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Dwier

© Kitty Kleist-Heinrich

Mikrokredite: Von Bangladesch lernen

Bei Firmengründern, denen normale Banken kein Geld leihen, werden Mikrokredite immer beliebter. Vor allem Künstler haben Probleme, Geld zu bekommen.

Die blauen Sofas im Eingangsbereich sind vergilbt und durchgesessen. Aber das Wichtigste im Tonstudio von David Dwier und Daniel Strobel – Mikrofone, Aufnahmetechnik und Computersoftware – ist auf dem neuesten Stand. Seit Februar arbeiten die beiden Tontechniker selbständig. Und haben seitdem Alben für Nachwuchsbands oder Sprachaufnahmen für Werbespots produziert. Damit ist ein Traum für sie in Erfüllung gegangen. Der Weg dahin dauerte aber mehr als ein Jahr. „Und war eine einzige Katastrophe“, erinnert sich der 25-jährige Daniel Strobel. Keine einzige Bank wollte den beiden einen Kredit gewähren, weil sie, wie viele direkt nach dem Studium, kein Eigenkapital mitbrachten. Schließlich rettete die beiden ein Mikrokredit in Höhe von 5000 Euro.

So wie David Dwier und Daniel Strobel gründen in Deutschland immer mehr Menschen ein Unternehmen mithilfe eines Mikrokredits. Dahinter verbirgt sich ein Darlehen von bis zu 25 000 Euro für Unternehmen. Die meisten benötigen aber maximal 3000 Euro. 2006, neuere Daten gibt es nicht, haben der KfW-Bankengruppe zufolge mehr als 250 000 Gründer einen Mikrokredit bezogen – knapp ein Viertel aller Gründer. Auch für die laufende Finanzierung greifen immer mehr Mittelständler darauf zurück.

Damit wächst hierzulande ein alternatives Kreditsystem, das in Entwicklungsländern längst etabliert ist. Ein Grund ist, dass sich die Firmenstruktur in Deutschland verändert. „Die Zahl kleiner Unternehmen mit maximal fünf Beschäftigten ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Wir erwarten, dass sich dieses Wachstum bedingt durch den Strukturwandel noch einige Zeit fortsetzt“, sagt Klaus Mark, zuständig für Mikrofinanzierung bei der KfW. Die meisten seien Dienstleister. Der Aufschwung sei nun auch bei kleinen Firmen angekommen, sodass diese mit geliehenem Geld wieder investieren können.

Zudem gehen Gründer vermehrt zu Anbietern von Mikrokrediten, weil sie bei Privatbanken oft vor verschlossenen Türen stehen. Denn die kleinen Darlehen bedeuten für Banken ein Verlustgeschäft: Weil sie nur geringe Zinsen einbringen, können die Kosten für Beratung oder Bewertung von Unternehmen nicht gedeckt werden. Auch haben es Gründer aus der Kreativbranche schwerer, Geld zu bekommen. Deshalb bekommt man die Mikrokredite meist bei staatlichen Banken. „Wenn einer eine gute Idee hat, wollen wir das auch umsetzen, egal aus welcher Branche er kommt“, sagt Heinz-Joachim Mogge von der Investitionsbank Berlin (IBB), die seit mehr als zehn Jahren Mikrokredite vergibt.

Anders als in Entwicklungsländern wie Bangladesch, wo nur über das große Filialsystem der Grameen Bank Mikrokredite vergeben werden, ist das System von Anbietern hierzulande zersplittert. Die staatliche KfW bietet die Kredite über Hausbanken an. Aber auch bei Förderinstituten auf Landesebene wie der IBB oder der L-Bank in Baden-Württemberg kann man Mikrodarlehen beantragen.

Ein spezieller Fall sind so genannte regionale Mikrofinanzierer. Sie sind an das Deutsche Mikrofinanz Institut (DMI) angeschlossen und vergeben die Darlehen häufig an Menschen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus ihre Firma gründen. Acht solcher Organisationen gibt es mittlerweile. „Der Beratungsaspekt steht bei uns im Vordergrund“, sagt DMI-Geschäftsführerin Brigitte Maas.

Die Mikrofinanzierer vor Ort zeigen den Unternehmensgründern, wie man einen Businessplan erstellt und eine Marktanalyse macht. Die Kreditvergabe läuft über die Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken (GLS-Bank), 80 Prozent des Risikos werden aber über einen Fonds des DMI abgedeckt. Das restliche Kreditrisiko trägt der regionale Mikrofinanzierer selbst. „Das bewirkt eine Art soziale Kontrolle“, sagt Maas. Denn auch nach der Kreditvergabe stehen die Mikrofinanzierer in engem Kontakt mit den Firmen und beraten sie – damit sie ihr Geld zurückbekommen. Die durchschnittliche Ausfallquote bei DMI-Krediten liegt daher bei nur sechs Prozent.

„Die Gewinnmargen sind trotzdem noch sehr klein“, sagt Brigitte Maas. Deshalb finanzieren sich die Mikrofinanzierer zum größten Teil aus Fördermitteln, etwa der EU. Noch ist nicht abzusehen, wann das System in Deutschland, wie die Grameen Bank in Bangladesch, das große Geld machen wird. „Dazu müssten die Anbieter hier effizienter arbeiten, indem sie zum Beispiel über eine stärkere Standardisierung ihrer Prozesse Verwaltungskosten einsparen“, sagt Kerstin Kiehl, Mittelstandsexpertin bei der KfW.

Zumindest David Dwier und Daniel Strobel wissen, wie man eine schwarze Null hinbekommt. Vor ein paar Wochen haben sie die erste fertige CD einer Band bekommen, die sie in ihrem Tonstudio produziert haben. Wenn sie sich gut verkauft, profitieren auch die Tontechniker: Sie sind am Gewinn beteiligt. Vielleicht reicht das Geld sogar für ein neues Sofa.

Kathrin Drehkopf

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