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Hypo Real Estate: Die letzte Wut

Die Aktionäre der Hypo Real Estate werden abgefunden. Viele von ihnen wollen das nicht akzeptieren.

Leonhard Steppberger trägt Trauer, ganz bewusst. „Vor zwei Tagen haben wir Wiedervereinigung gefeiert, heute ist die DDR bei uns eingekehrt“, ätzt der Rentner auf dem Podium. Der Saal des Münchner Kongresszentrums ist mit fast 1300 verbliebenen Aktionären der Hypo Real Estate gefüllt, höhnisches Gelächter und zustimmende Zwischenrufe branden dem Redner entgegen. Mit der eigenen Stimmenmehrheit drückte der Bund am Montag auf einer außerordentlichen Hauptversammlung des Unternehmens in München die Abfindung der letzten freien Aktionäre und damit die erste Zwangsverstaatlichung einer Bank in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg durch. „Heute verliere ich meine Altersvorsorge“, weiß Steppberger.

Er und die anderen Kleinaktionäre, die an der Bank noch ein Zehntel hielten, werden per Sondergesetz vom Bund gezwungen, ihre Aktien zu je 1,30 Euro an den Bankenrettungsfonds Soffin abzutreten. Eine Enteignung ist das – Betroffene sprechen auch von Bankraub oder staatlich organisiertem Diebstahl. Bevor das beginnt, was Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt den „letzten Akt eines Dramas“ nennt, säuselt leise Musik durch die Halle.

Schon der Morgen beginnt mit Protest. Vor dem noch leeren Podest von Vorstand und Aufsichtsrat formiert sich eine Minidemonstration. Zehn Kleinaktionäre halten Protestplakate hoch. Verkaufen wollen sie nicht oder wenigstens ein Rückkaufrecht für ihre Aktien erhalten, um von späteren Wertsteigerungen profitieren zu können.Viele mit der Börse unerfahrene Rentner sind darunter, die in einen vermeintlich sicheren Dax-Wert investiert haben. Gekauft haben sie, als das Papier, das bald vom Kurszettel verschwindet, noch für 48 Euro oder mehr gehandelt wurde. Teils auch im Vertrauen auf das Versprechen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass die HRE nicht untergehen werde.

Gelogen war das nicht. Die HRE wird mit staatlichen Milliardenhilfen am Untergang gehindert. Die Aktionäre verlieren dabei, die großen ebenso wie die kleinen. Finanzinvestor J.C. Flowers hat gut eine Milliarde Euro in den Sand gesetzt, aber anrührender ist die Geschichte von Ulrike Struzek aus Altenriet bei Stuttgart. Vor 13 Jahren brachte sie ihre Tochter Lydia zur Welt, für deren Behinderung ein Arztfehler verantwortlich war. Dafür erstritt die Hotelfachfrau eine Entschädigung und legte davon 160 000 Euro für ihre behinderte Tochter an. Etwas Sicheres sollte es sein. Die tragische Wahl fiel auf die HRE.

„7800 Euro gibt der Bund uns noch“, hat Struzek ausgerechnet und so ist für sie klar, wer Schuld hat: „Frau Merkel, trotz Wahlsieg enteignen Sie heute mein behindertes Kind“, ist auf ihrem Plakat zu lesen. Oben am Podium thronen die Banker, allen voran Vorstandschef Axel Wieandt. Er spricht emotionslos und ohne Pause, trotz vieler Zwischenrufe und Pfiffe. Als er die angebotene Abfindung angemessen nennt, wird es turbulent. Aufsichtsratschef Bernd Thiemann ruft die Polizei zu Hilfe, als er einen Aktionär, der sich unerlaubt ans Rednerpult gestellt hatte, vergebens vom Podium zu weisen versucht.

Ein Aktionär im Publikum erzählt, dass seine Verfassungsbeschwerde gegen die Enteignung soeben abgelehnt wurde. Andere, die mehr Abfindung wollen, werden später im Saal an der Mehrheit des Bunds scheitern. „Den Rest erledigen die Gerichte“, sagt Bergdolt. Viele Aktionäre haben bereits Klagen angekündigt. Ulrike Struzek kann sich das nicht leisten.

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