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Herausforderer. Maschinen der Fluggesellschaft Norwegian Air.

© Foto: Johan Nilsson/TT News Agency/Reuters

Billigflüge von Norwegian Air: Für 82 Euro von Europa in die USA

Die neuen USA-Billigangebote der Norwegian Air halten nicht immer, was sie versprechen. Das steckt hinter der Mogelpackung.

Der norwegische Billigflieger Norwegian lockt mit neuen Schnäppchenflügen von Europa zu amerikanischen Provinzflughäfen. Droht deutschen Airlines wie Air Berlin und Eurowings, die ihr USA-Angebot gerade ausbauen, dadurch eine Gefahr? Bei näherer Betrachtung erweist sich der Vorstoß der „Wikinger“ eher als Mogelpackung.

Norwegian Air ist die drittgrößte Billigairline in Europa

Norwegian Air hat sich in wenigen Jahren zum drittgrößten Billigflieger in Europa gemausert. Im vergangenen Jahr beförderte die Gesellschaft 29,3 Millionen Passagiere, was einem Zuwachs um 14 Prozent entspricht, und flog einen Nettogewinn von 1,135 Milliarden norwegischen Kronen (rund 130 Millionen Euro) ein. Bereits 2014 haben die Norweger ihre Tochtergesellschaft Norwegian Air International in Irland gegründet und sich so eine EU-Betriebslizenz gesichert, um damit die bestehenden Verkehrsabkommen der EU nutzen zu können. So startet man nicht nur von skandinavischen Hauptstädten, sondern auch von London-Gatwick und Dublin aus schon länger zu Zielen in den Vereinigten Staaten, ohne dass dies Auswirkungen auf den Markt in Kontinentaleuropa hat. Von und nach Berlin-Schönefeld beispielsweise bietet man Anschlussverbindungen. Das billigste Angebot im März für einen Hinflug über London und einen Rückflug über Stockholm lag bei einer Probebuchung des Tagesspiegels bei 396,30 Euro. Wer einen Koffer (bis 20 kg) aufgeben will, muss die nächsthöhere Buchungsklasse wählen und pro Richtung 75 Euro zusätzlich zahlen.

Die Fluggesellschaft will ab Juni von Irland in die USA fliegen

Jetzt haben die Norweger eine neue Preisoffensive gestartet. Mit der Einführung der eigentlich für Mittelstrecken entwickelten Boeing 737 MAX 8, die über eine größere Reichweite als ihr Vorgänger verfügt, will Norwegian nun auch dieses Modell auf der Transatlantikroute einsetzen und ab Ende Juni neue Flüge von Dublin, Cork, Shannon und Edinburgh zu drei amerikanischen Provinzflughäfen aufnehmen, von denen kaum ein europäischer Reisender je gehört hat. Steward International und Providence Rhode Island liegen jeweils 90 Minuten von New York beziehungsweise Boston entfernt, der Bradley International Airport in der Provinz von Connecticut.

Die Flüge soll es ab 69 englischen Pfund (rund 82 Euro) pro Strecke geben. Zu diesem Preis fanden sich am Freitag auf der Buchungswebsite von Norwegian allerdings nur einige Flüge ab November zwischen Providence und Cork. Zwei einzelne Flüge lagen darunter, am 15. Oktober von Providence nach Edinburgh (71,20 Euro) und am 16. Oktober von Shannon nach Providence (69 Euro). Ansonsten sind deutlich höhere Preise zu zahlen, der Tarif kann für den einfachen Flug auf bis zu 436 Euro steigen und auch hier schlägt der Koffer zusätzlich noch einmal mit 65 Euro pro Strecke zu Buche.

Air Berlin fliegt für 400 Euro von Tegel nach New York

Dagegen war der Nonstop-Hin-und Rückflug von Berlin-Tegel zum New Yorker Kennedy-Flughafen auf der Air Berlin-Website zu bestimmten Terminen schon ab 400 Euro zu haben, einschließlich Koffer und Bordverpflegung. Und bei Eurowings konnte der Hin- und Rückflug via Köln/Bonn nach Miami zum Smarttarif ebenfalls mit Koffer und Bordverpflegung ab 389,98 Euro gebucht werden. So lohnt es sich für Reisende aus Deutschland kaum, auf die neuen, vermeintlichen Billigstangebote auszuweichen, die sich schnell als die teurere Variante erweisen können. Das gilt übrigens auch für die Angebote des isländischen Low-Cost-Carriers Wow Air, der ab Schönefeld via Keflavik nach New York düst. Auch hier muss für den Koffer extra gezahlt werden, so kommt man im günstigsten Fall auf 435,76 Euro. Auf jeden Fall lohnt es sich, die Preise zu vergleichen, und wer früh bucht und terminlich flexibel ist, ist immer im Vorteil.

Funktioniert das Low-Cost-Modell auch auf der Langstrecke?

Ob das Low-Cost-Modell auf der Langstrecke funktioniert, ist ohnehin umstritten. So hat Michael O’Leary, Chef des größten europäischen Billigfliegers Ryanair, lange über eigene Transatlantikflüge spekuliert, am Ende aber erklärt, dass er dafür keine Erfolgschancen sieht. Denn anders als auf den europäischen Kurzstrecken, wo der Reisende schon einmal mit einem Handgepäckstück auskommt und auf eine Mahlzeit verzichten kann, kommen hier die teuren Zuschläge voll zum Tragen und lassen den vermeintlichen Preisvorteil verschwinden. Auch die malaysischen Air Asia X haben ihre Flüge nach Europa vorerst wieder eingestellt und bei Jetstar, der Low-Cost-Tochter der australischen Qantas, die einst sogar an Flüge nach Berlin dachte, ist davon keine Rede mehr. Mit Norwegian ist Ryanair allerdings im Gespräch über Zubringerdienste zu deren Langstrecken. Dabei hatte das Billigmodell einst auf der Langstrecke begonnen. Die isländische Loftleidir hatte bereits 1952 den Anfang gemacht und bei damals noch abenteuerlichen Flügen mit Propellermaschinen zwischen Europa und New York mit Zwischenlandung in Island die Tarife der klassischen Airlines unterboten. Später machte sie Luxemburg zu ihrem Drehkreuz in Kontinentaleuropa und galt in den 60er Jahren als „Hippie-Airline“, die amerikanischen College-Studenten den Europa-Trip erschwinglich machte. Das Geschäftsmodell scheiterte erst in der Ölkrise. Dann galt Sir Freddie Laker mit seinem „Skytrain“ als Preisbrecher auf der Nordatlantikroute, flog jedoch 1982 in die Pleite. Und auch der ein Jahr zuvor in den USA gegründete People Express konnte nicht am Markt bestehen.

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