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Finanzkrise: Richter lässt Lehman-Geschädigte abblitzen

Enttäuschung bei Lehman-Anlegern: Im ersten Prozess um Zertifikate der US-Pleitebank Lehman Brothers hat das Landgericht Frankfurt am Freitag die Klage abgewiesen.

Berlin - Enttäuschung bei Lehman-Anlegern: Im ersten Prozess um Zertifikate der US-Pleitebank Lehman Brothers hat das Landgericht Frankfurt am Main am Freitag die Klage abgewiesen. Das Rentnerehepaar, das gegen die Frankfurter Sparkasse auf Schadenersatz geklagt hatte, habe nicht beweisen können, beim Kauf der Wertpapiere falsch beraten worden zu sein, sagte das Gericht. Der Anwalt kündigte an, in die Berufung zu gehen.

Das Paar hatte im Dezember 2006 Anleihen der US-Investmentbank Lehman im Wert von 12 000 Euro gekauft. Im September dieses Jahres ist die Bank als Folge der Finanzkrise pleite gegangen. Die Lehman-Zertifikate sind nicht von der deutschen Einlagensicherung geschützt. Nach Einschätzung der Verbraucherzentralen ist auch aus Insolvenzverfahren gegen die Lehman-Mutter oder -Töchter nicht mit nennenswerten Rückzahlungen zu rechnen. Daher sind die Papiere heute praktisch wertlos. Den Berater der Sparkasse trifft nach Meinung des Richters aber keine Schuld: Zum Zeitpunkt des Verkaufs habe niemand vorhersehen können, dass die angesehene Investmentbank insolvent gehen werde.

Anlegerschützer und Anwälte warnten am Freitag davor, das Urteil zu überschätzen. „Man kann dieses Urteil nicht verallgemeinern“, sagte der auf Anlagerecht spezialisierter Frankfurter Anwalt Matthias Schröder, „es kommt jeweils auf den Einzelfall an“. Schröder vertritt 200 Lehman-Geschädigte, viele sind Kunden der Frankfurter Sparkasse.

Die Frankfurter und die Hamburger Sparkasse gehören zu den größten Verkäufern von Lehman-Papieren. Dagegen hat sich die Berliner Sparkasse nach eigener Aussage aus dem Geschäft herausgehalten und ist daher nicht betroffen. Anders die Citibank und die Dresdner Bank. Auch sie zählen zu den Instituten, die ihren Kunden zwischen 2006 und 2008 in großem Stil Wertpapiere der US-Bank angeboten haben. Verbraucherschützer werfen den Banken vor, die Kunden nicht ausreichend über die Risiken der Geldanlage aufgeklärt zu haben. Im Gegenteil: „Den Verbrauchern sind diese Papiere als sichere Anlage angepriesen worden“, sagte Anlageexperte Manfred Westphal vom Bundesverband der Verbraucherzentralen dem Tagesspiegel.

Unter den Geschädigten sind viele Rentner, die ihrem Berater blind vertraut haben. „Einer meiner Mandanten ist 99 Jahre alt“, berichtet Anwalt Schröder. Zwei Weltkriege habe dieser überlebt, jetzt habe ihn die Frankfurter Sparkasse um seine Ersparnisse gebracht. 28 000 Euro sind erst einmal verloren.

Mehr als 25 000 Menschen in Deutschland haben ihre Ersparnisse in Lehman- Papiere gesteckt, schätzt Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Sie hoffen darauf, zumindest einen Teil ihres Geldes wiederzubekommen. Ganz ausgeschlossen scheint das nicht. „Wir verhandeln mit mehreren Banken und Sparkassen über einen Vergleich“, sagte Hocker dem Tagesspiegel. Welche Institute das sind, wollte er nicht sagen. Sollten sich die Geldhäuser weigern zu zahlen, müssten die Kunden klagen. Das Problem: Sie müssten vor Gericht nachweisen, dass ihr Bankberater sie nicht ausreichend über die Risiken der Geldanlage aufgeklärt hat. Wer keinen Zeugen für das Beratungsgespräch hat oder keinen Brief der Bank vorlegen kann, in dem diese die Sicherheit der Anlage garantiert, hat schlechte Karten.

Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) will daraus Konsequenzen ziehen. Ihr Ministerium arbeitet an einem Gesetz, mit dem die Beweislast geändert werden soll: Künftig soll der Berater nachweisen müssen, dass er den Anleger umfassend aufgeklärt hat. Gelingt das nicht, soll er haften.

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