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Wirtschaft: Fonds jagen Börsen-Spitze aus dem Amt

Werner Seifert gibt als Vorstandschef der Deutschen Börse AG auf – Aufsichtsratschef Rolf Breuer geht Ende 2005

Berlin/Frankfurt am Main - Werner Seifert, der Vorstandschef der Deutschen Börse AG, ist am Montag mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Aufsichtsratschef Rolf Breuer wird Ende 2005 sein Amt aufgeben. Dies teilte die Deutsche Börse am Montag im Anschluss an eine Aufsichtsratssitzung mit. Die Aktie stieg um 2,58 Prozent, nachdem sie zeitweise vom Handel ausgesetzt worden war. Experten begrüßten den Wechsel an der Spitze des Frankfurter Börsenbetreibers. In Finanzkreisen wird nicht ausgeschlossen, dass das Unternehmen zerschlagen wird.

Seifert und Breuer zogen die Konsequenzen aus den anhaltenden Auseinandersetzungen mit den Großaktionären über die Strategie des Unternehmens. So brachten Hedge-Fonds, die große Aktienpakete gekauft hatten, Vorstand und Aufsichtsrat von dem Plan ab, die Londoner Börse LSE zu übernehmen. Stattdessen drängten sie die Börse, eigene Aktien zurückzukaufen und Geld an die Anteilseigner auszuschütten. Die Börse erklärte am Montag, Aufsichtsrat und Vorstand würden nun an die „neue Eigentümerstruktur“ angepasst. Breuer wurde beauftragt, einen Nachfolger zu finden und dem Aufsichtsrat vorzuschlagen.

Wolfgang Gerke, Professor für Bank- und Börsenwesen in Erlangen und Mitglied des Frankfurter Börsenrates, nannte den Rückzug von Seifert und Breuer „die logische Konsequenz aus den Versäumnissen der letzten Zeit“. Er sei „bedauerlich, aber selbst verschuldet“, sagte er dem Tagesspiegel. Gerke wertete die Demission nicht als Erfolg der auf Rendite fixierten Finanzinvestoren („Heuschrecken“). Er warf vielmehr dem Management der Deutschen Börse gravierende Fehler vor, von denen die Hedge-Fonds jetzt profitierten.

So habe Aufsichtsratschef Breuer zu spät realisiert, dass sich die Machtverhältnisse bei der Deutschen Börse verändert hätten. Im Zuge des Übernahmekampfes um die Londoner Börse habe der Vorstand zudem „die Londoner Aktionäre besser behandelt als die eigenen Anteilseigner“. Dies räche sich nun. „Die Position Seiferts ist sehr eng mit der Breuers verbunden“, erklärte Gerke den Rücktritt des Börsenchefs. Auch Seifert habe genügend Anlass geboten, seine Position zu gefährden. So habe er versäumt, die Konditionen am Börsenplatz Frankfurt zu verbessern: „Die Gebühren müssen runter“, sagte Gerke. „Und man hätte den Neuen Markt nicht einfach schließen dürfen, sondern eine Alternative schaffen müssen.“

Bankenanalyst Martin Peter von Independent Research sagte: „Seiferts kompromissloses Vorgehen in der Diskussion mit den Investoren war ein Fehler.“ Ein „unguter Mix aus Managementfehlern und externem Druck“ habe zu der Entwicklung in Frankfurt geführt. „Es wird jetzt eine Diskussion darüber geben, was am Finanzplatz Deutschland versäumt wurde“, glaubt Peter. Vor ein paar Jahren sei ein derart massiver Einfluss von Hedge- Fonds nicht möglich gewesen. „Aber die deutschen Großbanken dürfen sich nicht wundern: Sie haben sich aus der Deutschen Börse zurückgezogen.“ Britische Investoren halten inzwischen 48 Prozent der Aktien der Deutschen Börse, amerikanische knapp 30 Prozent. Der Anteil der deutschen Investoren dagegen beträgt nur noch sieben Prozent.

Peter nannte es erstaunlich, dass die Hedge-Fonds ihre Aktien so lange gehalten und sich aktiv in die Unternehmensstrategie eingemischt hätten. „Die Rechnung ist aber aufgegangen: Der Kurs ist explodiert.“ Nun wachse das Risiko, dass die Fonds sich zurückzögen. Dabei könne die Börse gewinnbringend zerschlagen werden. So wird über einen Verkauf der Abwicklungsgesellschaft Clearstream oder des IT-Managements spekuliert.

Als Nachfolger für Breuer war zuletzt unter anderem der CDU-Politiker und ehemalige Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag Friedrich Merz im Gespräch. Börsen-Professor Gerke schlug Rudolf Ferscha als Nachfolger von Seifert vor. Er ist Vorstand der sehr erfolgreichen Terminbörse Eurex, einem Gemeinschaftsunternehmen der Deutschen Börse AG mit der Schweizer Börse.

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