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Wirtschaft: Folgt dem Aufstieg nun der Fall?

Der wirtschaftliche Aufschwung der USA läßt Schwächen in zentralen Wachstumsbereichen erkennen und Unternehmensgewinne schwinden, während die asiatischen Unruhen ihren Tribut fordern.Der Konsum bleibt beständig.

Der wirtschaftliche Aufschwung der USA läßt Schwächen in zentralen Wachstumsbereichen erkennen und Unternehmensgewinne schwinden, während die asiatischen Unruhen ihren Tribut fordern.Der Konsum bleibt beständig.Während des ersten Quartals des Jahres dachte William J.Hudson, Geschäftsführer von AMP Inc., daß die Asienkrise seiner Firma höchstens einen kleinen Schlag versetzen würde.Doch im April begann beim Hersteller elektronischer Bauteile die Abwärtsbewegung.Im Juni mußte die Firma eine Halbierung ihrer Gewinne im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen.Der Geschäftsführer schloß vorsichtshalber drei Fabriken und feuerte 7,5 Prozent der Arbeitskräfte.Die Pläne für Kapitalausgaben im laufenden Jahr wurden um 100 Mill.Dollar entschlackt und die Anschaffung von Geräten erst einmal gestoppt."Unserer Ansicht nach bewegen wir uns in eine Rezession", sagt Hudson.

Kommt es tatsächlich zur Rezession? Die Arbeitslosenzahlen sind auf ihrem niedrigsten Stand seit 25 Jahren, während das Indiz für Konsumvertrauen seinen Höchststand in 30 Jahren erreicht hat.Die Aktienindizes und die Eigentumswohnungskäufe stimmen euphorisch.So stark habe Alan Greenspan, der Vorsitzende der Notenbank, die US-Wirtschaft in 50jähriger Beobachtung noch nie gesehen.Es herrscht Optimismus.

Doch sowohl Alan Greenspan als auch andere werden eine Befürchtung nicht los: Die Wahrscheinlichkeit einer wirtschaftlichen Verschlechterung hat sich erhöht.Es werden erste Anzeichen dafür erkennbar, daß Schlüsselbereiche des bisherigen Aufschwungs angeschlagen sind.Noch hält der Konsum an, doch die neuesten Einzelhandelsberichte zeugen von einem schleichenden Rückgang.Man könne sich leider nicht auf den vorherrschenden Optimismus verlassen, so Wirtschafts-Nobelpreisträger Milton Friedman.In der Vergangenheit seien die Anfänge von Rezessionen stets als Fortsetzung der Prosperität gedeutet worden.

Je länger die asiatische Krise wütet, desto stärker ist das Risiko einer Abnutzung des Unternehmens- und des Konsumvertrauens in den USA.Die positive Tendenz in der Wirtschaft, die Konsumvertrauen mit guten Lageberichten belohnt und damit erhöhtes Vertrauen bewirkt, könnte in einen Teufelskreis umschlagen - wo wirtschaftliche Düsterkeit weiteren Trübsinn erzeugt.Schon läßt sich dieser erahnen.Das Unternehmen Griffith Rubber Mills in Oregon hat kaum direkten Kontakt zu Asien - trotzdem rechnet sein Direktor mit etwa vier Prozent Absatzrückgang.Er befürchtet, daß die Asienkrise bisher verschonte Wirtschaftsbereiche anstecken könnte.Ähnlich geht es Eastman Chemical Co.in Tennessee: Dort sollen die Kapitalausgaben im kommenden Jahr auf 500 Mill.US-Dollar reduziert werden; vor zwei Jahren betrugen sie noch 789 Mill.Dollar.

Im Vergleich zu dem ungeheuren Wachstum von 1997 und Anfang 1998 hat die US-Wirtschaft zweifellos ein bescheideneres Tempo eingeschlagen: Der zweite Quartalsbericht des Wirtschaftsministeriums läßt einen Rückgang erwarten.Wenn diese Prognose stimmt, würde das Wachstum zum ersten Mal in sieben Jahren ausfallen.

Doch ein schlechtes Quartal macht noch keine Rezession.Nach vorherrschender Meinung handelt es sich eher um eine durch den General Motors-Streik verschuldete Verlangsamung der Konjunktur.Die These lautet: GM und seine Lieferanten müssen nun die verlorene Zeit nachholen - und davon profitiert die ganze Wirtschaft.

Tatsächlich zeigen manche Bereiche verblüffende Stärke; zu den Gewinnern zählen unter anderem Bereiche wie die Bau- und Stahlindustrie.Als besonders vorteilhaft für den Konsum erweisen sich der Überfluß an Arbeitsstellen sowie anhaltend steigende Einkommen.In diesem Jahr wird voraussichtlich eine Rekordzahl von fünf Mill.Eigentumshäuser verkauft - dort leistete die Asienkrise sogar Unterstützung, indem die Kapitalflucht in die USA die Hypothekenzinsen drückte.

