zum Hauptinhalt
Dem Gift im Ei auf der Spur. Mit dem Dioxin-Skandal werden die Forderungen nach mehr Verbraucherschutz wieder laut. Lebensmittelkontrolleure werden vom Land Berlin nach Bedarf und freien Stellen ausgebildet. Foto: dpa

© dpa

GEFRAGTES KNOW–HOW Wie man Verbraucherschützer wird: Die Frische-Tester

Gammelfleisch, schmutzige Böden, Schimmel an der Wand – das ist für Lebensmittelkontrolleure Alltag. Wer in den Beruf einsteigen will, braucht jede Menge Vorerfahrung. Doch Nachwuchs ist gefragt

Gunhild Naundorf zieht den Kittel über, setzt die Haube auf, streift die Gummihandschuhe über. Und los geht es mit dem Check. Sie ist Lebensmittelkontrolleurin in Pankow. Zwei bis vier „Objekte“ stehen am Tag auf ihrer Liste, Gaststätten, Drogerien, Imbisse, Restaurants, Großküchen oder Kitas.

Jedes Mal das gleiche Prozedere. Sie lässt sich die Unterlagen zeigen, kontrolliert, ob die Bögen zur Eigenkontrolle der Hygiene und der Lebensmittellagerung ausgefüllt sind. Dann geht es nach hinten, in die Räume, die der Kunde nicht zu sehen bekommt. Ist die Küche sauber, die Ablage gepflegt, der Boden rein, gibt es Schimmel an den Wänden? Sie rückt den Kühlschrank zur Seite, wirft einen Blick hinein. Sind die Lebensmittel frisch? Wie riecht es? Ist die Temperatur richtig eingestellt? Wie sieht es mit den Filtern der Dunstabzugshaube aus? Und: Sind die Lagerräume in Ordnung?

Sie geht nach Plan vor, hakt die Liste der Arbeitsschritte ab, wie sie im EU-Qualitätshandbuch vorgeschrieben sind. „Öffentliche Kontrolle muss überall nach gleichen Kriterien funktionieren – und vor Gericht Bestand haben, wenn der Besitzer eines Betriebes dagegen klagt“, erklärt sie.

Seit mehr als 20 Jahren ist die 57-Jährige dabei. In der DDR war sie Veterinäringenieurin. Nach Weiterbildungsmaßnahmen wurde sie Lebensmittelkontrolleurin in Pankow, in dem Ordnungsamt, das durch die erste Ekelliste im Internet für Restaurants mit mangelnder Hygiene bekannt wurde.

Ein Dioxin-Skandal kann sie nicht mehr aus der Ruhe bringen, zumal der in Pankow kaum angekommen ist. Ein paar Anrufe mehr im Büro als gewöhnlich, Betriebe die nachfragen. Aber Proben, wie bei anderen Skandalen, musste sie noch nicht erheben. „Skandale wird es immer wieder geben“, sagt sie. Was sie an der Sache aber gewaltig ärgert, ist dass die Länder jetzt wieder mal mehr Verbraucherschutz versprächen, aber die Arbeitsbedingungen für Lebensmittelkontrolleure immer schwieriger würden.

„Die Ereignisse zeigen wieder einmal, dass mehr Personal benötigt wird“, sagt auch der stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes für Lebensmittelkontrolleure, Harry Sauer. Bundesweit untersuchen 2500 Lebensmittelkontrolleure 1,1 Millionen Betriebe im Jahr und der Bund bürde ihnen immer neue Aufgaben auf, wie die Smiley-Kennzeichnung für die Hygiene in Restaurants, Imbissen, Kantinen und Lebensmittelgeschäften, die demnächst kommen soll. Gleichzeitig würden neue Stellen verweigert. Wie in anderen Berufen sei das Personal überaltert, Fachkräftemangel ein Thema.

Beim Land Berlin sind um die 70 Lebensmittelkontrolleure beschäftigt. Das Lebensmittelaufsichtsamt in Pankow kommt da mit zehn Mitarbeitern gut weg. „Unsere Kontrolleure sind für etwa 6500 Betriebe zuständig“, erklärt Amtsleiter Wolfram Blaffert. Zwei freie Stellen hätte er zu vergeben. Doch einstellen darf er nicht, ihm fehlt wegen des Sparzwangs die Außeneinstellungsgenehmigung, ohne die seine Abteilung keinen neuen Mitarbeiter beschäftigen kann, der nicht schon für das Land tätig ist.

