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Gaspreise: Fesselversuche eines Liliputaners

Es ist ein Kampf gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner: Klaus von Waldeyer-Hartz klagt gegen die Heilbronner Gasversorgung auf Korrektur der Preiserhöhungen des Unternehmens. Sollte er Erfolg haben dürfte das ein Klagewelle nach sich ziehen.

Karlsruhe - Der pensionierte Richter Klaus von Waldeyer-Hartz ist ein Zwerg. Zumindest sieht er sich selbst so in seinem Rechtsstreit mit den Energieriesen. Durchaus möglich ist, dass von Waldeyer-Harz wie die Liliputaner in der Satire von "Gullivers Reisen" einem der Riesen nun juristische Fesseln anlegen kann. Dass die Heilbronner Gasversorgung GmbH, deren Preiserhöhungen der streitbare Pensionär angeht, eher ein kleinerer Riese ist, tut der Bedeutung des Falles keinen Abbruch: Der Bundesgerichtshof (BGH) prüft am Mittwoch in einem Grundsatzverfahren, ob Gerichte auf die Klagen von Bürgern Gaspreiserhöhungen korrigieren dürfen.

Anlass der Klage des Ex-Richters war die Erhöhung seines Gaspreises um rund zehn Prozent zum Oktober 2004. Er hält diese Erhöhung auch im rechtlichen Sinn für "unbillig" und verweist auf Paragraph 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Anhand der Vorschrift können Gerichte kontrollieren, ob Preise überhöht sind, oder Anhebungen nach "nach billigem Ermessen" erfolgten. Ob diese Vorschrift auch bei der Erhöhung von Gastarifen angewandt werden darf, hat der BGH nun zu entscheiden.

Experten gehen mit Blick auf ein Strom-Urteil des BGH vom Oktober 2005 davon aus, dass der Heilbronner Gas-Rebell gute Chancen hat, recht zu bekommen. Damals wies der Kartellsenat die Selbstbedienungsmentalität der Energiebranche in die Schranken und entschied im Streit zwischen zwei Energieversorgern, dass Entgelte für die Nutzung fremder Stromnetze von Zivilgerichten überprüft werden können. Dem Urteil zufolge muss ein Netzbetreiber demnach die Angemessenheit seiner Netznutzungsentgelte darlegen. Das gilt auch für Stromtarife, die behördlich genehmigt worden sind. Denn die Genehmigung sagt nichts darüber aus, ob die Tarife auch dem Gebot der Angemessenheit entsprechen.

Preiskalkulation ein Betriebsgeheimnis?

Verbraucherschützer und Gaskunden hoffen nun, dass der BGH in Sachen Gaspreise ähnlich entscheiden und den unteren Instanzen Leitlinien vorgeben wird - etwa zu der Frage, bis zu welcher Grenze die Gasversorger ihre Preiskalkulationen aufdecken müssen und ab wann Betriebsgeheimnisse gewahrt werden müssen. Das Grundsatzurteil des BGH könnte überdies auch gravierende Folgen für die Preise von Bus und Bahn im öffentlichen Personennahverkehr haben. Viele Städte finanzieren den stark defizitären Nahverkehr durch sprudelnde Einnahmen aus den hohen Strom- und Gastarifen ihrer Stadtwerke. Ob diese Quersubventionierung von vornherein in die Energiepreise hineingerechnet werden darf, ist ebenfalls umstritten.

Kläger Klaus von Waldeyer-Hartz ruft im Internet alle Bürger dazu auf, sich gegen Unrecht zu wehren. Und je mehr Liliputaner mitmachten "und die Riesen fesseln", um so ohnmächtiger würden die Energieversorger. Angst vor dem Klageweg sei völlig fehl am Platze: "Ich habe es deshalb vorgemacht, damit sich niemand fürchten muss", erklärt der Gaspreis-Rebell. (Von Jürgen Oeder, dpa)

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