zum Hauptinhalt
S&P hat vor kurzem die Bonität der USA herabgestuft. Nicht erst seitdem stehen die drei großen Ratingagenturen in der Kritik.

© dpa

Finanzmarkt: Studie belegt Gefälligkeitsgutachten von Ratingagenturen

Nachdem Standard & Poor's die Bonität der USA herabstuft haben, stehen Ratingagenturen am Pranger. Eine Studie zeigt: Auftraggeber, die Geld in die Kassen spülen, bekommen von den Agenturen eine Vorzugsbehandlung.

Sie haben gezögert und ihre Entscheidung immer wieder aufgeschoben. Seit Monaten drohte die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) damit, die USA herabzustufen – auch wegen des erbitterten Stellungskriegs, den sich Demokraten und Republikaner in den USA um höhere Steuern und niedrigere Staatsausgaben leisten. Die Regierung war handlungsunfähig und stand kurz vor der Zahlungsunfähigkeit.

Nach dem halbherzigen Kompromiss Ende Juli verlor S&P schließlich die Geduld – und stufte einen der wichtigsten Kunden zum ersten Mal in der Geschichte herab. Jedes andere Land, das sich einen ähnlichen Zirkus erlaubt hätte, wäre schon viel eher bestraft worden.

Diese Zurückhaltung ist kein Zufall. Ratingagenturen messen oft mit zweierlei Maß. Viele Beobachter haben es lange vermutet, ein dreiköpfiges Forscherteam hat es jetzt erstmals empirisch belegt: Ratingagenturen reden wichtigen Auftraggebern nach dem Mund, zeigen die Forscher Jie He (University of Georgia), Philip Strahan und Jun Qian (beide Boston College).

Grund dafür dürfte das Geschäftsmodell der Agenturen sein, das massive Interessenskonflikte birgt. S&P und Co. bekommen ihr Geld nicht von Investoren auf den Finanzmärkten, die ihre Urteile nutzen und ein Interesse an kritischen Ratings haben. Bezahlt werden sie von den Emittenten der Wertpapiere, die sich positive Urteile wünschen, weil sie dann weniger Zinsen bezahlen müssen.

Wichtige Auftraggeber, die S&P, Moody's und Fitch besonders viel Gebühren einbringen, bekommen eine Vorzugsbehandlung, zeigen He, Strahan und Qian. In ihrer Studie nahmen sie sich das Epizentrum der Finanzkrise vor: den Markt für verbriefte Hypothekenkredite in den USA, sogenannte Mortgage Backed Securities (MBS). Rund 60 Prozent aller Papiere gaben die Ratingagenturen die Bestnote "AAA". Auf dem Papier waren sie damit so sicher wie US-Staatsanleihen, warfen gleichzeitig aber deutlich höhere Renditen ab.

Ab dem Sommer 2007 aber erwiesen sich die MBS-Papiere reihenweise als wertlos. Die Bewertung der Produkte hatte sich bis zur Krise zu einer wichtigen Einnahmequelle für die Ratingagenturen entwickelt. 2006 machte Moody's satte 44 Prozent seines Umsatzes mit strukturierten Produkten.

Lesen Sie auf Seite zwei, warum mehr Wettbewerb die Ratings nicht verbessert

Die Ökonomen um Jie He trugen die Urteile der drei großen Ratingagenturen zusammen und untersuchten, welche Noten sie vor der Krise verbrieften Hypothekenkrediten gegeben hatten. Die Forscher stießen dabei auf einen frappierenden Zusammenhang: Je größer der Marktanteil eines Finanzhauses bei den MBS-Papieren war, desto häufiger bekamen die Finanzprodukte dieses Anbieters die Bestnote "AAA".

Objektiv gerechtfertigt war dieses Urteil keineswegs. Diese Papiere bestanden aus riskanteren Krediten und verloren später rund zehn Prozent mehr an Wert als die Produkte der kleineren Konkurrenten. "Durch ihre Dominanz hatten die großen Anbieter eine beträchtliche Verhandlungsmacht gegenüber den Ratingagenturen", schreiben die Forscher.

Wie aber lässt sich dieses Dilemma lösen? Naheliegende Vorschläge gehen ins Leere. Die Nutzer für die Urteile zahlen zu lassen, ist nur schwer möglich. Schließlich spricht sich das Urteil einer Agentur schnell auf dem Markt herum. Investoren können leicht als Trittbrettfahrer von der Arbeit der Agenturen profitieren, ohne selbst für die Informationen Geld ausgeben zu müssen.

Mehr Konkurrenz zwischen den Agenturen führt ebenfalls nicht zwangläufig zu besseren und aussagekräftigeren Ratings. Bo Becker (Harvard Business School) und Todd Milbourn (Washington University, St. Louis) kommen in einer empirischen Studie zu dem Fazit: "Alle Indizien sprechen dafür, dass die Qualität der Ratings schlechter wird, wenn der Wettbewerb zunimmt."

Die Forscher erklären dieses auf den ersten Blick paradoxe Ergebnis so: Der wichtigste Anreiz für Moody's und Co., nicht ungehemmt Gefälligkeitsurteile zu vergeben, sei ihr guter Name. Ohne gute Reputation verlassen sich die Anleger auf Dauer nicht auf die Einschätzungen der Agenturen. Dann seien die Emittenten in Zukunft nicht mehr gezwungen, ihnen neue Aufträge zu verweben. Je härter der Wettbewerb zwischen Ratingagenturen sei, desto unsicherer würden Folgeaufträge. Kunden würden eher zwischen den Agenturen hin- und herwechseln, betonen die Forscher. Damit steige für die Dienstleister die Verlockung, den unmittelbaren Auftraggebern nach dem Mund zu reden.

Die wichtigste Lehre aus all diesen Studien lautet daher: Anleger sollte den Ratingagenturen nicht blind vertrauen. Auch Politik und Finanzmarktaufsicht können den Einfluss von S&P, Moody's und Fitch reduzieren. Sie können all die Regeln abschaffen, die bei bestimmten Finanzprodukten eine gewisse Rating-Mindestnote fordern. (Quelle: Handelsblatt)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false