die Klage haben sich 40 große Kapitalanlagefonds aus Deutschland, Luxemburg, den USA, Kanada und Saudi-Arabien zusammengeschlossen. Darunter sind auch die Fondsgesellschaft der Allianz und die Deka der Sparkassen. Sie fordern insgesamt 320 Millionen Euro Entschädigung.

Der Kläger-Anwalt Andreas Tilp wertete den Vorschlag des Gerichts als Erfolg. "Kein Richter regt einen Vergleich an, wenn er die Klage als gescheitert ansieht", sagte er. Ob er darauf eingehen wird, ließ er allerdings offen. "Vergleiche hängen letztlich an den Zahlen und da wird man rechnen." Auch die Hypo Real Estate hielt sich bedeckt. "Wir können das nicht hier am Tisch entscheiden", sagte HRE-Anwalt Hansjörg Scheel.

Zum Prozessauftakt hatte der Richter Tilp vorgeworfen, seine Forderung nicht klar genug formuliert zu haben. Haftbar sei die Bank nur, wenn sie kursrelevante Insider-Informationen nicht rechtzeitig an die Anleger weitergegeben habe. In diesem Punkt sei die Klage nicht genau und deshalb "im Moment nicht entscheidungsreif". Tilp stellte daraufhin klar, dass er eine Ad-Hoc-Mitteilung von Juni 2007 für falsch oder grob fahrlässig erachtet. Darin hatte die HRE ihre Gewinnprognose für das Jahr angehoben, obwohl ihr zu diesem Zeitpunkt hätte klar sein müssen, dass dies angesichts der geplanten Übernahme des Staatsfinanzierers Depfa nicht richtig war, sagte er. Die Depfa hatte die HRE im vergangenen Jahr an den Rand des Ruins gebracht.

In seiner Argumentation hatte sich Tilp auf den Zeitraum von Mitte Juli 2007 bis Mitte Januar 2008 bezogen. Die HRE hatte Mitte Januar 2008 völlig überraschend Abschreibungen im Volumen von 390 Millionen Euro vorgenommen und am 15. Januar in einer Ad-hoc-Meldung darüber informiert. Anschließend verlor die Aktie deutlich an Wert. Vor diesem Zeitpunkt hatte der Vorstand dagegen stets betont, die HRE sei nicht von der Krise betroffen und gehe sogar gestärkt aus ihr hervor.

Der von Tilp beanstandete Zeitraum von Mitte Juli 2007 bis Mitte Januar 2008, in der die HRE die Anleger über Probleme mit US-Wertpapieren falsch und zu spät informiert haben soll, sei nicht schlüssig, ergänzte Ruderisch. Er spiegele eher einen Abriss der Finanzkrise wider, die Mitte 2007 begann, mache aber nicht den Schaden für die Anleger deutlich.

Aussicht auf Erfolg wie in anderen Verfahren von Kleinanlegern hätten nur Investoren, die zwischen Ende November 2007 und Januar 2008 – also dem Zeitpunkt der Abschreibung – Aktien gekauft hätten.

Die HRE bestreitet die Vorwürfe und sieht zudem in vielen Fällen eventuelle Ansprüche verjährt. Eine Entscheidung will Ruderisch im Januar 2010 fällen.

In München beschäftigen sich derzeit sechs Kammern des Landgerichts mit 50 Schadenersatzklagen gegen die HRE. Um der Prozessflut Herr zu werden, hat der Gesetzgeber nach US-Vorbild eine Art Sammelklage im deutschen Recht verankert. Dabei wird der Fall eines Klägers exemplarisch für alle andern geklärt. Anlegeranwalt Tilp rechnet sich gute Chancen aus, den Musterfall durchfechten zu dürfen, da seine Kanzlei mit 320 Millionen Euro die höchste Schadenersatzforderung vertritt. Der Fall wird dann vom Oberlandesgericht und später vermutlich vom Bundesgerichtshof entschieden. Alle anderen Schadenersatzklagen ruhen solange.

Nachdem der Staat die HRE mit mehr als 100 Milliarden Euro Nothilfen gestützt hatte, wollte er die Sanierung selbst in die Hand nehmen. Inzwischen haben die meisten Aktionäre ihre Anteile an der Hypo Real Estate zum Preis von 1,39 Euro an den Bund verkauft, die restlichen Anleger sollen aus dem Unternehmen herausgedrängt werden. Damit richten sich die Klagen letztlich gegen den Bund und somit den Steuerzahler.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, sp

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