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Zu viele Tiere auf engem Raum lassen schnell Krankheiten entstehen.

© dpa

Lebensmittelsicherheit: Gefährliche Keime in jedem zweiten Huhn

Der BUND findet belastetes Fleisch in Supermärkten. Verbraucherministerin Aigner will den Antibiotika-Einsatz reduzieren.

Die Bundesregierung will wegen der Gesundheitsrisiken für Menschen den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung stärker beschränken. Dafür will Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) noch in dieser Woche einen Entwurf zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vorlegen. Er zielt darauf ab, „den Einsatz von Antibiotika auf das zur Behandlung von Tierkrankheiten absolut notwendige Mindestmaß zu beschränken“, teilte ein Ministeriumssprecher am Montag mit. Zudem sollen die Kontrollen durch die Überwachungsbehörden der Bundesländer erleichtert werden.

Dass Handlungsbedarf besteht, zeigt eine am Montag veröffentlichte Untersuchung durch den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Bei einer Stichprobe fand die Umweltschutzorganisation gegen Antibiotika resistente Keime auf elf von 20 Hähnchenfleisch-Proben aus Supermärkten und Discountern. Betroffen waren Produkte der Firmen „Wiesenhof“, „Sprehe“ und „Stolle“, die in Geschäften in Berlin, Hamburg, Köln, Nürnberg und der Region Stuttgart gekauft wurden. Die sogenannten Krankenhauskeime, deren Entstehung durch zu starke oder falsche Nutzung von Antibiotika begünstigt wird, können bei anfälligen Menschen zu schweren Erkrankungen oder zum Tod führen.

„Das Ausmaß der Kontamination von Lebensmitteln mit Krankenhauskeimen ist ein deutliches Warnsignal vor den Kollateralschäden der industriellen Tierhaltung“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. In der Intensivhaltung würden 22 bis 24 Masthähnchen pro Quadratmeter gehalten. Dies sei nur unter Einsatz großer Mengen von Antibiotika möglich. „Die industrielle Tierhaltung muss endlich zurückgedrängt werden“, forderte Weiger und rief Aigner zum Handeln auf. Auch das Ministerium sieht Handlungsbedarf, bezeichnete die BUND-Untersuchung aufgrund der geringen Probenzahl aber als „nicht aussagekräftig“.

Der Entwurf aus Aigners Haus soll nun die Kontrollen der Länder erleichtern und deren Arbeit beschleunigen. So sollen Tierärzte verpflichtet werden, auf Anfrage der Behörden alle Daten zur Abgabe und Anwendung von Antibiotika schriftlich zusammengefasst zu übermitteln, teilte das Ministerium mit. Zudem soll die Zusammenarbeit der Kontrolleure verbessert werden: Die Behörden, die Betriebe im Bereich Tierschutz und Lebensmittelhygiene kontrollieren, müssen künftig einen Verdacht auf Arzneimittelmissbrauch an die zuständigen Stellen weiterleiten. Zudem dürfen Tierärzte künftig nicht mehr von den Dosierungsvorschriften bei Antibiotika abweichen. Damit soll eine zu starke oder fehlerhafte Nutzung der Mittel verhindert werden. Mitte 2012 sollen dann erstmals genaue Daten über die in Deutschland in den Verkehr gebrachten Tierarzneimittel-Mengen veröffentlicht werden.

Das Verbraucherschutzministerium sieht nun die Länder in der Pflicht: „Die Kontrollbehörden haben auch heute schon alle Instrumente in der Hand, sie dürfen sich nicht hinter dem Bund verstecken“, sagte ein Sprecher. „Wir appellieren an die zuständigen Bundesländer, die Kontrollen zu verstärken.“ Wenn Antibiotika etwa illegal zur Wachstumsförderung eingesetzt würden, müsse das geahndet werden. Erlaubt sind Antibiotika schon heute nur zur Behandlung kranker Tiere. Ende 2011 hatte das Verbraucherministerium in Nordrhein-Westfalen aber festgestellt, dass 96,4 Prozent der Masthähnchen mit Antibiotika behandelt werden.

Die Opposition warf Aigner Symbolpolitik vor.

Die Vize-Fraktionschefin der Grünen, Bärbel Höhn, forderte strikte Vorgaben für die Anzahl von Tieren in Ställen. Der BUND rief die Supermärkte dazu auf, mehr Fleisch aus Tierhaltungsformen ohne Antibiotika-Missbrauch anzubieten.

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