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© p-a/obs

Gebäudereiniger: Mindestlohn und raue Sitten

Arbeitskräftemangel in der Branche - trotz Mindestlohns. Gewerkschaften und Betriebsräte kritisieren die Arbeitsbedingungen bei Gebäudereinigern.

Von Anna Sauerbrey

Berlin - Die Gebäudereiniger haben dafür lange gestreikt im vergangenen Herbst. Am heutigen Dienstag wird im Bundesanzeiger der neue Tarifvertrag veröffentlicht. Darin enthalten ist der neue Mindestlohn für etwa 800 000 Gebäudereiniger bundesweit, rund 36 000 davon in Berlin: 8,40 Euro pro Stunde. „Damit haben wir einen attraktiven Tariflohn“, sagt die Sprecherin der Berliner Gebäudereinigungsinnung, Tanja Cujic. Tatsächlich gibt es niedrigere tarifliche Stundenlöhne in Deutschland – um oder sogar unter sechs Euro. Und dennoch hat die Branche ein massives Problem: Sie findet nicht genügend Arbeitskräfte.

Mit einem drastischen Fall machte Stephan Schwarz, Handwerkskammerpräsident in Berlin und selbst Reinigungsunternehmer, auf das Problem der Branche aufmerksam. In Berlin mit Zehntausenden von Langzeitarbeitslosen, so klagte Schwarz, habe er unter 130 vom Jobcenter vorgeschlagenen Personen nur eine Frau für sein Unternehmen gewinnen können – obwohl er 100 Stellen zu besetzen hat. Ein extremer Fall, aber auch nicht ungewöhnlich, bestätigt Cujic. Ebenso wie Schwarz führt sie als Begründung die Arbeitsbedingungen ins Spiel: auf verschiedene Tageszeiten verteilte Arbeitszeiten, die harte körperliche Anstrengung. Beide Unternehmer sehen aber auch eine generelle Arbeitsunwilligkeit als Ursache.

Arbeitnehmervertreter und Gewerkschafter allerdings sehen für den Arbeitskräftemangel in der Branche noch andere Gründe. Bei ihnen hat das Gewerbe zumindest einen „rauen“ Ruf. Der Preiskampf ist hart. Allein in Berlin konkurrieren rund 2500 Unternehmen. Ein Wettbewerb, der auch auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen werde, meinen Arbeitnehmervertreter. Der neue Mindestlohn etwa müsste nach Ansicht der Gewerkschaft IG BAU schon seit dem Tarifabschluss im Herbst gezahlt werden – de facto aber tun das viele Unternehmen, anders als etwa Schwarz, bislang nicht.

Neben Schikanen wie dieser monieren Arbeitnehmervertreter auch die Höhe der Arbeitsleistung. „Die Bezahlung pro gereinigtem Quadratmeter oder geputztem Hotelzimmer ist zwar nicht zulässig“, sagt Guido Zeitler von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten, die diejenigen Reinigungskräfte vertritt, die im Hotelgewerbe tätig sind. „Aber über Leistungsverabredungen wird trotzdem großer Druck auf die Arbeitnehmer ausgeübt.“ Auch von unlauteren Praktiken bei der Mitarbeitersuche berichten Betriebsräte. In den ersten Wochen werde die Arbeit als Schulungsmaßnahme eingestuft, die Kosten werden dann weiter vom Arbeitsamt getragen. Auch unbezahlte Praktikanten, die nie übernommen werden, gebe es viele. Die Gegenwehr ist oft gering, denn gewerkschaftlich organisiert sind die wenigsten in der Branche.

Auch die Mitarbeiter von Schwarz’ GRG bekommen den Druck des Marktes nach Ansicht von Arbeitnehmervertretern inzwischen zu spüren. „Die Anforderungen an die Mitarbeiter sind in den letzten Jahren gestiegen, wenn man das auf die Quadratmeterleistung umrechnet“, sagt Stefan Riedel, Betriebsratsvorsitzender. Rechtens ist das. Unternehmenssprecher Ingmar Hötschel betont, dass konkrete Leistungen nicht in den Arbeitsverträgen festgeschrieben seien. Eine hohe Kündigungsrate in den ersten Wochen und einen hohen Krankenstand hat das Unternehmen nach Auskunft des Betriebsratsvorsitzenden dennoch – auch das ist typisch für die Branche. „Es gibt Konkurrenten, die bieten Leistungen an, die schlicht nicht durchführbar sind“, sagt Riedel. „Dann flüchten die Leute.“

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