zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Für alle Sinne

Von Henrik Mortsiefer Hugendubel lädt zur „Taschenbuchverführung“, Suhrkamp entblättert die „schönsten Seiten des Sommers“ und durch die Bertelsmann-Buchclubs verteilt ein „Sommerwind“ die „schönsten Liebesgeschichten für heiße Tage“. Die Monate Juni, Juli und August sind für die ohnehin unter Umsatzrückgängen leidende Branche Saure-Gurken-Zeit.

Von Henrik Mortsiefer

Hugendubel lädt zur „Taschenbuchverführung“, Suhrkamp entblättert die „schönsten Seiten des Sommers“ und durch die Bertelsmann-Buchclubs verteilt ein „Sommerwind“ die „schönsten Liebesgeschichten für heiße Tage“. Die Monate Juni, Juli und August sind für die ohnehin unter Umsatzrückgängen leidende Branche Saure-Gurken-Zeit. Das Frühjahrs-Programm ist schon im Handel und die Auslieferungen für den Herbst noch in Vorbereitung. Dazwischen liegt das Sommerloch. Umso bunter muss es das Marketing treiben, damit die träge Leserschaft vor dem Start in die Ferien noch zum richtigen Lektürestoff greift.

„Ähnlich wie die Filmwirtschaft versuchen die Verlage, ein paar große Premieren in den Sommer zu verlegen“, sagt Eugen Emmerling, Sprecher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. „Damit nicht nur das Wetter die Hauptrolle spielt.“ Als Glücksfall erweist sich in diesem Jahr Jonathan Franzens Roman „Korrekturen“ (Rowohlt 24,90 Euro), der nach dem riesigen Erfolg in den USA auch in Deutschland zum Bestseller geworden ist. Zu einer ungewöhnlichen Zeit: Der Roman kam Ende Juni in den Handel. Ähnlich antizyklisch traf auch Martin Walsers „Tod eines Kritikers“ (Suhrkamp 19,90 Euro) ein. Unterstützt von einer großen Medienaufregung katapultierten die Verkaufszahlen den Roman auf Platz eins der „Spiegel“-Bestseller-Liste – mitten im Sommer.

Product Placement im Buchladen

Doch ein, zwei Premieren bei jährlich 90000 Neuerscheinungen machen die Ferienwochen noch nicht zur dritten Jahreszeit für die Buchbranche. In den Einkaufszentren von Hugendubel, Dussmann oder Thalia findet Product Placement wie im Supermarkt statt. „Im Eingangsbereich setzen wir bei Mängelexemplaren und Restposten auf den Mitnahmeeffekt bei der Laufkundschaft“, sagt Margrit Majehrke von Hugendubel am Berliner Tauentzien. „Wer den Laden dann betreten hat, muss bei den Neuerscheinungen über die Bestseller förmlich stolpern.“

Hat der Kunde die Taschenbuchabteilung erreicht – dort gibt er nach Angaben des Börsenvereins am meisten Geld aus – werden die Sinne angesprochen. „Umschlag und Anmutung des Buches sind enorm wichtig für den Spontankäufer“, sagt Eugen Emmerling.

Bei Suhrkamp ist die Jahreszeit deshalb nicht nur wegen Martin Walsers Verkaufserfolg „leicht und fröhlich“, wie Anya Schutzbach, Werbeleiterin des Verlages, erklärt. Auf den Umschlägen der Taschenbücher, die der Verlag zur Urlaubszeit ausliefert, dominieren helle Farben und Motive. „Strand- oder Urlaubslektüre sollte nicht düster daherkommen“, sagt sie. Wie jedes Jahr hat der renommierte Verlag schon im Frühjahr Liebesgeschichten, Schmöker und Krimis aus dem bestehenden Verlagsprogramm, der so genannten Backlist, geholt und sie in neuer Verpackung für den Handel herausgeputzt.

Ein Prinzip, von dem Buchclubs wie „Der Club“ (Bertelsmann) oder die Büchergilde Gutenberg das ganze Jahr über leben. Bereits im Handel erschienene Titel werden in Lizenz erneut aufgelegt und mit einer neuen, meist besseren Ausstattung den Club-Mitgliedern exklusiv offeriert. Diese bezahlen dafür mit einer Abnahmegarantie für eine bestimmte Anzahl von Büchern pro Jahr. Aber auch das Club-Geschäft ist nicht mehr so einfach wie vor Jahren, und im Sommer geht der Verkauf genauso zurück wie im Einzelhandel. Um die Leser bei der Stange zu halten, bieten die Clubs Vor-Premieren an. Bertelsmann hat so seit einem halben Jahr John Grishams neuen Roman „Die Farm“ zum Club-Preis von 17,90 Euro im Angebot. Im Handel wird das Buch erst Ende August verkauft. Ähnlich verfährt die Büchergilde Gutenberg mit Ramona Diefenbachs „Die Schneckenspur“. Club-Mitglieder können den Roman schon jetzt für 11,90 Euro lesen, während die frei verkäufliche „Edition Büchergilde“ erst im Herbst erscheint.

Club für lesende Romantiker

55 Millionen Mitglieder – davon rund vier Millionen in Deutschland – zählt Bertelsmann in seinen weltweit 19 Buchclubs. 13 schreiben rote Zahlen. Um das etwas angestaubte Image der Clubs aufzupolieren, testet der Medienkonzern noch bis Ende Juli in Deutschland ein Special-Interest-Format, das im englischsprachigen Raum sehr erfolgreich ist: „Moments“, der auf weibliche Leser zugeschnittene Liebesromanclub, präsentiert „Höhepunkte der romantischen Literatur“, veranstaltet Leser-Treffen und Lesungen. Historische Liebesromane, moderne Love-Stories oder romantische Krimis – gut 10000 Mitglieder hat der Club bisher gewonnen. „Wir sind zufrieden“, sagt Rokko Tiede, Sprecher der für die Buchclubs zuständigen Bertelsmann Direct Group. Ob aus dem Test später auch ein Dauerbetrieb für lesende Romantiker wird, müssen aber noch die Zahlen zeigen, die man in Kürze auswerten will.

Auf welche Reize die lesende Kundschaft reagiert, ob auf Inhalt, Verpackung oder Preis, wird vielleicht der neue Roman von Isabel Allende zeigen. „Die Stadt der wilden Götter“ erscheint in Kürze gleich zwei Mal: Hanser hat den Titel als poppiges Jugendbuch für 16,90 Euro aufgelegt, Suhrkamp kommt gleichzeitig in seriöser und etwas hochwertigerer Verpackung zu 22,90 Euro auf den Markt. Preis oder Ausstattung? Einfacher haben es die Hörbuch-Freunde: Sie müssen beim neuen Allende lediglich das Medium wählen. Ob acht CDs oder sechs Kassetten – beide Pakete sind für 25,90 Euro zu haben.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false