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Finanzkrise: Bricht die Währungsunion auseinander?

Irland, Italien, Spanien, Portugal und Griechenland: Ihnen allen droht der Bankrott. Andere EU-Staaten müssen helfen. Welche Folgen hat das?

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Die Finanz- und Wirtschaftskrise wirkt sich nicht nur negativ auf den Arbeitsmarkt aus, sondern auch auf die Staatshaushalte. Allerdings trifft es einzelne Staaten härter als andere, was auch Folgen für den gesamten Euroraum hat.

Warum geraten einige EU-Staaten unter Druck?

Braucht ein Staat Geld, zapft er für gewöhnlich den internationalen Geldmarkt an – etwa, indem er eine Anleihe auflegt. Investoren kaufen ihm die Anleihe ab und bekommen dafür Zinsen vom jeweiligen Finanzminister. Die Höhe dieser Zinsen hängt davon ab, wie beliebt ein Staat auf dem Kapitalmarkt ist. Verlässliche Schuldner mit einer starken Wirtschaft und gesunden Finanzen zahlen weniger als Länder mit einem fragwürdigen Ruf.

Die Bundesrepublik genießt unter den 16 Staaten der europäischen Währungsunion derzeit das beste Ansehen. Dagegen ist es für Länder wie Griechenland, Irland, Spanien, Italien oder Portugal wesentlich teurer geworden, sich Geld zu besorgen. Begnügen sich Käufer von Bundesanleihen etwa mit knapp drei Prozent Zinsen, verlangen sie für griechische Staatspapiere das Doppelte. In der Währungsunion geht nun ein Schreckensszenario um: Eines der angeschlagenen Länder findet eines Tages keine Abnehmer für seinen Staatspapiere mehr. Es kann also keine neuen Schulden aufnehmen. Zugleich müssen nahezu alle Staaten mit viel Geld die Konjunktur stützen und die Banken retten. Obendrein gehen wegen der Wirtschaftskrise die Steuereinnahmen zurück – am Ende könnte ein Staatsbankrott stehen. Diesen Fall hat es seit Beginn der Euro-Währungsunion 1999 noch nicht gegeben. „Das Szenario ist nur vorstellbar, wenn die Krise noch längere Zeit anhält“, sagt Ulrich Kater, Chefökonom der Deka-Bank. Auszuschließen ist es gleichwohl nicht. „Sehr beunruhigend“ findet Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) die Entwicklung.


Wie können andere EU-Länder helfen?

Pünktlich zu seinem zehnten Geburtstag steht der Euro also vor dem ersten echten Härtetest. Denn anders als früher können Länder mit Zahlungsproblemen ihre Währung nicht mehr rasch abwerten, um den Export anzukurbeln. Neue Scheine zu drucken geht auch nicht – über die Geldpolitik entscheidet die Europäische Zentralbank (EZB), nicht mehr jeder einzelne Staat. Und die hält von einer Finanzpolitik per Notenpresse überhaupt nichts.

Das Problem: Die Pleite eines Staates ist in den Verträgen zur Währungsunion schlicht nicht vorgesehen. Finanzhilfen der gesunden Länder für ein krankes schließt der Kontrakt dagegen ausdrücklich aus – das soll alle Mitglieder zu einer soliden Haushaltspolitik anhalten. Doch ohne ein Eingreifen, so warnt bereits EU-Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia, droht Europa eine Katastrophe. Vom Bankrott eines Staates wären auf dem eng verflochtenen Kontinent zwangsläufig auch andere Länder betroffen.


Wie könnten Hilfen aussehen?

Seit Wochen machen sich Finanzpolitiker und Notenbanker Gedanken, was im schlimmsten Fall zu tun wäre. Direkte Beihilfen darf die EU nur in absoluten Ausnahmefällen zahlen, die das Land in seinen Grundfesten bedrohen – gedacht war dabei eigentlich an Naturkatastrophen. Alternativ könnten sich die EZB und andere Notenbanken zusammentun, um die Staatsanleihen des angeschlagenen Landes zu übernehmen, die sonst niemand haben will. Oder aber der Internationale Währungsfonds eilte mit einer Geldspritze herbei. Dies würde allerdings das Ansehen des bis vor kurzem starken Europa international schwer schädigen.

Eine andere Möglichkeit wäre, gemeinsame EU-Anleihen aufzulegen. Dabei ginge es um ein psychologisches Signal an die Märkte: Gehörte etwa neben Griechenland Deutschland zu den Schuldnern, würden die Investoren Vertrauen fassen – und weniger hohe Zinsen verlangen, als wenn Griechenland allein die Anleihe ausgäbe. Das könnte allerdings für Deutschland teuer werden. Noch vor einigen Wochen sperrte sich Steinbrück gegen dieses Ansinnen mit dem Argument, er wolle nicht die Schuldenmacherei anderer Staaten finanzieren. Außerdem müsste er zahlen, ohne politischen Einfluss auf das angeschlagene Land zu gewinnen – die Entscheidungen fänden im fernen Brüssel statt. Doch Beobachter sehen Indizien dafür, dass der Minister nun zur Hilfe bereit ist. Über Instrumente gibt die Bundesregierung keine Auskunft: Sie fürchtet, dass Spekulanten aus der Not Nutzen ziehen. Martin Schulz, Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, fordert Hilfen aus Deutschland: „Gerade wir Deutschen als Exportnation haben ein Interesse daran, in den miteinander verflochtenen Wirtschaften der Eurozone Stabilität zu bewahren.“


Droht eine Währungsreform?

Niemand würde ein Ende des Euro riskieren – auch kein stark angeschlagenes Land. Selbst wenn es verlockend erscheint, dass etwa Portugal zum Escudo zurückkehrt oder Irland zum Pfund – „damit würde ein Land erst recht in den Bankrott rutschen“, warnt Deka-Experte Kater. Denn dann würden die Märkte den Daumen über dem Problemfall senken, die Zinsen würden steigen, die Bürger ihr Geld in Sicherheit bringen, die Wirtschaft noch schneller schrumpfen. Gerade in diesen schweren Zeiten gilt der Euro  als große Errungenschaft. Bei einer Vielzahl nationaler Währungen wie noch vor zehn Jahren hätten angeschlagene Länder noch viel früher große Probleme bekommen.

Ist die europäische Einheit gefährdet?

Hinter den hektischen Überlegungen der Politiker für den Krisenfall steht die Furcht vor dem immensen politischen Flurschaden, sollte die Eurozone auseinanderbrechen. „Für die Ideen, die hinter der europäischen Einheitswährung stehen, wäre das ein fundamentaler Rückschlag“ , urteilt Kater. Als „völlig absurd“ bezeichnete Steinbrück das Ende des Euro. Das lässt vermuten, dass es zu einer Lösung kommt – womöglich schon beim EU-Gipfel am kommenden Wochenende in Berlin. Und müsste Deutschland zahlen, wäre das immer noch billiger als ein Scheitern des großen Projekts Euro.

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