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© dpa

Finanzkrise: Der Markt braucht strengere Regeln

Angesichts der Finanzkrise: Politiker und Experten fordern mehr Regulierung für Finanzprodukte und Ratingagenturen - Kanzlerin Merkel kritisiert die mangelnden Kontrollen in den USA.

Nach dem Kollaps an den internationalen Finanzmärkten wird der Ruf nach einer schärferen Regulierung lauter. Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende erhobene Forderung nach mehr Transparenz bei Finanzprodukten und einer strengeren Kontrolle der Ratingagenturen wird von Experten unterstützt. Nach Meinung des Wirtschaftsnobelpreisträgers Joseph Stiglitz hat insgesamt ein „Mangel an Regulierung“ die Krise ausgelöst, wie er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ sagte. Auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, schloss sich Merkels Forderung an: „Für die Finanzmärkte brauchen wir mehr Transparenz und effektivere Kontrollen.“ Mit Blick auf das Geschäftsmodell einiger Hedgefonds sagte Thumann, wenn Finanzinvestoren Unternehmen nur deshalb kauften, um sie nach kurzer Zeit mit Gewinn weiterzuverkaufen, sei das nicht gut für die Firmenkultur. Hier sei ein Umdenken erforderlich.

In dieser Woche soll bei einem Bankengipfel bei Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) zunächst auf nationaler Ebene über die Konsequenzen aus der Finanzkrise beraten werden. Koalition und Opposition sind sich weitgehend einig, dass eine stärkere Regulierung notwendig ist. Für den deutschen Finanzminister stehen internationale Aspekte im Mittelpunkt der Krisenbekämpfung. Die Selbstregulierung der Branche habe sich als Sackgasse erwiesen. Konkret setzt sich Steinbrück für einen verschärften Verhaltenskodex der Ratingagenturen ein. Darüber hinaus würde Steinbrück gerne schärfere Kapitalanforderungen für komplexe strukturierte Kreditverbriefungen sehen.

Vor allem die Amerikaner hätten sich allerdings lange geweigert, internationale Vorschriften zur Kreditvergabe und zum Kredithandel von Banken umzusetzen, kritisierte die Bundeskanzlerin. Während die EU das sogenannte Basel-II-Paket Anfang 2007 in einer Richtlinie umgesetzt habe, hätten die Amerikaner gesagt: „Wir nicht, wir schieben noch ein bisschen.“ Dies sei nicht akzeptabel. Zu lange sei gesagt worden: „Lasst die Märkte machen, wir brauchen nicht mehr Transparenz“, monierte die Kanzlerin.

Eine Rolle könnte in der Regulierungsdiskussion auch der Verhaltenskodex spielen, den der internationale Bankenverband IIF Mitte Juli vorgestellt hatte. Der Verband schlägt unter anderem vor, die erfolgsabhängige Vergütung von Managern zu überdenken. Anreize sollten nicht dazu verleiten, höhere Risiken einzugehen, als es im Interesse des jeweiligen Unternehmens liege, hatte Josef Ackermann, IIF-Vorsitzender und Chef der Deutschen Bank, gesagt. Bei Abfindungen solle die erreichte Leistung für die Aktionäre stärker berücksichtigt werden. Konkrete Reformansätze fehlen nach Ansicht von Kritikern aber. Umstritten ist zum Beispiel, wie Banken Wertpapiere in den Bilanzen bewerten sollen.

Otto Bernhardt, Finanzexperte der CDU-Bundestagsfraktion, sieht vor allem an dieser Stelle Handlungsbedarf. „Es kann nicht sein, dass Banken große Risiken in Zweckgesellschaften auslagern, ohne dass dies in ihrer Hauptbilanz in geeigneter Form ausgewiesen ist“, sagte Bernhardt dem Tagesspiegel. Verbieten könne man Zweckgesellschaften wohl nicht, man müsse aber schärfere rechtliche Rahmenbedingungen für ihre Nutzung schaffen.

Als Hauptschuldigen für die Krise hat Bernhardt die Ratingagenturen ausgemacht. „Die Leute haben Produkte gekauft, die sie nicht verstanden haben und sich auf das Urteil der Ratingagenturen verlassen“, sagte der Finanzpolitiker. Dies gelte auch für viele Banken. Sie hätten den Ratingagenturen sowohl die Strukturierung von Finanzprodukten als auch deren Begutachtung überlassen. Dies sei zwar in unterschiedlichen Abteilungen der Agenturen geschehen, aber die Trennung sei nicht scharf genug gewesen. „Ich habe immer geglaubt, die Ratingagenturen würden das aus eigener Kraft schaffen“, sagte Bernhardt. „Aber wir werden nun wohl zu einer stärkeren Regulierung kommen müssen.“

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