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Bargeld lacht. Gaddafis Antlitz ziert einige Dinar-Scheine in Libyen. Der Diktator selbst investierte lieber in Dollar und Euro. Foto: Reuters

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Gesperrte Konten: Gaddafis Geld soll Libyen helfen

Der Diktator ließ auch in Deutschland Milliarden investieren: bei Banken, Bayer und BASF. Die neuen Machthaber hätten gerne Zugriff.

Berlin - Libyens Diktator Muammar al Gaddafi ist gestürzt, damit ist der Weg frei, um an sein Vermögen im Ausland zu kommen – theoretisch jedenfalls. Bei der internationalen Libyenkonferenz Anfang des Monats wurde beschlossen, bisher gesperrte Depots und Konten freizugeben. Auch in Deutschland lagert ein Milliardenvermögen libyscher Organisationen. Nur: Die Beteiligungen sind auf viele Branchen verteilt, und es muss geklärt werden, wie viel davon Gaddafis Privatvermögen ist – und wer Zugriff hat.

Etwa 190 libysche Konten bei 14 deutschen Banken waren im Frühjahr gesperrt worden. Allein auf einem Konto der Bundesbank sind knapp zwei Milliarden Euro angelegt. Weitere Konten sollen bei der Deutschen Bank und der Commerzbank liegen. Dabei handelt es sich vor allem um Mittel der libyschen Notenbank und des Staatsfonds der Libyan Investment Authority (LIA). In dem bisher von der Familie Gaddafis kontrollierten Fonds werden vor allem die Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung Libyens angelegt. Etwa 40 Milliarden Euro soll die Behörde insgesamt im Ausland investiert haben. Die Nachhaltigkeitsorganisation Global Witness berichtet, dass der Fonds in Deutschland Aktien im Wert von etwa 340 Millionen Euro von verschiedenen Konzernen besitzt. Betroffen seien jeweils etwa 0,3 bis 0,7 Prozent des Gesamtbestandes an Aktien.

Der Chemiekonzern Bayer bestätigte, dass Libyen noch im Frühjahr Aktien des Unternehmens gehalten habe. „Ob das immer noch der Fall ist, können wir aber nicht mit Sicherheit sagen“, sagte ein Bayer-Sprecher. Auch das Energieunternehmen Eon bestätigte eine Beteiligung Libyens. Die Firmen wollten dies aber nicht kommentieren. „Bei uns kann prinzipiell jeder investieren. Eine Steuerung von unserer Seite ist nicht möglich“, heißt es bei Bayer. Betroffen sind außerdem die Deutsche Telekom, Siemens, BASF, Allianz und RWE. Dort wollte man sich aber nicht zu einer Beteiligung Libyens äußern. Die Anteile liegen unter der Schwelle, ab der ein Aktienkauf öffentlich mitgeteilt werden muss.

Global Witness berichtet außerdem, dass der libysche Fonds in Anleihen bei der KfW-Bank und der Baden-Württembergischen Landeskreditbank investiert hat. Dort wollte man die Beteiligung Libyens nicht kommentieren. „Die Käufer unserer Anleihen sind uns nicht bekannt“, sagte ein Sprecher. Die Bank habe sonst keine Geschäftsbeziehungen nach Libyen. Wie lange der Staat schon in Deutschland investiert, ist nicht bekannt.

Zur Libyan Investment Authority (LIA) gehört auch die niederländische Firma Oilinvest, die unter den Namen Tamoil und NEM hunderte Tankstellen und eine Raffinerie in Deutschland betreibt. Laut dem Global-Witness-Bericht liegt damit gut ein Fünftel des LIA-Vermögens in Deutschland. Besonders aktiv ist der Fonds außerdem in Italien, beispielsweise mit einer Beteiligung an Unicredit. Die Mailänder Bank ist Muttergesellschaft der HypoVereinsbank. Auch am Autohersteller Fiat und dem Fußballclub Juventus Turin ist die LIA beteiligt. Weitere Anteile hält der Fonds beispielsweise am britischen Medienunternehmen Pearson („Financial Times“).

Von den Sperrungen ist außerdem das „Libya Africa Investment Portfolio“ betroffen. Dieser Fonds beteiligt sich an Infrastrukturprojekten in Afrika, wie beispielsweise dem Bau von Ölpipelines.

Auch an Immobilien halten libysche Organisationen Anteile. Wie genau sich die Beteiligungen der libyschen Fonds verteilen sei allerdings nicht bekannt. „Das betrifft Geschäftsgeheimnisse der jeweiligen Unternehmen“, sagt ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums. Er bezifferte den Wert des hier angelegten Vermögens staatlicher libyscher Organisation auf etwa 7,3 Milliarden Euro.

Nach einer Resolution der Vereinten Nationen (UN) war im Frühjahr libysches Auslandsvermögen im Wert von etwa 21 Milliarden Euro weltweit eingefroren worden. Jeder Zugriff auf die Konten wurde damit blockiert. Bei einer internationalen Konferenz über die Zukunft Libyens haben die UN in der vergangenen Woche zugestimmt, eine Milliarde Euro libyschen Vermögens in Deutschland wieder freizugeben. Auf welche Wertanlagen das neue Regime Zugriff bekommt, sagen UN und Ministerium nicht.

Für Probleme sorgt, dass der Gaddafi-Clan mit eigenem Vermögen stark in die Investitionen involviert war. „Eine Trennung zwischen Privat- und Staatsvermögen wird in solchen Diktaturen oft nicht wahrgenommen“, erklärte Axel Halfmeier, Jurist an der Frankfurter School of Finance & Management. Solange Anlagen dem Staat oder Unternehmen zugeordnet sind, sei eine Übertragung an die neuen Machthaber unproblematisch. Schwierig werde es bei persönlichen Konten. „Der Übergangsrat muss hier rechtlich handeln und ein Enteignungsverfahren einleiten“, sagte Halfmeier. Hierfür müsse Gaddafi aber zunächst nachgewiesen werden, dass er sich illegal bereichert hat.

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