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Finanzkrise: Teurer Ausflug auf die grüne Insel

Die irische Bank Depfa soll für den Beinahezusammenbruch ihrer Münchner Konzernmutter Hypo Real Estate (HRE) verantwortlich sein. In Deutschland zahlt man jetzt den Schaden dafür.

Hoch im Norden Europas liegt ein Land, in dem die Wiesen grüner, die Männer trinkfester und die Steuern niedriger sind als anderswo. Die Rede ist von Irland. 2002 verlegte die deutsche Pfandbriefbank Depfa ihren Sitz von Wiesbaden in die Hauptstadt Dublin. Welcher der irischen Vorzüge des Landes den Ausschlag gab, lässt sich nur vermuten.

Lange hörte man von der Depfa-Bank wenig. Das galt auch für den deutschen Fiskus. Erst seit dieser Woche macht die Bank große Schlagzeilen: Sie soll für den Beinahezusammenbruch ihrer Münchner Konzernmutter Hypo Real Estate (HRE) verantwortlich sein, die mit einer 35-Milliarden-Euro-Bürgschaft gerettet wurde, deren größter Teil, nämlich 26,6 Milliarden Euro, vom deutschen Staat und damit vom Steuerzahler kommt.

Den Schaden zahlt Deutschland

In Berlin ärgern sich nun viele Parlamentarier über den bitteren Beigeschmack der Aktion: „Es ist ein nicht tragbarer Zustand, dass sich in Europa Staaten mit niedrigen Unternehmensteuersätzen und Eigenkapitalanforderungen für Banken Wettbewerbsvorteile verschaffen und der deutsche Steuerzahler die Suppe auslöffeln muss“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Carsten Schneider, dem Tagesspiegel. Solidarität sei „keine Einbahnstraße“, schimpft Schneider. „Man hätte auch nur die Depfa pleitegehen lassen können, das hätte die Iren platt gemacht.“

Irland hatte sich seit Ende der 80er Jahre einen Namen als Steueroase gemacht. Das damals von Wirtschaftskrisen geplagte Land hatte zunächst einen niedrigen Körperschaftsteuersatz von zehn Prozent für ausländische Unternehmen eingeführt. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen wurde der später abgeschafft und dafür der normale Unternehmensteuersatz von mehr als 40 auf 12,5 Prozent gesenkt. Auch das zog ausländische Konzerne in Scharen an.

Gerade für Banken ist Irland attraktiv. Mehr als 1000 ausländische Institute haben sich in Dublin niedergelassen. Viele gründeten sogenannte Zweckgesellschaften, die dort besondere Steuervorteile genießen. Über eine solche Gesellschaft, außerhalb der eigenen Bilanz, verzockte etwa die SachsenLB ihre Milliarden – im vergangenen Jahr musste sie vom Staat und der baden-württembergischen LBBW vor dem Kollaps gerettet werden.

Grüne fordern einheitlichen Mindeststeuersatz

SPD-Politiker Schneider fordert Konsequenzen. Der ganze Fall mache deutlich, dass man dringend zu einer einheitlichen Unternehmensbesteuerung in Europa kommen müsse. Das meint auch Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen. „Wir brauchen eine Harmonisierung des Steuerrechts und einen einheitlichen Mindeststeuersatz, um den Wettbewerb nach unten zu stoppen“, sagte Schick dieser Zeitung. Einige Staaten kämpften „mit unfairen Mitteln, die immer zu Lasten der Allgemeinheit gehen“.

Bisher sind Pläne zur europäischen Steuerharmonisierung stets gescheitert. Nun wittern die Politiker eine neue Chance durch die Finanzkrise. „Der Druck ist jetzt da“, sagt SPD-Mann Schneider. Und Grünen-Politiker Schick hofft: „Das Weltbild, wonach die Staaten um die niedrigsten Standards konkurrieren, gerät jetzt ins Wanken.“

Stefan Kaiser

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