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Wirtschaft: Führungskrise bei EADS weitet sich aus

Gesamte Organisationsstruktur des Airbus-Bauers wird überprüft– Franzosen fordern Machtausgleich

München - Der Führungsstreit beim Luft- und Raumfahrtkonzern EADS verschärft sich. „Nach der Debatte um Führungspersonalien steht jetzt die gesamte Organisationsstruktur des Konzerns auf dem Prüfstand“, sagte eine mit den Verhandlungen vertraute Person dem Tagesspiegel am Freitag. Bisher sei unklar, ob sich die deutschen und französischen Anteilseigner noch vor der in zehn Tagen beginnenden Luftfahrtmesse im französischen Le Bourget einigen könnten.

Nach Angaben aus den Kreisen wollen die französischen Anteilseigner – der französische Staat hält zusammen mit dem Industriekonzern Lagardère 30 Prozent der Anteile – offenbar die Konzernpraxis des „Cross Reporting“ abschaffen. Dabei berichten die Vorstände der fünf Konzernsparten Airbus, Rüstung, Eurocopter, Raumfahrt und Militärtransporter traditionell jeweils an den Co-Vorstandschef der anderen Nationalität. Die Regelung sollte dafür sorgen, dass das deutsch-französische Machtgleichgewicht innerhalb des Konzerns gewahrt wird.

Mit der geplanten Neubesetzung der Konzerndoppelspitze aus Rüstungschef Thomas Enders und Airbus-Chef Noel Forgeard und des wichtigen Airbus-Chefpostens verband die französische Seite nun aber auch die Forderung nach einem Machtausgleich. Denn Airbus-Chef soll – zum ersten Mal in der Geschichte des Luftfahrtunternehmens – der Deutsche Gustav Humbert werden. „Solange uns die Deutschen keine Gegenleistung für die Einsetzung von Gustav Humbert an der Spitze von Airbus anbieten, kommt es nicht infrage, das künftige Organigramm der Gruppe zu billigen“, zitierte die französische Zeitung „La Tribune“ am Freitag einen Vertreter des französischen Lagers. Dem Vernehmen nach würde sich der machtbewusste Forgeard neben der Airbus-Sparte gerne auch den organisatorischen Zugriff auf den wichtigen und hochprofitablen Konzernbereich Eurocopter sichern. „Wahrscheinlich werden sich die Deutschen mit dieser Regelung einverstanden erklären“, hieß es dazu aus gut informierten Kreisen.

Die Möglichkeit, dass die Konzerndoppelspitze von zwei auf vier Personen ausgeweitet werden könnte, bezeichneten die Kreise dagegen als unwahrscheinlich. „In einer solchen Konstellation wäre die EADS nicht handlungsfähig“, hieß es. Französische Medien hatten geschrieben, es gebe Planspiele, den deutschen Finanzchef Ring und den französischen Chef von EADS International, Jean-Paul Gut, in die oberste Führungsriege zu berufen und ein Viererdirektorium zu installieren.

Von französischer Seite hieß es, die Eröffnung der Pariser Flugzeugmesse am 13. Juni sei kein entscheidendes Datum für eine Einigung. Deutschen Branchenkreisen zufolge wäre es aber „eine echte Blamage“, wenn EADS bei einer der wichtigsten Luftfahrtmessen ohne Führungsspitze dastünde. In der Übergangszeit führen der Daimler-Chrysler-Beauftragte Manfred Bischoff und der französische Lagardère-Chef Arnaud Lagardère wie bisher die Geschäfte. Eigentlich hatte EADS in Paris seinem Erzkonkurrenten Boeing mit der Präsentation seines Riesenflugzeugs A380 die Schau stehlen wollen. Nun scheinen die Amerikaner wieder Oberwasser zu gewinnen: Sie profitieren vom Streit bei EADS ebenso wie von dem jüngsten Eingeständnis von Airbus, dass sich die Erstauslieferung der A380-Maschinen um bis zu sechs Monate verzögern könnte. Die Kunden scheinen die sich häufenden Probleme bei EADS langsam leid zu sein: Am Donnerstag hatte Finanzchef Hans-Peter Ring auf einer Analystenkonferenz einräumen müssen, dass Airbus 2005 erstmals seit fünf Jahren beim Auftragseingang hinter Boeing zurückfallen könnte.

Nicole Huss

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