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US-Sonderermittler Mueller soll Unterlagen bei der Deutschen Bank zu Personen aus dem Umfeld von Donald Trump angefordert haben.

© Ralph Orlowski/Reuters

"Fire and Fury" und die Russland-Affäre: Kam Trump auch dank der Deutschen Bank ins Weiße Haus?

Ist das Kreditinstitut das fehlende Glied bei Moskauer Versuchen, Trump bei der US-Wahl zu helfen? Bisher ist das Spekulation, Belege stehen aus. Eine Analyse.

Ist die Deutsche Bank der „Missing Link“? Das Verbindungsglied, nach dem so viele in den USA suchen, um eine direkte Verwicklung Russlands in den Präsidentschaftswahlkampf 2016 zugunsten von Donald Trump nachzuweisen?

Erdrückende Indizien oder fehlende Beweise?

Das hängt davon ab, welcher Darstellung man folgt. Aus der einen Perspektive erscheint das Gewicht der Indizien erdrückend. Aus der anderen ergibt sich wenig substanzielles Belastungsmaterial. So wird die Berichterstattung zur Rolle der Deutschen Bank in dem Beziehungsgeflecht, das ein Sonderermittler, Robert Mueller, sowie parlamentarische Untersuchungsausschüsse in den USA seit Monaten unter die Lupe nehmen, auch zu einem Beispiel für die Herausforderung für einen verantwortungsvollen Journalismus im Zeitalter von Irreführung und „Fake News“.

Der Autor eines Enthüllungsbuchs über Trumps Weißes Haus – Michael Wolff, „Fire and Fury“ – hat jetzt den Verdacht verschärft. Unter Berufung auf Trumps ehemaligen Chefstrategen Stephen Bannon behauptet Wolff, bei den Russland-Geschäften der Familie Trump sei es um Geldwäsche gegangen, abgewickelt über die Deutsche Bank. Die Bank habe Trump selbst, aber auch seinem Schwiegersohn Jared Kushner Kredite in dreistelliger Millionenhöhe gegeben. Wenn Sonderermittler Mueller da nachbohre, sei die Trump-Familie erledigt, habe Bannon gesagt.

Sonderermittler fordert Unterlagen der Deutschen Bank an

Bereits Anfang Dezember hatten das „Handelsblatt“ und andere Medien gemeldet, Mueller habe bei der Deutschen Bank Unterlagen zu Personen aus Trumps Umfeld angefordert. Was in dem Monat seither folgte, zeigt freilich, wie schwierig es ist, von allgemeinen Verdächtigungen zu justiziablen Vorwürfen zu kommen. Zunächst war unklar, wer betroffen war: Familienangehörige, Wahlkampfmitarbeiter oder Personen, die in ganz anderem Zusammenhang Kontakt zum heutigen US-Präsidenten hatten?

Die Medien recherchierten in unterschiedliche Richtungen. Gehörte dies zur Untersuchung potenzieller russischer Eingriffe in den Wahlkampf? Oder zum Umgang mit speziellen „EB 5“-Visa, die die Immobilienfirma des Trump-Schwiegersohns Jared Kushner für Geschäftsfreunde beantragt hatte?

Es ist unklar, um wen und was es geht. Jedenfalls nicht um Trump

Ging es um Russlandgeschäfte des zeitweiligen Wahlkampfmanagers Paul Manafort oder des zeitweiligen Sicherheitsberaters Michael Flynn? Beide stehen unter Verdacht der Steuerhinterziehung, Flynn wegen Redehonoraren, Manafort wegen vielfältiger Russland-Geschäfte, freilich lange vor Trumps Wahlkampf. Manafort ist zudem angeklagt wegen Geldwäsche.

Die Anforderung von Unterlagen, das betonen die Medien zumeist, beziehe sich nicht auf Trump selbst. Die Artikelüberschriften vermitteln einen anderen Eindruck. Sie handeln von Trump und der Deutschen Bank oder von Trump und Russland. Und da die Deutsche Bank und Trumps „Umfeld“ Thema sind, werden seine über Jahrzehnte reichenden Geschäfte mit der Deutschen Bank noch einmal nacherzählt: Kredite in dreistelliger Millionenhöhe, als US-Banken nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten; seine zeitweilige Weigerung, diese zurückzuzahlen; seine Pleiten; die erneuten Kredite der Deutschen Bank, nun von einer anderen Abteilung, damit er die alten Kredite abzahlen könne.

"Enthüllungsbücher" befeuern den Hype

Ebenfalls im Dezember erschien ein Buch des britischen Journalisten Luke Harding. Der ehemalige Moskau-Korrespondent des britischen „Guardian“ vertritt darin die These, der Kreml habe Trump ins Weiße Haus gebracht und könne wegen früherer Eskapaden in Moskau Druck auf ihn ausüben. Es geht nochmals um ein angebliches Geheimdossier gegen Trump und Treffen mit Prostituierten in Moskau, die auf ein Bett urinieren sollten, weil darin Michelle Obama geschlafen habe. Bald mischten sich Buchbesprechungen samt den schlüpfrigen Details im öffentlichen Bild mit Berichten zu den Unterlagen der Deutschen Bank. Das wiederholt sich nun mit dem neuen Wolff-Buch und den Bannon-Zitaten.

