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Wirtschaft: "Gegen die Telekom-Fusion gibt es keine Bedenken"

TAGESSPIEGEL: Herr Wolf, wie viele Telekommunikations-Konzerne wird es Ende des Jahres weltweit noch geben?WOLF: Ich bin kein Prophet.

TAGESSPIEGEL: Herr Wolf, wie viele Telekommunikations-Konzerne wird es Ende des Jahres weltweit noch geben?

WOLF: Ich bin kein Prophet.Aber wir müssen die Entwicklung auf dem Telekommunikationsmarkt sehr sorgfältig beobachten.Wenn sich Konzerne wie AT & T und British Telecom an Japan Telecom beteiligen, dann sind das Dimensionen, die die Frage nach einer weltweiten Fusionskontrolle aufwerfen.Trotzdem würde ich sagen, daß alle Groß-Fusionen, die wir bisher hatten - nicht nur in der Telekommunikation -, im großen und ganzen wettbewerbsrechtlich nicht problematisch waren.Mit Ausnahme der Fusion von Exxon/Mobil vielleicht, die derzeit von der US-Wettbewerbsaufsicht geprüft wird.Aber: Bei solchen Größenordnungen besteht immer die Gefahr, daß die Konzerne eines Tages mächtiger werden als die Politik und daß sie außer Kontrolle geraten.

TAGESSPIEGEL: Gilt das auch für einen Zusammenschluß von Telecom Italia und Deutscher Telekom?

WOLF: Noch ist ja nicht klar, ob die Fusion überhaupt zustandekommt.Aber wenn, dann wäre das ein Fall für die EU-Kommission.Wettbewerbskommissar Karel Van Miert hat sich bereits öffentlich geäußert - wie ich finde, ein wenig voreilig.Grundsätzlich gibt es wohl keine Bedenken gegen die Fusion.Allerdings müßten sich die Unternehmen von Teilbereichen trennen.Das dürfte dann wohl unter anderem das Kabelnetz der Telekom betreffen.

TAGESSPIEGEL: Für das die Telekom schon seit langem vergeblich nach einem Käufer sucht ..

WOLF: Vielleicht müßte sie dann mit dem Preis ein wenig heruntergehen.

TAGESSPIEGEL: Die Regulierungsbehörde sollte dafür sorgen, daß die Monopole von Post und Telekom fallen.Nun werden beide Unternehmen immer größer.Ist das im Sinne des Erfinders?

WOLF: Größe allein muß nicht schädlich sein.Es kommt darauf an, ob Newcomer eine Chance haben, auf den Markt zu kommen.Und dafür muß die Regulierungsbehörde sorgen.

TAGESSPIEGEL: Indem sie die Gebühren, die die Wettbewerber an die Deutsche Telekom zahlen müssen, weiter senkt?

WOLF: Ja.Wir sind seit jeher der Auffassung, daß die Konkurrenten möglichst nicht mehr als die angemessene Gebühr an die Telekom zahlen sollten, damit es Wettbewerb auf dem Markt gibt.Wenn die Fusion zwischen Telecom Italia und Deutscher Telekom wirklich zustandekommt und die Telekom noch mächtiger wird, als sie es jetzt schon ist, sollte die Regulierungsbehörde darüber nachdenken, ob die Gebühren - vor allem für die letzte Meile zum Kunden - tatsächlich angemessen und diskriminierungsfrei sind.

TAGESSPIEGEL: Sollte die Fusion der beiden großen Telefon-Konzerne zustandekommen, würden Sie dann auch automatisch Mannesmann Arcor grünes Licht für die Übernahme von Otelo geben?

WOLF: Ich sage ganz ehrlich, uns wäre eine andere Konstellation lieber gewesen.Mannesmann Arcor ist in Deutschland Marktführer im Mobilfunkbereich.Die Italiener haben ebenfalls ein beachtliches Gewicht im Mobilfunk.Wenn das zu den Telekom-Aktivitäten hinzukommt, dürften die Einwände gegen eine Übernahme von Otelo durch Mannesmann Arcor deutlich geschwächt werden.

TAGESSPIEGEL: Wann rechnen Sie mit den ersten Großfusionen im Energiebereich?

