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Peer Steinbrück

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Finanzmarktkrise: Steinbrück: Deutsche Sparer müssen keine Angst haben

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück gibt Entwarnung. Die deutschen Bürger müssen sich keine Sorgen um ihre Ersparnisse machen. Die US-Regierung und ihr Krisenmanagement des Finanzmarktkollapses kritisiert er jedoch scharf: Ein 700-Milliarden-Rettungspaket gelte in den USA zwar als Zeichen von Tatkraft, in Deutschland jedoch als politisches Versagen.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat angesichts der weltweiten Bankenkrise ein neues internationales Regelsystem verlangt, um "die Finanzmärkte zu zivilisieren". Konkret forderte Steinbrück am Donnerstag im Bundestag ein Verbot bestimmter Geschäfte außerhalb der Bilanzen sowie rein spekulativer Leerverkäufe, mehr Liquiditätsvorsorge, eine stärkere persönliche Haftung von Finanzmanagern und international besser abgestimmte Kontrollsysteme. Der Minister warnte vor noch "nicht absehbaren Fernwirkungen der Krise", lobte aber zugleich die bereits eingeleiteten Gegenmaßnahmen: "Das internationale Krisenmanagement hat funktioniert. Es ist nicht zu einem Kollaps des Weltfinanzsystems gekommen", sagte Steinbrück in einer Regierungserklärung.

Deutliche Kritik übte Steinbrück an der US-Regierung, die lange deutsche Lösungsvorschläge "als typisch deutsche Regulierungsneigung" belächelt habe. Dafür erhielten die USA jetzt die Quittung: "Einmal mehr scheint es so zu sein, dass sich ein System, das maßlose Übertreibungen ermöglicht und geduldet hat, letztlich selbst aufhebt". Steinbrück äußerte die Erwartung, dass die USA "ihren Status als Supermacht des Weltfinanzsystems verlieren" werden.

Steinbrück geht davon aus, dass künftig vier große Währungen eine weltweite Leitfunktion übernehmen werden. Der US-Dollar werde trotz der Bankenkrise zwar nicht die Funktion einer Leitwährung verlieren. Es kämen jedoch andere Währungen hinzu wie der Euro, der chinesische Yuan und der japanische Yen, sagte Steinbrück nachdem er sich am Donnerstagnachmittag mit seiner französischen Amtskollegin Christine Lagarde getroffen hatte. "Die Welt wird multipolarer", hatte Steinbrück mit Blick auf die großen Volkswirtschaften in Asien und Europa am Vormittag im Bundestag angekündigt.

Deutsches Bankensystem ist robust

Dem Drängen der US-Regierung nach einer auch deutschen Beteiligung an ihren milliardenschweren Rettungspaketen erteilte der Bundesfinanzminister erneut eine klare Absage: "Weil die Verhältnisse bei uns anders sind, ist ein ähnliches Programm in Deutschland oder Europa weder notwendig noch sinnvoll." Daher hätten die Bundesregierung, andere europäische Regierungen sowie Notenbanken eine solche Übernahme von US-Aktionen abgelehnt. Die Rettungspakete der US-Regierung von mehr als einer Billion Dollar würden in den vereinigten Staaten als Beleg für Tatkraft angesehen. In Deutschland werde dem Staat bei einer solchen Handlungsweise dagegen Versagen vorgeworfen. Der Bund habe für die IKB "nur" bis zu 1,8 Milliarden Euro ausgegeben.

Das deutsche Drei-Säulen-Bankensystem aus privaten, öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Instituten zeige sich im internationalen Vergleich relativ robust. Die Finanzaufsicht Bafin sei sich sicher, dass die Institute die Verluste ausgleichen und die Sicherheit privater Ersparnisse gewährleisten könnten. Es gebe auch keine "Kreditklemme" für deutsche Unternehmen.

Entwarnung gab Steinbrück für Sparer in Deutschland. Sie müssten keine Angst um ihre Einlagen haben. Insgesamt sei allerdings sehr wohl mit Auswirkungen der Finanzkrise auch auf die Realwirtschaft zu rechnen. "Die Welt wird nicht wieder so werden wie vor dieser Krise. Wir müssen uns in nächster Zeit auf niedrige Wachstumsraten und - zeitlich verschoben - eine ungünstige Entwicklung auf den Arbeitsmärkten einstellen." Auch dürften sich Kreditkonditionen verschlechtern.

Lafontaine: "Durchgedrehte" Banker-Elite

Was den Staatshaushalt angehe, seien allerdings die in Deutschland teilweise kritisierten Stützungsmaßnahmen für die Mittelstandsbank IKB von 1,2 Milliarden Euro plus einer Bürgschaft von 600 Millionen Euro in der Größenordnung nicht mit den Belastungen in den USA von mehr als einer Billion Dollar neuer Schulden zu vergleichen. Nachdrücklich wandte sich Steinbrück gegen eine "überzogene Renditefixierung" im Finanzsektor, vor allem im anglo-amerikanischen Bereich.

Teilweise gelte dies auch für Deutschland, doch habe sich hier insgesamt das Modell der Universalbanken sowie der Sparkassen als überlegen erwiesen. Mittags wollte Steinbrück mit seiner französischen Amtskollegin Christine Lagarde zusammentreffen. Zudem war am Nachmittag ein Treffen des Finanzministers mit Vertretern der Finanzbranche geplant. Dies sei ein Meinungsaustausch, aber "kein Krisengipfel", sagte dazu Steinbrück.

Vertreter der Opposition warfen Steinbrück mangelnde Selbstkritik und Versagen vor. FDP-Finanzexperte Hermann-Otto Solms sagte, die Bundesregierung habe bei der Aufsicht über die KfW versagt. Der Fraktionschef der Linken, Oskar Lafontaine, sprach von einer "Krise der geistig moralischen Orientierung der westlichen Gesellschaften". Durch das Regime der internationalen Finanzmärkte und eine "völlig durchgedrehte" Banker-Elite gebe es keine soziale Marktwirtschaft mehr. Grünen- Fraktionschef Fritz Kuhn sieht das neoliberale Konzept einer Marktwirtschaft gescheitert. Es sei auch ein "moralisches Missverhältnis", wenn über ein 700-Milliarden-Dollar-Paket verhandelt werde, während Afrika-Hilfen von 70 Milliarden Dollar scheiterten. (iba/AFP/dpa)

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