zum Hauptinhalt
Abbau. Um Renditezusagen und Regulierungsvorschriften einhalten zu können, entwerfen die Konzerne neue Modelle.

© picture alliance / dpa

Lebensversicherungen: Garantiert weniger

Niedrige Zinsen zwingen die Assekuranzen zum Rückzug aus Geschäftsmodellen.

Das klassische Garantiemodell in der Lebensversicherung wird immer seltener. Nach den Versicherern Zurich, Talanx und Generali verabschiedet sich nun auch Ergo vom Neugeschäft mit lebenslang garantiertem Zins. Allerdings streicht keiner der Anbieter die Garantien komplett, sondern speckt sie nur ab.

So wird die Ergo – eine Tochter der Munich Re und mit Kapitalanlagen in Höhe von 128 Milliarden Euro einer der größten deutschen Versicherer – ab 2016 nur jene Produkte nicht mehr neu anbieten, die tatsächlich für die gesamte Laufzeit, also über 20, 30 oder mehr Jahre, einen bereits bei Vertragsbeginn verlässlich bekannten Zins garantieren. Seit Jahresbeginn liegt dieser gesetzliche Garantiezins bei 1,25 Prozent.

Garantizins nur noch in Altverträgen

Verbraucher, die bereits in den 90er Jahren eine Lebensversicherung abgeschlossen haben, erhalten zum Teil noch garantierte Zinsen von vier Prozent im Jahr. Anders als von vielen angenommen bedeutet der gesetzliche Garantiezins nicht, dass ein Lebensversicherer diesen Satz verpflichtend als Mindestrendite anbieten muss. Es handelt sich ganz im Gegenteil um einen Maximalzins: Kein Versicherer darf in Deutschland einen höheren Satz garantieren.

Künftig werde Ergo aber weiter ein bereits 2013 eingeführtes Versicherungsmodell anbieten, bei dem statt des Zinses die eingezahlten Beiträge und eine Mindestrente bis zum Lebensende garantiert werden, sagt Sprecherin Uta Apel. Die Garantie gelte nur zum Ende der Sparphase. Erhalten bleibe die klassische Garantie nur für hohe Einmalbeträge, die zur sofortigen Verrentung eingezahlt würden.

Auch die Allianz bessert nach

Auch der Marktführer im Lebensversicherungsgeschäft, die Allianz, rüttelt an Garantieversprechen. Zwar will man weiter auch Versicherungen mit der klassischen Garantie anbieten, doch vermarktet die Allianz bereits seit zwei Jahren vor allem ihr Produkt „Perspektive“, das ebenfalls ein Mix aus Garantie und Risiko ist: Wie bei der Ergo gibt es keinen Garantiezins mehr, dafür werden jedoch die eingezahlten Beiträge garantiert. Den Ertrag eines Jahres schlägt die Allianz jeweils der Garantiesumme zu. Bei beiden Anbietern geht ein Teil der Kundengelder in eine Sicherungskomponente – und der Rest in die Kapitalmärkte. Welche Papiere genau gekauft werden, entscheiden die Versicherer nach Marktlage.

Notwendig sei der Verzicht auf die in Deutschland sehr beliebte klassische Police aus zweierlei Gründen, heißt es bei den Unternehmen. Erstens müsse ein Anbieter, der langfristige Garantien abgebe, die Kundengelder auch in langfristigen Papieren anlegen. Diese werfen in der aktuellen Zinslandschaft nur sehr geringe Renditen ab. So müssen beim Garantiemodell jedes Jahr verpflichtend 1,25 Prozent Rendite erwirtschaftet werden. Zehnjährige deutsche Staatsanleihen rentieren aktuell aber nur mit 0,7 Prozent. Im Frühjahr waren es sogar nur 0,05 Prozent. Selbst 30-Jährige bringen nur 1,4 Prozent. Weil die Versicherer beim klassischen Modell mit sehr langen Garantien eben auch zu sehr langfristigen Engagements gezwungen seien, werde der Kunde auch im Fall einer Zinswende lange nicht von höheren Sätzen profitieren können.

