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Josef Ackermann

© dpa

Finanzkrise: Ackermanns Hilferuf

Deutsche-Bank-Chef fordert "konzertierte Aktion“ von Notenbanken und Regierungen. Der Staat soll helfen. Börse erholt sich indes von ihrem Schock am Montag.

Berlin/Frankfurt am Main - Eine kräftige Kurserholung am Aktienmarkt hat am Dienstag die Sorge vor einer Verschärfung der Finanzkrise zunächst in den Hintergrund gedrängt. Erleichtert wurden die besser als befürchtet ausgefallenen Geschäftszahlen der US-Investmentbanken Lehman Brothers und Goldman Sachs aufgenommen (siehe Artikel unten). Auch die für den Abend erwartete Zinsentscheidung der US-Notenbank sorgte für eine Atempause. Der Dax stieg bis zum Abend um 3,5 Prozent auf 6400 Punkte, der Dow Jones kletterte um 2,4 Prozent auf 12 257 Zähler. Auch der Dollar stabilisierte sich. Die Europäische Zentralbank legte den Referenzkurs des Euro bei 1,5771 Dollar fest.

Die Warnungen vor einer Zuspitzung der Krise verstummten gleichwohl nicht. Ungewöhnlich pessimistisch meldete sich der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, zu Wort. Er glaube nicht mehr an die Selbstheilungskräfte des Marktes, räumte Ackermann am Montagabend auf einer Veranstaltung in Frankfurt am Main ein. Der Deutsche-Bank- Chef forderte das „konzertierte“ Eingreifen von Notenbanken und Regierungen. Ackermann äußerte sich auch in seiner Funktion als Vorsitzender des Institute of International Finance (IIF), der mächtigsten Bankervereinigung, in der sich die 300 größten Institute aus aller Welt zusammengeschlossen haben. Was genau Regierung und Zentralbanken tun sollten, ließ Ackermann zwar offen. Indirekt unterstützte er mit seinem Appell aber die Forderung, der Staat solle faule Kredite übernehmen, um die Banken zu entlasten. Alleine seien die Banken im Moment nicht in der Lage, einen Weg aus der Krise zu finden, gab Ackermann zu.

„Es gibt keinen Liquiditätsengpass, sondern etwas, das wir noch nie gesehen haben – einen Investorenstreik. Die Kapitalspritzen sind nötig, um Vertrauen wieder herzustellen“, sagte Ackermann mit Blick auf die Stützungsaktionen der US-Notenbank Fed am Vortag. Die Spirale nach unten müsse durchbrochen werden. Die von der Fed mit 30 Milliarden Dollar abgesicherte Übernahme der Investmentbank Bear Stearns durch den Konkurrenten JP Morgan sei ein richtiger Ansatz.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sprach am Dienstag von der „schwersten Finanzkrise der letzten Jahrzehnte“. Auf einer Veranstaltung in Potsdam versicherte der Minister, Bundesbank, Bankenverbände, Institute und die Politik stünden in engem Kontakt. Verursacht worden sei die Krise aber in den USA. „Bei der Bewältigung sind auch zuallererst die USA gefragt“, sagte Steinbrück. In Deutschland gebe es bisher keine Beeinträchtigung bei der Kreditvergabe für den Mittelstand. Es gebe auch keine rezessive Entwicklung. „Das prognostizierte Wachstum in Deutschland von 1,7 Prozent in diesem Jahr ist weiter realistisch“, sagte der Finanzminister. Die Lage dürfe allerdings nicht verharmlost werden. „ Wir müssen die Situation genau analysieren, ob wir an einen Punkt kommen, an dem über die bisherigen Aktivitäten hinaus Maßnahmen erforderlich sein werden“, meinte Steinbrück. Er sei derzeit nicht bereit, „den Konsolidierungskurs des Bundeshaushalts zu gefährden“.

Bundesbank-Präsident Axel Weber forderte die Finanzwirtschaft auf, über mögliche weitere Risiken zu informieren. „Transparenz ist und bleibt das Gebot der Stunde“, sagte Weber dem „Handelsblatt“. Das gelte nicht nur für die regulierten Banken, sondern für alle Finanzmarktakteure – Fonds, Private-Equity-Unternehmen und Hedge-Fonds eingeschlossen. „Die Marktteilnehmer brauchen Klarheit über alle Risiken, die sich bei den Gegenparteien befinden.“ Weber begrüßte die Rettung der US-Investmentbank Bear Stearns. Die Übernahme durch J.P. Morgan Chase und die von der Fed beschlossenen Maßnahmen seien „geeignet und zielführend, um einen positiven Effekt auf die Marktliquidität auszuüben und die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte zu fördern“.

Nach Ansicht von Reinhard Schmidt, Professor für internationales Bankwesen an der Uni Frankfurt, ist vor allem eine noch engere Abstimmung zwischen Notenbanken gefordert, etwa bei der Bereitstellung von weiteren, vorübergehenden Finanzhilfen. Richtig seien auch die von der US-Regierung eingeleiteten Steuersenkungen, um die Last vor allem von Hausbesitzern zu nehmen. Die Rettungsaktion für Bear Stearns versteht Schmidt nicht als „Heraushauen“ einer angeschlagenen Bank, sondern als Hilfe für ein im Grunde gesundes Institut, das in Liquiditätsprobleme geraten sei.

Genau dieses staatliche „Heraushauen“ von klammen Banken ist nach Ansicht des Bremer Wirtschaftswissenschaftlers Rudolf Hickel prinzipiell problematisch. Weil es Institute dazu verleiten könnte, hochriskante Geschäfte zu tätigen im Wissen, dass der Staat mit Steuergeldern die Bank später aus einer Schieflage befreien werde. mit HB

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