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Bier

© dpa

Fußball-EM: Hoffen auf den großen Durst

Die EM soll das schlechte Jahr für die Brauereien noch retten. Die Branche setzt auf Public Viewing

Fußball, Sonne, Bier – auf diesem Mix ruhen die Hoffnungen der deutschen Brauereien. Die Europameisterschaft soll die Branche vor einem weiteren Minus-Jahr bewahren. „Die Brauereien sind ganz euphorisch“, sagt Marc-Oliver Huhnholz, Sprecher des Deutschen Brauer-Bunds. Die Hoffnung sei riesengroß, dass der Bierabsatz während der Fußball-Europameisterschaft einen „Kick“ bekomme. „Vielleicht hält die Euphorie ja sogar bis zu den Olympischen Spielen an“, wünscht sich Huhnholz.

„Die EM wird Impulse setzen“, erwartet Franz-J. Weihrauch, Sprecher der Krombacher-Brauerei, der zweiterfolgreichsten deutschen Biermarke (siehe Grafik). Er setzt vor allem auf das relativ neue Phänomen des Public Viewing. Wenn die Fußballfans sich die Spiele gemeinsam in Kneipen oder Biergärten anschauen, trinken sie dabei mehr Bier als alleine zu Hause vor dem Fernseher, hoffen die Brauereien. Beim Branchendritten und Nationalelf-Sponsor Bitburger will man sogar schon vor Anpfiff des ersten Spiels Fußball-Euphorie und steigende Absätze gespürt haben. „Wir erwarten, dass sich dieser positive Trend während der EM-Zeit fortsetzen wird“, sagt Marketing-Chef Peter Rikowski.

Die Branche hat den EM-Kick durchaus nötig. Denn schon seit Jahren sinkt der Bierdurst der Deutschen, viele kleine Brauereien mussten infolgedessen schließen oder wurden von größeren übernommen. Brauerbund-Sprecher Huhnholz führt die zurückgehenden Zahlen auf veränderte Konsumgewohnheiten zurück, aber auch der demografische Wandel spiele eine bedeutende Rolle. „Die Folge ist, dass jedes Jahr zwischen zwei bis drei Prozent weniger Bier getrunken wird.“

Die Statistiken belegen das: Hat der Deutsche im Jahr 2000 durchschnittlich noch 125,6 Liter Bier getrunken, waren es 2005 bereits etwa zehn Liter weniger. Im vergangenen Jahr wurde mit 111,7 Litern pro Kopf der bisherige Tiefpunkt erreicht. Einziger Ausreißer in der abfallenden Kurve: das WM-Jahr 2006.

Kein Wunder also, dass die Branche nun auf das aktuelle große Sportereignis setzt. Je besser die deutsche Mannschaft spiele, desto schneller fließe das Bier, heißt es. „Ein Plus im EM-Zeitraum zwischen einem bis zwei Prozent ist möglich“, meint daher auch Huhnholz. Damit wäre der gleiche Schub wie bei der WM 2006 erreicht. Damals war der Absatz laut Brauerbund um 1,4 Prozent gestiegen.

Ob das reichen wird, um auch im gesamten Jahr mehr Bier abzusetzen, ist umstritten. „Das kann das Jahr retten“, sagt Horst Zocher, Branchenexperte beim Marktforschungsunternehmen GfK in Nürnberg. „Mit einer erfolgreichen EM und gutem Wetter kann der Verlust der ersten Monate noch wettgemacht werden.“ Der Brauerbund glaubt hingegen nicht daran: Er erwartet durch den EM-Effekt zwar ein kleineres Minus als im letzten Jahr. Zwei Prozent würden es aber vermutlich schon, sagt Sprecher Huhnholz.

Denn das Jahr hat für die Branche mit deutlichen Absatzeinbrüchen begonnen. Nach den ersten vier Monaten betrug das Minus bereits 1,8 Prozent. Ein Grund könnte das neu eingeführte Rauchverbot sein. Zudem hätten die meisten Marken ihre Preise zu Jahresbeginn um einen Euro pro Kasten angehoben und litten jetzt darunter, sagt Marcus Strobl, Branchenexperte beim Marktforscher AC Nielsen. „Das wird sich das ganze Jahr über bemerkbar machen.“ Er glaubt deshalb nicht daran, dass der EM-Schub das Jahr retten kann. Anders als zur WM 2006 fehlten in diesem Jahr die ausländischen Fußballtouristen, die den Absatz ankurbeln. Zudem sei das EM-Turnier eine Woche kürzer.

Noch skeptischer ist der größte deutsche Bierkonzern, die Radeberger-Gruppe, zu der neben der gleichnamigen Marke unter anderem Jever, Berliner Pilsner, Schultheiss und Berliner Kindl gehören. „Ich gehe von einem Marktminus von vier Prozent aus“, sagte Radeberger-Chef Ulrich Kallmeyer in dieser Woche mit Blick auf das Gesamtjahr. Die Zukunft malte er in düsteren Farben. In fünf Jahren werde der deutsche Bierkonsum pro Kopf unter 100 Liter sinken.

Kein Grund zur Panik, meint dagegen Branchenexperte Strobl: „Wir sind immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Die Rückgänge sind nicht dramatisch.“ International liegt Deutschland beim Bierverbrauch immerhin noch auf dem zweiten Platz hinter Tschechien. Und trotzdem: Die demografische Entwicklung spricht gegen das Bier. Es kommen einfach zu wenig junge Biertrinker nach. „Das klassische Pils hat einen Altersschwerpunkt über 50“, sagt Strobl.

In den vergangenen Jahren hat die Branche deshalb versucht, mit neuen Mischgetränken junge Käufer zu gewinnen. Bier mit Zitronen-Limonade, Bier mit Cola oder Bier mit Minzgeschmack. Inzwischen sei jedoch eine Ernüchterung eingetreten, sagt Strobl. „Die junge Zielgruppe trinkt einfach nicht so viel wie ältere Konsumenten.“ Zudem würden sich die Jungen nicht so leicht an eine bestimmte Marke binden und müssten intensiv mit Werbung umgarnt werden. „Das ist ein teures Geschäft“, weiß der Experte. Auch milde Biere, mit denen es die Brauereien auf junge Frauen abgesehen haben, bringen nicht den gewünschten Erfolg. „Die milden Biere sind praktisch schon wieder weg“, sagt Strobl. „In diesen Bereich wird nicht mehr groß investiert.“ Nur Marktführer Beck’s Gold habe sich gehalten.

Immerhin: Teurer soll das Bier erst mal nicht werden. „In den nächsten Monaten sind keine neuen Preissteigerungen zu erwarten“, heißt es vom Brauerbund.

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