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Wirtschaft: „Für Privatkunden bleiben die Preise stabil“

Klaus Rauscher, Vorstandschef von Vattenfall Europe, über teuren Strom, längere Atomlaufzeiten und zu hohe Managergehälter

Herr Rauscher, Sie kennen sowohl die Politik als auch die Wirtschaft aus nächster Nähe. Welcher Bereich ist korrupter?

Natürlich wird es immer wieder Einzelne geben, die den Verlockungen nicht widerstehen. Aber daraus zu schließen, dass Deutschland eine korrupte Gesellschaft sei, oder dass die politischen Eliten und die Wirtschaft in toto korrupt seien, wäre maßlos übertrieben.

In der Politik gibt es – gerade seit der VW-Affäre – Bestrebungen, die Mitbestimmung zu beschneiden.

Ich bin mit dem System, so wie wir es heute haben, recht zufrieden. Wir haben bei Vattenfall mit der Mitbestimmung gute Erfahrungen gemacht. Es ist nicht immer einfach, aber wir finden nach langen Diskussionen immer einen Konsens, und dann sind die Träger der Mitbestimmung wichtige Multiplikatoren – auch im Interesse des Unternehmens.

Sehr in der Diskussion sind derzeit auch die Managergehälter. Dabei fiel immer wieder der Name Ackermann.

Ich möchte nicht einzelne Kollegen aus der Wirtschaft persönlich ansprechen. Aber ich denke, dass man sich auch als Manager die Frage stellen muss, welches Vorstandsgehalt noch vertretbar ist – im Vergleich zu anderen Kollegen, aber auch im Vergleich zur zweiten Ebene im Unternehmen. Wir müssen uns bei unseren Gehaltsvorstellungen nicht immer an den amerikanischen Managern messen. Allerdings ist das kein Thema, das nach dem Gesetzgeber ruft.

Wie gut ist der Standort Deutschland?

Besser als sein Ruf. Wir haben in Deutschland eine hervorragende Infrastruktur. Wir haben Menschen, die gut ausgebildet sind und die arbeiten wollen. Wir haben sicher ein bisschen hohe Steuersätze, aber das ist ein Thema, an dem die Politik arbeitet. Ich halte auch nichts von der Gewerkschaftskritik, die allenthalben sehr grobschlächtig betrieben wird. Natürlich gibt es Beispiele, wo es die Gewerkschaften übertreiben, aber sie können auch eine sehr positive Rolle spielen.

Die energieintensive Industrie klagt, dass die hohen Strompreise dem Standort Deutschland schaden.

Ich verstehe die Kunden schon, wenn sie sich sorgen. Wir versuchen deshalb immer wieder, ihnen entgegenzukommen. Subventionieren können wir sie aber nicht, deutlich unterhalb der Großhandelspreise können wir nicht liefern. Wenn ich Strom für 35 Euro an der Börse verkaufen kann, dann habe ich ein Problem vor mir selbst und meinen Gremien, wenn ich meinen Kunden zu 30 Euro liefern würde. Es ist nicht die Aufgabe von Energieunternehmen, Wirtschaftspolitik zu betreiben. Das war früher in Monopolzeiten so, aber jetzt, in liberalisierten Zeiten, können wir unser Produkt nicht unter Marktpreis anbieten.

Leben wir denn in liberalisierten Zeiten?

Wenn Sie sich anschauen, wie hart der Wettbewerb im Industriekundenbereich ist und wie oft wir Kunden verlieren, weil andere uns unterbieten, dann halte ich das Gerede von mangelndem Wettbewerb in diesem Segment für ein Gerücht. In den Massenmärkten ist der Wettbewerb nicht ganz so hart, aber das liegt daran, dass der Haushaltskunde nicht so preissensibel ist. Aber auch hier gibt es Konkurrenz: Die Kunden haben die Wahl, sie sind nur nicht so wechselwillig wie Industriekunden.

Trotzdem dominieren die vier Großen – neben Vattenfall noch Eon, RWE und EnBW – den Markt. Gibt es ein Oligopol?

Nein. Es gibt vier Große, und es gibt 50 mittlere und 700 kleine Stromversorger, und dann gibt es noch die ausländischen Anbieter, die uns gerade im Industriegeschäft massiv Konkurrenz machen. Ein Oligopol hieße, dass sich die vier Großen absprechen. Das ist nicht der Fall.