Und Lebensmittelkontrolleur kann man nicht mal eben so einfach werden. Bewerber müssen eine Reihe von Voraussetzungen mitbringen, allein, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Nur wer etwa eine Lehre als Bäcker, Fleischer oder Koch absolviert und in seinem Beruf einen Meister gemacht hat, wer einen Fachhochschulabschluss in der Lebensmitteltechnik vorweist oder mindestens drei Jahre in der amtlichen Lebensmittelüberwachung tätig war, kann sich um die von den Bezirksämtern ausgeschriebenen Ausbildungsstellen bewerben.

Die zweijährige Lehre ist Ländersache. Wer nicht durch die Prüfung fällt, hat danach eine Stelle im öffentlichen Dienst so gut wie sicher. „Ausgebildet wird nach konkretem Bedarf“, erklärt Kerstin Backasch. Sie ist Fortbildungsreferentin der Verwaltungsakademie Berlin in Lichtenberg. In 18 Monaten werden die Azubis in den Ämtern ausgebildet, dazu kommen sechs Monate Theorie an der Akademie. Dort steht Lebensmittelrecht auf dem Plan und Fächer wie Allgemeines Recht, Ordnungswidrigkeitenrecht, Warenkunde und Abfallbeseitigung. Außerdem gibt es Kurse für Kommunikations- und Konfliktfähigkeit. Und die können die angehenden Lebensmittelkontrolleure im Alltag gut gebrauchen.

Rita Ehmig hat da einiges erlebt. Nicht selten musste sie damit umgehen, dass Geschäftsinhaber sie aggressiv angegangen sind. „Es kommt auch vor, dass man ein Objekt mit Polizeischutz untersucht“, sagt die Kontrolleurin, die wie Gunhild Naundorf zum Pankower Team für Lebensmittelaufsicht gehört. Sie ist 51 Jahre alt und hat schon in der DDR als Kontrolleurin gearbeitet. Wenn sie ahnt, dass es in einem Betrieb Ärger geben könnte, nimmt sie eine Kollegin mit.

Dabei verstehen sich die beiden Lebensmittelexpertinnen mehr als Berater denn als Kontrolleure. Sie geben Tipps, wie sich ein Betrieb verbessern und Mängel beseitigen lassen, sind Ansprechpartnerinnen für Bauberatung. Schließlich decken sie Missstände auf, sorgen dafür, dass Pankow für die Verbraucher ein Stück weit vertrauenswürdiger wird.

Nach der Untersuchung vor Ort dokumentieren sie im Büro die Ergebnisse. In einem Computer-Programm halten sie fest, welches Objekt in welchem Abstand zu kontrollieren ist. Risikobetriebe werden häufiger besucht. Wenn nötig leiten die Kontrolleurinnen Ordnungswidrigkeitsverfahren ein. Sie nehmen Anrufe von Gewerbetreibenden entgegen, gehen Hinweisen von Bürgern nach, die berichten, nach einem Essen in einem Restaurant krank geworden zu sein.

Die Kontrolleurinnen können sich ihren Tag selbst einteilen. „Jeder ist für ein bestimmtes Stadtgebiet zuständig“, erklärt Rita Ehmig. Sie arbeitet in Gleitzeit. Kontrollen auf dem Wochenendmarkt oder Abendchecks in Bars sind üblich. Doch das stört sie nicht. Überstunden bummelt sie ab. Kein Tag ist wie der andere, sagt sie. Sie hat mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun. Das gefällt ihr.

Eines bietet der Beruf aber kaum: die Möglichkeit, auf der Karriereleiter weiter nach oben zu kommen: „Wer sich besonders auszeichnet, kann in sehr seltenen Fällen als Teamleiter vom mittleren in den gehobenen Dienst aufsteigen“, erklärt Harry Sauer vom Bundesverband. Dennoch sei der Beruf attraktiv, weil er immerhin eine feste Stelle im öffentlichen Dienst verspreche.

Für Gunhild Naundorf und Rita Ehmig ist es ein guter Tag, wenn sie einen Betrieb in ordnungsgemäßen Zustand vorfinden. Der Beruf hat ihnen zwar nicht direkt den Appetit verdorben. Doch sie essen selten auswärts. Rita Ehmig meidet Imbisse, erzählt sie. Gunhild Naundorf kocht lieber selbst – und schwört auf Gemüse aus ihrem Garten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false