Die Allianz verweist auf das belgische Modell: Die bei Vertragsabschluss ausgesprochene Zinsgarantie wird dort nach acht Jahren neu überprüft. Dadurch seien Versicherer nicht gezwungen, das Geld der Kunden sehr lange zu den gegenwärtig schlechten Konditionen festzulegen.

Neue Sicherheitsanforderungen aus der Politik

Der zweite Grund für den Rückzug aus der Garantieverzinsung liegt in den zusätzlichen Sicherheitsanforderungen für die Branche durch das sogenannte Solvency-II-Paket der EU, das 2016 in Kraft tritt. Danach müssen Versicherer für langfristige Verpflichtungen auch deutlich mehr Eigenkapital hinterlegen. Lange Garantien werden also teurer. Verbraucherschützer sehen den Rückzug vom Vollgarantiemodell entspannt. „Garantien sind Blendwerk, immens teuer und gerade über lange Zeiträume nicht notwendig“, sagte Lars Gatschke, Versicherungsexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen VZBV. Für den Verbraucher könne die Abkehr vom Garantiemodell sogar ein Vorteil sein. Denn: Bei den klassischen Produkten werde bisher nur der Sparanteil (Einzahlungen minus Kosten) garantiert verzinst. Gerade in den ersten Vertragsjahren würden hohe Kosten und Provisionen vom eingezahlten Geld abgezogen.

Zwar habe das klassische Modell den Vorteil, dass der Verbraucher besser planen könne, weil er schon bei Vertragsabschluss genau wisse, mit welcher Rentenhöhe beziehungsweise Auszahlungssumme er zumindest rechnen könne. Andererseits müsse der Kunde sich aber fragen: Will ich überhaupt die Langlebigkeit absichern? Bin ich sicher in der Lage, über 30 oder 40 Jahre einen Vertrag durchzuhalten, die Versicherung nicht vorzeitig zu kündigen – was meist zu hohen Verlusten führen würde? Für viele Kunden, so Gatschke, könnte es zum Beispiel sinnvoller sein, Ein- und Auszahlungsphase komplett zu trennen, somit auf eine lebenslange Garantie zu verzichten. Denn was die versprochene Rente nach 30 oder 40 Jahren real – also nach Abzug der Inflation – wirklich wert sei, welche Auszahlungsform dann am sinnvollsten und welche Zinsen für das Guthaben erhältlich seien, müsse man nicht schon Jahrzehnte vorher festlegen.

Kritik vom Versicherten-Bund

Und: „Eine Zinsgarantie von 1,25 Prozent auf den Sparanteil ist ohnehin kaum mehr wert als eine Garantie der gesamten Einzahlungen“, sagt Gatschke. Bei manchen Laufzeiten sei die Zinsgarantie sogar weniger wert als die Beitragsgarantie, räumt auch Ergo-Sprecherin Apel ein. Bei anderen Laufzeiten liege der Garantiewert der klassischen Variante zwar höher, doch sei die flexible Variante in der Geldanlage freier und chancenreicher.

Harsche Kritik kommt vom Bund der Versicherten (BdV). Vorstandssprecher Axel Kleinlein kritisiert, dass der Garantietarif bei der Ergo zwar für normale Versicherte, nicht aber für hohe Einmalbeiträge abgeschafft werde. Wer also reich sei und auf einen Schlag eine große Summe mitbringe, könne weiter mit Zinsgarantie versichert sein und damit vom Überschussniveau des Versichertenkollektivs profitieren. Kleinlein: „Das betriebswirtschaftliche Unvermögen der Ergo ist nun der Vorwand für eine Diskriminierung der Bürger, die eine sichere Altersvorsorge am nötigsten haben.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false