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Wirtschaft: Forscher fordern Arbeitspflicht für alle

DIW will Beschäftigungslose unter Druck setzen – Grüne verlangen mehr Geld für Ausbildung Jugendlicher

Berlin (ce). Eine Arbeitspflicht für erwerbsfähige Arbeitslose könnte nach Ansicht von Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), mittelfristig zu mehr Beschäftigung führen. Es sei zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit „zwingend geboten“, in Deutschland einen Niedriglohnsektor zu etablieren, sagte er am Mittwoch in Berlin. Die „volle Kraft“ könne dieser allerdings erst im Aufschwung entfalten. Zimmermann warnte vor einem Scheitern der von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) angekündigten „Agenda 2010“.

Den Streit innerhalb der SPD um den Reformkurs in der Arbeitsmarkt und Sozialpolitik bezeichnete er als „bedenklich“. „Wenn dadurch jetzt wieder einige Monate nichts passiert, dann ist das bedrohlich“, sagte der DIW-Präsident. Zugleich unterstützte er die Pläne der Bundesregierung, älteren Arbeitslosen nur noch 18 Monate lang Arbeitslosengeld zu zahlen, die Arbeitslosenhilfe faktisch abzuschaffen und Arbeitslose zur Jobannahme zu zwingen.

Wer arbeitsfähig sei, aber eine angebotene Beschäftigung ablehne, dem müsse die Sozialhilfe gestrichen werden, sagte der Ökonom. Dadurch steige der Anreiz, auch gering entlohnte Arbeit aufzunehmen. Mehr als zwei Millionen Menschen, die bisher Arbeitslosen- oder Sozialhilfe beziehen, kämen nach Ansicht von Zimmermann für Niedriglohnjobs in Frage. Allerdings räumte der DIW-Präsident ein, dass die Unternehmen bislang nicht genügend gering Qualifizierte nachfragen würden. Ilka Houben von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) meint jedoch, dass es auch nicht genügend Menschen gebe, die bereit seien, einen solchen Job anzunehmen.

„Der Staat muss Arbeitslosen Angebote im öffentlichen Sektor machen“, forderte Zimmermann. Um diesen „ehrlichen zweiten Arbeitsmarkt“ (siehe Lexikon Seite 18) aufzubauen, startet die Bundesregierung in diesem und im nächsten Jahr ein Sonderprogramm. Damit sollen 100 000 Menschen unter 25 Jahren aus der Arbeitslosigkeit geholt werden. „Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber zumindest ein Anfang“, sagte Markus Kurth, sozialpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Wenn man mittelfristig allen Jugendlichen ein Angebot machen wolle, müsse man „richtig investieren“. Zug um Zug müssten auch andere Gruppen Jobangebote erhalten. Dabei gehe es „nicht nur um Laubfegen im Park, sondern auch um Training und Weiterbildung“, sagte Kurth dem Tagesspiegel.

DIW-Präsident Zimmermann sieht die Gewerkschaften „in der Pflicht, sich für eine größere Spreizung zwischen den Löhnen einzusetzen“. Diese Kritik weist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) jedoch zurück. Es gebe bereits eine „erhebliche Zahl“ von Öffnungsklauseln, die geringere Einstiegstarife ermöglichten, sagte DGB-Tarifexperte Christof Wachter dem Tagesspiegel. So hätten laut einer Umfrage des gewerkschaftsnahen WSI-Instituts unter Betriebsräten rund 17 Prozent der Betriebe niedrigere Einstiegstarife vereinbart. Ohnehin seien in den Tarifverträgen „viele niedrige Löhne festgelegt“, sagte der DGB-Tarifexperte. Eine Arzthelferin im Osten zum Beispiel verdiene in der niedrigsten Lohngruppe 1068, eine Hilfe in der Landwirtschaft in Bayern 866 Euro.

Ein großes Potenzial für Niedriglohnjobs sieht Zimmermann in Privathaushalten. Bis zu 3,4 Millionen Haushalte beschäftigen Schätzungen zufolge eine Putzhilfe, Gärtner oder Pflegepersonal – zum großen Teil allerdings schwarz: Nur etwa 40 000 solcher Arbeitsverhältnisse sind registriert. Die 400-Euro-Minijobs, die im April eingeführt wurden, sollen die legale Arbeit im Haushalt attraktiver machen. Die Arbeitslosigkeit werde dadurch aber nicht verringert, sagt Zimmermann. Attraktiv seien Mini-Jobs vor allem für die so genannte „stille Reserve“: die Menschen, die Arbeit suchen, aber nicht beim Arbeitsamt gemeldet sind.

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