Nichtsdestotrotz sind laut dem neuesten Bericht des Wirtschaftsministeriums im Zusammenhang mit den asiatischen Turbulenzen weiterhin Wachstumseinbußen zu erwarten.Ausgegangen wird von einer kräftigen Aufwärtsentwicklung des Handelsdefizits; verantwortlich dafür sei der Exportrückgang mit wirtschaftlich angeschlagenen Ländern sowie der Importzuwachs wegen des starken US-Dollars.Nach dem Bericht bestätigt sich ferner die Tendenz zur Reduzierung von Lagervorräten in den Unternehmen.Diese Vorratskorrektur bremst gleichzeitig die Neubestellungen von Industriewaren.Und dies, obwohl immer mehr Experten behauptet hatten, daß es die Vereinigten Staaten zustande gebracht hätten, durch hochentwickelte Computerprogramme Lagerüberschüsse zu verhindern.

Indessen verstärkt sich der Druck auf den Gewinn der noch profitablen Unternehmen.Das zweite Quartal erwies sich in vieler Hinsicht enttäuschend.Die im Standard & Poor-Index erfaßten Unternehmen erlangten einen mühseligen Durchschnittsgewinn von zwei Prozent pro Aktie im Vergleich zum vergangenem Jahr - weit unter der Hochleistung von 9,8 Prozent im Jahre 1997.Auch Unternehmen wie Boeing Co., Hewlett-Packd Co.und DuPont Co.gaben in den letzten Wochen ungewöhnlich kleinlaute Ertragsberichte heraus.

Ein Rückgang der Unternehmenserträge würde der Wirtschaft in vielerlei Hinsicht schaden.So könnte zum Beispiel eine Neubewertung der Gewinnpotentiale die in der Wall Street seit langem erwartete Korrektur beschleunigen.Die Konsequenzen für Geschäfte sowie Konsumvertrauen könnten verheerend sein."Zu Beginn der Asienkrise meinten die Spekulanten, dies alles sei ohne Auswirkung auf die Unternehmensgewinne", sagte Chuck Hill, Marketingleiter der Unternehmensberatung First Call Corp.Doch das Problem wird immer gewichtiger.Denn auch als sich der Dow Jones Index in Rekordhöhen bewegte, mußten Tausende kleinerer Aktienwerte Federn lassen.Seit Mitte der vergangenen Woche notiert die Durchschnittsaktie an der Wall Street 20 Prozent unter ihrem Höchststand.

Ein anhaltender Druck auf die Gewinne könnte auch den derzeitigen Investitionsboom zum Erliegen bringen.Denn Unternehmen mit schwacher Gewinnerwartung scheuen die Vergabe von Großaufträgen und weitere Expansion.In dem monatlich herausgegebenen Wirtschaftsbericht der Regierung ist für die vergangenen zwei Quartale ein Absatzrückgang bei Gebrauchsgütern mit mehr als dreijähriger Haltbarkeit verzeichnet.Ähnliches gab es zuletzt 1993.Solche Entwicklungen wirken sich auch auf den Service-Sektor aus, der bislang bei zyklischen Veränderungen nicht für anfällig gehalten wurde.

Wenn sich bei den Unternehmen der Pessimismus verbreitet, nehmen die Einsparungen zu.Der Geschäftsführer von Millipores glaubte zunächst nicht an langfristige Einbußen durch die Krise in Asien und hielt die Ausgaben aufrecht.Erst vor vier Monaten erkannte er einen dauerhaften Umsatzrückgang.

Das Zermürbende an der Asienkrise ist ihre ungeahnte Zerstörungskraft.Zunehmend strapaziert sie empfindliche Bereiche der US-Wirtschaft und macht kleine Probleme zu großen.Bereits vor dem Schlag aus Asien beklagten Chip-Hersteller und Chemieunternehmen Überkapazitäten.Durch die niedrige Nachfrage der asiatischen Märkte stehen die amerikanischen Anbieter plötzlich vor überfüllten Lagerräumen.

Indes profitierten die amerikanischen Konsumenten von den niedrigen Preisen.Diese wurden wider Erwarten auch nicht zum Nachteil für die Hersteller, die ihre Gewinnspannen durch erhöhte Produktivität retten konnten.Gegenwärtig stellt das Vertrauen der amerikanischen Privathaushalte den letzten Trumpf gegen den Pessimismus der Unternehmen dar.Der Konsum bleibt weiterhin stark - und könnte sehr wohl dank nahezu voller Beschäftigung, steigender Einkünfte und euphorischer Aktienkurse auch beständig bleiben.

Trotzdem wittern Börsenspekulanten ebenfalls eine Abkühlung des Konsums.Im Juni stiegen Einzelverkäufe um anämische ein Prozent.Auch der Index des Konsumvertrauens ist im Juli stark gesunken.Eine Ursache dafür könnte sehr wohl auftretende Besorgnis um die Arbeitsplätze sein, denn die Entlassungszahlen befinden sich auf einer Rekordhöhe für die neunziger Jahre.

"Die Frage ist folgende: wer gewinnt dieses Tauziehen?", faßt der Ökonom William Dudley die Lage zusammen.Wenn der Konsum standhält, könnte er die Produktion heilen.Oder wird die Produktionsschwäche Neueinstellungen sowie Einkommen bremsen und somit den Konsum unterminieren?

JACOB M.SCHLESINGER

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