Wann werden die Preiserhöhungen, die wir an der Strombörse erlebt haben, bei den Privatverbrauchern ankommen?

Das muss jedes Unternehmen für sich beantworten. Wir haben uns jedenfalls entschlossen, in unseren Privatkunden- Märkten, Hamburg und Berlin, die Preise über das Jahresende 2005 hinaus stabil zu halten. Die weitere Entwicklung hängt dann vom Markt und von der Politik ab.

Welche Rolle spielt der Emissionshandel in Ihren Kalkulationen?

Natürlich brauchen wir in unseren Kraftwerken für jede Tonne CO2, die wir ausstoßen, ein entsprechendes Zertifikat. Allerdings haben wir zu Beginn des Emissionshandels eine in etwa bedarfsgerechte Ausstattung bekommen, so dass wir nur kleine Spitzen zukaufen müssen – oder je nach Preis auch verkaufen können. Im großen Stil handeln wir mit den Zertifikaten aber nicht. Wir brauchen sie schließlich für unsere Produktion.

Der Emissionshandel spielt für die Bildung des Strompreises bei Ihnen keine Rolle?

Die Preise an den Großhandelsmärkten werden nicht von uns gemacht. An der Energiebörse in Leipzig handeln 125 Marktteilnehmer, und nach deren Einschätzungen richten sich die Preise. In manchen Fällen sind Börsenpreise fundamental unterlegt, in manchen Fällen nicht. Da ist auch sehr viel Spekulation drin. Wenn der Markt der Meinung ist, dass es im nächsten Jahr wegen eines warmen Sommers wenig Strom geben wird, dann geht der Preis nach oben. Und genauso hat der Markt die Emissionszertifikate irgendwie eingepreist.

Die Union möchte die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern und fordert dafür eine Gegenleistung: Die Strompreise sollen sinken.

Die Investitionen in die Kernkraftwerke wurden nach kaufmännischen Regeln getätigt. Das heißt, man hat für bestimmte Laufzeiten kalkuliert. Dann gab es den Atomkonsens und es wurde eine politische Grenze für die Laufzeiten festgelegt. Nun könnte dieser politische Deckel wieder weggenommen werden, das heißt, die ursprünglichen Investitionsplanungen würden wieder aufgehen. Vom betriebswirtschaftlichen Ansatz her besteht also kein Grund für eine Gegenleistung. Aber wir leben natürlich in einer Branche, die hohen politischen Einflüssen ausgesetzt ist. Nun muss erst einmal die Union die Wahl gewinnen, zweitens muss sie ihre Pläne umsetzen, und drittens muss sie dann mit uns reden, wie so ein Modell aussehen könnte.

Aber Sie wären bereit, der Union bei den Preisen entgegenzukommen?

Wir sind bereit, mit der Union in einem solchen Fall zu reden.

Kann man sich vorstellen, dass in Deutschland eines Tages auch wieder neue Atomkraftwerke gebaut werden?

Das ist eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz, und die sehe ich hier und heute nicht. Aber wer von uns hat schon die Gabe, für ewig etwas auszuschließen – oder auch nur für 15 Jahre.

Wäre es betriebswirtschaftlich sinnvoll?

Ich denke ja. Aber das hängt natürlich von der Technologie ab.

Eine andere Technologie sind die erneuerbaren Energien. Hier ist Deutschland weltweit führend.

Aber zu welchen Kosten! Eine Megawattstunde Windstrom wird mit 90 Euro bezahlt, konventioneller Strom kostet ein Drittel davon.

Trotzdem plant Vattenfall selbst einen Offshore-Windpark in der Nord- oder Ostsee.

Es ist ein Unterschied, ob Sie einen Windpark an Land errichten oder offshore. Auf See kann man die Anlagen deutlich rentabler betreiben als an Land. Deshalb haben wir gesagt: wenn, dann offshore.

Sie würden in diesem Fall vom Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) und seinen Fördersätzen profitieren.

Wir machen das nicht, um Subventionen mitzunehmen. Langfristig müssen die Subventionen eingefroren oder abgeschafft werden.

In Deutschland wären Sie der erste große Energiekonzern, der in Windkraft investiert.

Ich denke, dass die Kollegen in den anderen Unternehmen ähnliche Überlegungen anstellen.

Das Interview führten Moritz Döbler und Anselm Waldermann

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