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Papst Franziskus - das "Time"-Magazin wählte ihn zum "Mann des Jahres".

© dpa

Franziskus und das Geld: Bekämpft der Papst die Marktwirtschaft?

„Diese Wirtschaft tötet“, sagt Papst Franziskus. Er meint damit nicht jede Form von Marktwirtschaft. Dennoch legt er den Finger in die richtige Wunde. Ein Gastbeitrag

Blickt man in diesen Vorweihnachtstagen zurück, so waren für alle christlichen Kirchen im Jahr 2013 der Rücktritt von Papst Benedikt und die Wahl von Franziskus sicherlich die wichtigsten Ereignisse. Der römische Papst gebietet zwar nicht über alle Christen, aber das, was er sagt und tut, hat über die katholische Kirche hinaus ohne Zweifel Bedeutung. Dies wurde durch das erste „apostolische Schreiben“, das Franziskus vor wenigen Wochen um die Welt schickte, nochmals unterstrichen.

Das „Evangelii Gaudium“ (Freude des Evangeliums) wird in den deutschen Medien häufig als „wirtschaftsfeindlich“ beurteilt. Das Lehrschreiben des Papstes wird als Angriff auf die freie Marktwirtschaft verstanden. Aber Franziskus geißelt nicht eine geordnete Marktwirtschaft (und er spricht sich keineswegs für eine marxistische Ordnung aus – ganz im Gegenteil), sondern er warnt in klaren Worten vor Auswüchsen des Marktes und der kapitalistischem Wirtschaftsordnung. „Diese Wirtschaft tötet“ – damit meint er nicht jede Form von Marktwirtschaft, sondern eine „Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen“.

Und Franziskus behauptet auch nicht, dass er besser als alle anderen wüsste, wie genau die Marktwirtschaft zu verbessern ist. Es sind interessanterweise die aufgeregten Kommentatoren, die implizit den alten Manchester-Kapitalismus mit der „sozialen Marktwirtschaft“, wie wir sie in Deutschland kennen, gleichsetzen. Das eigentlich Erstaunliche an den Reaktionen auf das Lehrschreiben des Papstes ist, dass Sätze wie „Das Geld muss dienen und nicht regieren“ überhaupt Aufregung verursachen. Denn dass das Geld nur ein Mittel zum Zweck ist, ist eigentlich selbstverständlich. Oder sollte selbstverständlich sein. Aber viele Menschen sehen das nicht mehr so, sondern sind davon überzeugt: „Geld regiert die Welt“. Da ist ja sicher auch was dran; ebenso wie man nicht leugnen kann, dass (zu) viele Menschen dem Geld hinterherrennen. Und sich nur über junge Börsenmakler aufzuregen, ist scheinheilig.

Auch die Feststellung des Papstes, dass die Behauptung, Reichtum komme irgendwann automatisch auch bei den Armen an, nicht zutrifft, hat sich – jedenfalls bis jetzt – bewahrheitet. Denn dafür ist ein starker und entschlossener Staat notwendig.

Zu jeder vernünftigen Wirtschaftsordnung gehört ein Ordnungsrahmen, und es gehören auch regulierende staatliche Eingriffe dazu. Im Grunde funktioniert der Wettbewerb. Trotzdem müssen Wettbewerbsbehörden darüber wachen und gelegentlich Kartelle und Monopole zerschlagen. Auch soziale Sicherheit ist nicht rein privat herstellbar. Als Minimum bedarf es strenger Regeln für private Versicherungen. Und vieles spricht dafür, dass staatlich organisierte Sozialversicherungen große Vorzüge aufweisen. Man denke nur an die lang anhaltenden Niedrigzinsphasen, so wie die gegenwärtige, die es kapitalgedeckten Versicherungen sehr schwer machen, ihre Leistungsversprechen zu erfüllen. Und noch ein wichtiger Punkt: Chancengleichheit durch Bildung ist ohne den Staat nur schwer vorstellbar.

Es ist klar, dass es nicht die Aufgabe des Papstes ist, den Ordnungsrahmen einer Volkswirtschaft im Detail vorzudenken oder gar zu bestimmen. Franziskus schreibt ganz deutlich: „Weder der Papst noch die Kirche haben das Monopol für die Interpretation der sozialen Wirklichkeit oder für einen Vorschlag zur Lösung der gegenwärtigen Probleme.“

Aber auch ein Papst kann im gesellschaftlichen Diskurs mithelfen, zusammen mit allen kirchlichen Amtsträgern und Laien, den besten Ordnungsrahmen für die Wirtschaft und die Gesellschaft zu finden und ständig weiterzuentwickeln. Und Franziskus hat nicht zuletzt mit der konsequenten Nennung des größten Übels der Gegenwart, nämlich der ungleichen und ungerechten Verteilung des Reichtums in der Welt, seinen Finger in eine Wunde gelegt, die auch unsere Gesellschaft in Deutschland schmerzen sollte. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit.

Gert G. Wagner ist Vorstandsmitglied des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Mitglied der „Sozialkammer“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD); Frank-M. Scheele ist Pfarrer der katholischen „Maria unter dem Kreuz“-Gemeinde in Berlin (Friedenau-Wilmersdorf).

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