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Wirtschaft: Geb. 1940 und 1951

Ute und Hermann Breitegger

Erstaunlich, wie einsam Menschen in den besten Freundschaften, selbst in der Liebe sein können.

Die Geschichte ist schnell erzählt, zu schnell. Ein perfektes Paar. Er ein Macher, sie eine Schönheit, elf Jahre älter allerdings. „Kein Problem!“, hatte er ihr schon damals erklärt, als sie seinen ersten Heiratsantrag ablehnte. Und den zweiten und den dritten: „Lass uns warten“, bat sie ihn. „Vielleicht findest du ja eine Jüngere.“

Er fand keine Jüngere, er suchte keine Jüngere. Dennoch ließ sie ihn sechs Jahre warten, dann heirateten sie. Wenige Monate noch, und sie hätten ihre silberne Hochzeit feiern können. Im Musiktheater vermutlich, denn Musik war ihre Leidenschaft. Alles Schöne entzückte sie, und sie war leicht zu entzücken: Ein Gänseblümchen wurde zur Orchidee, eine Alltagsbegebenheit zum Roman. Sie konnte gut erzählen, mitreißend, verstand es, allem im Leben eine Rundung zu geben.

Er wiederum liebte ihre Versponnenheit, behütete sie, fast bis zur Grenze der Verzärtelung. Streit gab es nur beim „Zeit“-Rätsel. Er konnte nicht um die Ecke denken, wollte das auch gar nicht. Und erst recht hätte er den Gedanken nicht ertragen, dass da etwas offen bleibt.

Unerledigtes war für ihn eine persönliche Niederlage. Also packte er zu, wo er zupacken konnte. Stand selbst in der Küche, wenn er als Gastroconsulter arbeitete, war sich für nichts zu schade, schon gar nicht, wenn es galt, seinen Freunden zu helfen: Künstlern vor allem, denn die, bei aller Liebe, sind alle etwas lebensuntauglich.

Ein Logistikprofi, Zupacker, High–End-Arbeiter, welche Charakterisierung man wählen mag, jede passte. Er strahlte Zuversicht aus, Verlässlichkeit, hielt Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen – und übernahm sich.

Die Pfändungen standen an, die gesellschaftliche Blamage.

Sándor Márai hat in seinen Tagebüchern einen noch kürzeren Lebensroman erzählt, von einer Dienstmagd nämlich, die Jahrzehnte im Haus war, sich immer noch sehr gerade hielt, obwohl fast blind, und eines Tages bei einem festlichen Diner einen Salat mit Regenwurm reichte. Als die Hausherrin sie vor allen zur Rede stellte, nahm sie die Schürze ab und meinte nur: „Dann geh ich halt.“ Und sie ging ins Armenhaus, um zu sterben.

Indiskretion kann töten. Diskretion auch. Hermann Breitegger hatte viele Freunde, aber er vertraute sich keinem an. Ob das die Schuld der anderen war, oder seine eigene, oder einfach nur ein Verhängnis – wer will das sagen. Erstaunlich bleibt, wie einsam Menschen selbst in den besten Freundschaften, selbst in der Liebe sein können. Denn vermutlich wollte er auch ihr nicht die ganze Wahrheit zumuten. Und so sind sie gemeinsam aus dem Leben geschieden.

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