Reiht man die Puzzlestücke auf einen Erzählstrang, drängt sich das Bild einer erdrückenden Indizienkette auf. Im Extremfall war die Deutsche Bank Helfer bei einer russischen Operation, Trump ins Weiße Haus zu bugsieren, und bei Geldwäsche. Es ist jedoch eine Erzählung im Konjunktiv: „möglicherweise“, „könnte“, „eventuell“.

Die Angriffstechnik: "Guilt by association"

Wer kann mit Sicherheit sagen, dass die Teile alle zum selben Puzzle gehören? Die Erzählung folgt der aus Wahlkämpfen bekannten Angriffstechnik „Guilt by association“. Für den Eindruck von Schuld genügt der Anschein einer Verbindung. Irgendetwas bleibt immer hängen. 2008 behaupteten Konservative, Barack Obama stehe in Verbindung mit Terroristen. Denn Obama kenne den linksliberalen Chicagoer Universitätsprofessor Bill Ayers, der sich in den 1970er Jahren an gewaltsamen Protesten der Organisation „Weatherman“ beteiligt hatte. Obama war allerdings damals minderjährig und lebte auf Hawaii; mit "Weatherman" hatte er nie etwas zu tun. Deren Methoden hat er verurteilt. Das wurde bei den Angriffen unterschlagen.

In Trumps Fall tun jetzt manche ebenfalls so, als genüge der Anschein einer Verbindung. Sonderermittler Mueller fordert Unterlagen bei der Deutschen Bank an. Trump hat Geschäfte mit der Bank. Die Bank hat Geschäfte in Moskau. Menschen aus Trumps Umgebung haben Konten bei der Bank oder wickeln Zahlungen mit Russland über sie ab. Sohn Donald Trump jr. und Schwiegersohn Jared Kushner haben sich im Wahlkampf mit Russen getroffen. Bannon bewertet diese Treffen im Buch "Fire and Fury" als „Landesverrat“. Inzwischen hat er sich korrigiert. Er habe damit nur Wahlkampfmanager Manafort gemeint, nicht der Präsidentensohn Donald Jr.

Vermutlich werden zwei Verfahren verwechselt

Die „New York Times“, die keiner Sympathie für Trump verdächtig ist, hat vor einigen Tagen nüchtern analysiert, was sich an neuem Belastungsmaterial ergeben hat. Um Trump persönlich geht es demnach nicht. Mit Blick auf Schwiegersohn Kushner würden vermutlich zwei verschiedene Forderungen nach Unterlagen verwechselt. Ein Bundesanwalt in Brooklyn habe Material zu Kushner von der Deutschen Bank verlangt. Diese Anfrage habe aber nichts mit Sonderermittler Mueller zu tun. Generell weist nichts darauf hin, dass gegen Kushner als Verdächtigen ermittelt werde.

Das sagen auch Trumps Anwälte: Das Büro des Sonderermittlers habe ihnen versichert, es gehe nicht um Unterlagen, die mit Trump oder einem Angehörigen seiner Familie zu tun haben.

Unter dem Strich bleiben altbekannte Vorwürfe

Die von Mueller bei der Deutschen Bank angeforderten Unterlagen betreffen nach diesen Recherchen Paul Manafort, nicht Trumps Geschäfte mit der Deutschen Bank. Das wäre ein bereits bekanntes Kapitel. Aber vielleicht lädt Mueller nun Bannon vor und fragt nach Belegen für seine Behauptungen.

Die Deutsche Bank sagt öffentlich nur, dass sie „bei diesen Untersuchungen mit den zuständigen Behörden kooperiert“ und ihre „rechtlichen Verpflichtungen ernst nimmt“. Zu den Inhalten schweigt sie. Offiziell bestätigt wird nicht einmal, dass Trump und Kushner Kunden sind. Was an Krediten bekannt wurde, weiß man aus US-Medien und von Ex-Mitarbeitern der Bank. Demnach hat Kushner noch kurz vor der Wahl 285 Millionen Dollar Kredit für ein Bürogebäude in New York erhalten. Die Deutsche Bank soll auch Trumps letztes Großprojekt vor der Wahl, das Hotel „Trump International“, im Old Post Office in Washington mitfinanziert haben.

Der Bank sind die Geschäfte mit Trump heute lästig

Die Geschäfte mit Trump, das kann man heraushören, sind der Deutschen Bank inzwischen lästig; sie würde sie am liebsten beenden. Ihre Geschäfte mit reichen Russen zogen ebenfalls Probleme nach sich. Sie musste mehrere hundert Millionen Dollar Geldbußen in den USA bezahlen. Auch das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass beides miteinander zu tun hat. (Mitarbeit: Rolf Obertreis)

Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen.

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