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Wirtschaft: Flexibles Phantom mit Führungserfahrung

Die hohen Anforderungen in Stellenanzeigen scheint kaum jemand erfüllen zu können. Doch die Personaler suchen oft gar nicht das Allroundtalent.

Dieser Job scheint ein Volltreffer zu sein: Interessante Aufgabe, tolles Gehalt, beste Aufstiegschancen. Doch der gesuchte Kandidat muss laut Anzeige nicht nur ein absoluter Überflieger sein, sondern auch Eigenschaften mitbringen, die in dieser Kombination nur schwer vorstellbar sind: Mehrere Studienabschlüsse werden vorausgesetzt, eine Promotion ist gern gesehen. Dazu Auslandserfahrung, Jobs in Führungspositionen, langjährige Tätigkeit in der Branche. Exzellente Noten sind natürlich selbstverständlich. Ebenso wie Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Flexibilität und Kommunikationstalent.

Sind die Chefs etwa auf der Suche nach einem Phantom? „In Stellenanzeigen werden Maximalforderungen aufgelistet“, sagt Karriereberaterin Svenja Hofert. „Viele Bewerber vergessen das.“ Hofert glaubt, dass die Führungsetage manchmal sogar einen ganz anderen Kandidaten im Blick hat, als es der Text in der Anzeige vermuten lässt. Wer sich bewirbt, muss also die Botschaft zwischen den Zeilen verstehen.

Bewerbungsexperten unterscheiden bei einer Ausschreibung zwischen Muss- und Kann-Anforderungen. Beim zweiten Blick lässt sich schnell herausfiltern, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, damit der Kandidat überhaupt eine Chance bekommt, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Formulierungen wie „verfügen über mindestens fünf Jahre Berufserfahrung“, „verhandlungssichere Englischkenntnisse werden vorausgesetzt“, „Reisebereitschaft ist unabdingbar“, „nachweisbare Berufserfahrung“ geben eindeutige Hinweise. Wer diese Kriterien nicht erfüllt, braucht seine Bewerbung erst gar nicht einzusenden. Auch die Reihenfolge der Stichpunkte lässt darauf schließen, was der Führungsetage wichtig ist.

Dass viele Anforderungen eher in die Kategorie „kann“ passen, überlesen die meisten Jobsuchenden. Vor allem, wenn schnell eine Stelle her muss oder ausgerechnet der Traumarbeitgeber inseriert hat. Zu den Klassikern der Wunscheigenschaften gehören Formulierungen wie „sehr gute Englischkenntnisse von Vorteil“ oder „Branchenerfahrung wäre ideal“. Auch bei Sätzen, die mit „idealerweise verfügen Sie über Kenntnisse in diesen Grafikprogrammen“ beginnen oder nach „den besten Voraussetzungen“ fragen, sollten nicht die Alarmglocken schrillen. Wer die Kann-Kriterien nicht vorweist, hat trotzdem eine Chance, von den Chefs für den Posten in Betracht gezogen zu werden.

„Vor allem Frauen sollten Mut zur Lücke beweisen“, sagt Karrierecoach Hofert. In ihrem Berateralltag hat sie häufig die Erfahrung gemacht, dass Männer sich viel schneller für den Richtigen für die Jobausschreibung halten. Einem Großteil reicht die Erkenntnis, dass sie weniger als die Hälfte der geforderten Qualifikationen erfüllen, um sich zu bewerben. Ganz anders Frauen. „Sie haben eher die Tendenz, nach unten zu schauen und zu überlegen: Was kann ich alles nicht?“, sagt Hofert.

Doch Tiefstapeln ist genauso fatal wie Notlügen und Beschönigungen in Lebenslauf oder Anschreiben. „Ehrlichkeit und Transparenz sind ausschlaggebend bei einer Bewerbung“, sagt Jobexpertin Christina Panhoff. „Kandidaten sollten Probleme auf keinen Fall verschleiern, sondern offensiv mit ihren Schwächen umgehen.“ Geschickt formuliert, bevorzugt der Chef den weniger perfekten Anwärter vor dem vermeintlich makellosen.

Auf Karriereportalen wie careers.de oder karrierebibel.de wird zudem häufig vor sogenannten Kloneigenschaften gewarnt. Gemeint sind Begriffe wie „Flexibilität“, „Belastbarkeit“, „Teamfähigkeit“ oder „Zuverlässigkeit“. Hierbei handelt es sich schlichtweg um Floskeln, die alles und nichts bedeuten können. Und genau dies verunsichert die Bewerber. Um Klarheit zu schaffen, welche Prioritäten der künftige Arbeitgeber hat, lohnt sich ein Anruf in der Firmenzentrale. Schnell stellt sich im Gespräch mit dem Personaler heraus, welche Eigenschaften wirklich gefragt sind. Entmutigen lassen sollte man sich dadurch jedoch nicht – ganz im Gegenteil. Das ist die Gelegenheit, mit Fähigkeiten zu punkten, die die Chefs zwar nicht aufgelistet hatten, die für den Job aber durchaus wichtig werden könnten. Tanja Tricarico

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