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Beweisnot. Einige Piloten sagen, sie seien durch Öldämpfe krank geworden. Nun befasste sich der Bundestag damit.

© picture alliance / dpa

Gefährliches Fliegen: Kabinenluft kann giftig sein

Fast alle Flugzeuge zapfen Kabinenluft am Triebwerk ab. Forscher weisen Toxine in Blut von Flugpassagieren nach. Die Industrie wiegelt ab, die Politik ist ratlos.

Auf dem Hinflug von Frankfurt ins polnische Katowice will Pilot Andreas Tittelbach bereits einen Ölgeruch in der Kabinenluft bemerkt haben. Auf dem Rückflug aber sei es fast zur Katastrophe gekommen, berichtet er. „Ich konnte das Flugzeug eigentlich nicht mehr steuern. Meine Kopfschmerzen wurden immer stärker. Bei meinem Kopiloten löste der Gestank Würgereiz aus“. Dann legten beide die Sauerstoffmasken an, da habe sich der Schleier im Kopf gelichtet. „Erst da haben wir gemerkt, wie benebelt wir eigentlich waren“.

Dieser Flug der Lufthansa-Tochter City Line mit einer kleinen Maschine vom Typ British Aerospace BAe 146 liegt bereits fast neun Jahre zurück. Tittelbach ist zwar formal noch bei City Line angestellt, fliegt aber seit zwei Jahren nicht mehr und trifft sich nur noch vor Gericht mit seinem Arbeitgeber. Er leide unter Erkrankungen des zentralen Nervensystems und vergleicht die Symptome mit denen, unter den auch Parkinson-Kranke leiden. Tittelbach führt dies darauf zurück, dass er mehrfach Zeuge eines sogenannten „Fume Events“ wurde, wie auf dem beschriebenen Flug. Dabei geraten plötzlich größere Mengen Öldämpfe aus den Triebwerken über die Klimaanlage ins Innere der Maschine. Bisher gingen Forscher davon aus, dass so ein Ereignis etwa alle 2000 Flüge auftritt und streiten seither über die Gesundheitsgefahr. Britische Luftsicherheitsbehörden gehen mittlerweile sogar von einem Vorfall in nur 100 Flügen aus.

Auch eine australischen Regierungskommission befasste sich bereits im Jahr 2000 mit dem „aerotoxischen Syndrom“ und forderte Aufklärungen und Nachbesserungen von Flugzeug- und Triebwerksherstellern. Denn bei praktisch allen modernen Verkehrsmaschinen wird die Kabinenluft am Triebwerk abgezapft, unter anderem, weil es energiesparender ist. Auch in den USA und Großbritannien befassen sich Forscher seit einigen Jahren intensiv mit dem Phänomen. Einige gehen davon aus, dass nicht nur diese Öldampfvorfälle, bei denen Passagiere über Gerüche nach schmutzigen Socken oder Erbrochenem berichten, ein Problem sind, sondern, dass fast permanent verschiedene Organophosphate aus dem Öl in die Kabinenluft gelangen – darunter welche der Gruppe TCP, die nerven- und erbgutschädigend wirken können. Damit wäre es vor allem ein Problem für Menschen, die fast täglich fliegen – also Piloten und Kabinenpersonal.

Deutsche Behörden haben dem Problem bisher kaum Beachtung geschenkt, auch weil es der Fraktion der Mahner lange nicht gelungen ist, empirisch belastbare Belege für die Existenz von Nervengiften in der Kabinenluft zu liefern. Doch nun veröffentliche der Forscher Clemens Furlong aus Seattle einen auch hierzulande beachteten Aufsatz über ein neues Testverfahren, womit er immerhin geringe Konzentrationen von TCP im Blut von Passagieren nachweisen konnte.

Zudem befasste sich vergangene Woche erstmals der Bundestag mit dem Thema – in einer nichtöffentlichen Sitzung des Tourismusausschusses. Die von sechs verschiedenen Experten eingereichten Stellungnahmen zum Thema liegen dem Tagesspiegel aber vor. Darin fordert etwa Jörg Handwerg von der Pilotenvereinigung Cockpit, dass das aerotoxische Syndrom endlich von den Behörden anerkannt werden sollte. Es sei „grotesk“, dass Betroffene beweisen müssten, dass sie durch ihre Tätigkeit an Bord erkrankt sind. Flugzeughersteller müssten Unbedenklichkeit nachweisen. Die australische Forscherin Susan Michaelis forderte Hersteller auf, das Prinzip der Zapfluft an den Triebwerken aufzugeben, Filter und Warnsysteme müssten obligatorisch eingebaut werden.

Andreas Bezold, vom Flugzeugbauer Airbus in Hamburg, gab dagegen zu Protokoll, die Luft an Bord von Verkehrsflugzeugen sei von „einwandfreier Qualität“. Noch nie sei eine Überschreitung der sehr niedrigen Grenzwerte gemessen worden. Er warnte vor Panikmache.

„Spätestens heute liegen alle Fakten auf dem Tisch. Die Airlines sind aufgefordert zu reagieren“, sagte dagegen der tourismuspolitische Sprecher der Grünen, Marcus Tressel, nach der Sitzung. Wer vor dieser Problematik die Augen verschließe, könne es mit der Gesundheit und Sicherheit im Flugzeug nicht ernst meinen. Auch die SPD-Fraktion forderte die Bundesregierung „zum Handeln auf“. Marlene Mortler von der CDU forderte dagegen weitere Untersuchungen.

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