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Führungsfrau. Margarete Koppers, hier ohne Uniform, hat die Berliner Polizei kommissarisch geleitet. Nun übernimmt ein Mann.

© picture alliance / dpa

Frauen im öffentlichen Dienst: Noch 792 Jahre bis zur Gleichstellung

Laut einer Berliner Studie sind im öffentlichen Sektor Frauen in Führungspositionen selten. Zum Teil steht die Verwaltung schlechter da als die Privatwirtschaft.

Obwohl Frauen im öffentlichen Dienst mehr als die Hälfte der Beschäftigten stellen und dieser gesetzlich weitgehend zur Gleichstellung verpflichtet ist, sind sie in Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, die am Mittwoch in Berlin präsentiert wurde.

Zuletzt hatte sich die öffentliche Debatte vor allem um eine Frauenquote für private Unternehmen gedreht. EU-Justizkommissarin Viviane Reding hat ein Gesetz vorgelegt, nach dem bis 2020 mindesten 40 Prozent der Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen mit Frauen besetzt sein sollen. Doch während es wegen des breiten Widerstands derzeit als unwahrscheinlich gilt, dass die Quote für Privatfirmen kommt, offenbarte die Studie mit dem Titel „Einsam an der Spitze“, dass der öffentliche Dienst in einzelnen Sektoren bei der Gleichstellung sogar noch schlechter dasteht.

In den Vorständen der größten öffentlich-rechtlichen Banken und Sparkassen etwa arbeiten derzeit gerade einmal 2,5 Prozent Frauen und damit noch weniger als in den Vorständen von Dax-Unternehmen (3 Prozent). Bei derzeitiger Entwicklung würde es „792 Jahre bis zur Gleichstellung in den Geldhäusern dauern“, sagte die Autorin der Studie, Julia Schimeta vom DIW.

Die Studie kommt daher für die Bundesregierung ungelegen. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) wehrt sich gegen verpflichtende Quoten für Frauen und setzt auf ihre Idee einer sogenannten Flexi-Quote. Demnach sollen sich Unternehmen selbst eine Quote geben und sich daran messen lassen.

Zwar sind Frauen im öffentlichen Dienst insgesamt zu etwa einem Drittel in Führungsfunktionen vertreten. Doch sieht die Sache schon bei öffentlichen Unternehmen deutlich unausgewogener aus. In Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist, sind Frauen zu 17,7 Prozent in den Aufsichtsräten und zu 8,2 Prozent in den Vorständen vertreten. Schimeta kritisiert vor allem, dass „die gültigen Gleichstellungsgesetze nicht umgesetzt werden“. „Es ist auch keine lineare Verbesserung festzustellen, wie viele annehmen. In vielen Bereichen ist die Entwicklung rückläufig.“

Gute Noten für Berlin

Gute Noten gab es in der Studie für Berlin. Betrachtet man die Beteiligungsunternehmen der Bundesländer, hat die Hauptstadt mit 42,1 Prozent Frauen in Aufsichtsgremien den deutlich größten Anteil, gefolgt von Rheinland-Pfalz (24,7) und Bremen (24). Schlusslichter sind Bayern, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings sei es schade, „dass Berlin die Chance verpasst hat, mit Margarete Koppers zum ersten Mal eine Polizeipräsidentin zu installieren“, urteilte Schimeta. „Sie hat gute Arbeit geleistet, es wäre ein Signal gewesen.“ Koppers hatte die Behörde lange kommissarisch geleitet und sich viele Sympathien erarbeitet. Der Posten war aber an den 53-jährigen früheren Chef der Berliner Bundespolizei und CDU-Mann Klaus Kandt vergeben worden. Bekannte Beispiele von Frauen in öffentlichen Toppositionen sind Sigrid Evelyn Nikutta (Berliner Verkehrsbetriebe) und Vera Gäde-Butzlaff (Berliner Stadtreinigung), die von ihren Belegschaftsstrukturen her stark männerlastige öffentliche Unternehmen führen.

Während Berlin also im Inland vergleichsweise gut dasteht, fällt der europäische Vergleich für Deutschland katastrophal aus. Nur in Malta und in Belgien gibt es anteilig weniger Frauen in Top-Positionen in den öffentliche Verwaltungen als in Deutschland, der EU-Durchschnitt wird weit verfehlt. Spitzenreiter bei der Gleichstellung sind Slowenien, Spanien und Rumänien.

Um die Lage zu ändern, rät DIW-Expertin Schimeta unter anderem, die Situation der in vielen Betrieben vorhandenen Gleichstellungsbeauftragten zu verbessern: „Sie sind oft Einzelkämpferinnen.“ Außerdem gebe es oft bei Verstößen gegen einschlägige Gesetze keine Sanktionen. Problematisch sei schon, dass es vielfach keine genauen Daten gebe, „doch Gleichstellung benötigt Transparenz“.

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