WOLF: Hoffentlich lassen die ersten Zusammenschlüsse noch ein wenig länger auf sich warten.Denn wir wollen erst einmal gewährleisten, daß die Durchleitung von Strom klappt, daß also jeder Kunde von jedem Versorger seiner Wahl Energie kaufen kann - egal, ob dieser in Nord- oder in Süddeutschland sitzt.

TAGESSPIEGEL: Fusionen würden die freie Wahl erschweren?

WOLF: Sie würden diesen Prozeß behindern.Wenn sich Versorger zusammenschließen, hätte das in dieser Phase nämlich zum Ziel, starke Marktpositionen abzusichern.

TAGESSPIEGEL: Dann können Sie diese Zusammenschlüsse doch untersagen.

WOLF: In der Tat handelt es sich noch um regionale Märkte, auf denen die ehemaligen Monopolisten eine starke Marktstellung haben.Aber das meinen wir - das Kammergericht könnte die Sache anders sehen.Wir sind der Auffassung, daß wir es zur Zeit noch mit regionalen Strommärkten zu tun haben.Falls die Durchleitung aber eines Tages anerkannte Praxis ist, müßten wir den gesamten deutschen Markt bei der Beurteilung der Frage zugrundelegen, ob ein Unternehmen den Markt beherrscht.

TAGESSPIEGEL: Bei einem gesamtdeutschen Markt wäre es schwieriger, Zusammenschlüsse zu untersagen.

WOLF: Ja.Aber so weit sind wir noch nicht.

TAGESSPIEGEL: Wird die Bewag ihr Netz für den Strom der Konkurrenz öffnen müssen?

WOLF: Das prüfen wir gerade.Ich finde es aber hochinteressant, daß die Bewag nun ihrerseits auswärtige Kunden beliefern und ihren Strom durch fremde Netze leiten will.Das macht ihre Argumentation, das eigene Netz für den Strom der Konkurrenten nicht zu öffnen, angreifbar - zumindest moralisch.Die angeblichen Kapazitätsprobleme, die eine Durchleitung unmöglich machen sollen, könnte man lösen, indem man Kapazitäten ausbaut.Möglicherweise mit einer Kofinanzierung durch die Wettbewerber.

TAGESSPIEGEL: Ihr ehemaliger Abteilungsleiter, Kurt Markert, hat angekündigt, er wolle seine Stromrechnung kürzen, weil er die Preise der Bewag für überteuert hält.Raten Sie den Berlinern, seinem Beispiel zu folgen?

WOLF: Nein, dafür ist die Rechtsposition zu unsicher.Ich möchte nicht die Leute zu einem solchen Verhalten aufrufen und dann später Schadensersatz bezahlen.

TAGESSPIEGEL: Dann bliebe von Ihrer Pension nicht viel übrig, wenn Sie zum Jahresende das Amt verlassen?

WOLF: Dann bliebe gar nichts übrig.Aber es ist auch gar nicht nötig, daß Einzelpersonen zu solchen Maßnahmen greifen.Ich setze große Hoffnung in die Energiebroker, die jetzt schon erfolgreich für Firmenkunden verhandeln und günstigere Preise herausschlagen.Warum soll das nicht auch für Privatkunden möglich sein? Ich denke etwa an größere Siedlungen.Hier könnten sich die Wohnungsbaugesellschaften doch auch mit Hilfe eines Energiebrokers günstigere Stromlieferanten suchen.

TAGESSPIEGEL: Viele Wettbewerbsfälle landen nicht bei Ihnen in Berlin, sondern bei der Europäischen Kommission in Brüssel.Die will nun die Kartellkontrolle verändern ...

WOLF: ...verschlechtern, denn die EU-Wettbewerbsbehörde will bei der horizontalen Kartellkontrolle das umwerfen, was sich bewährt hat.So ist in Deutschland grundsätzlich verboten, daß Unternehmen auf gleicher Ebene - etwa zwei Schraubenhersteller oder zwei Baufirmen - ein Kartell bilden.Es sei denn, die Firmen können uns gute Gründe nennen, warum wir die Kartellbildung ausnahmsweise zulassen sollen.

TAGESSPIEGEL: Und was will EU-Kommissar Van Miert?

WOLF: Diese Regel umkehren.Man will auf einmal weg von der Regel, daß die Firmen die Freistellung vom Kartellverbot beantragen müssen.Stattdessen will man den Unternehmen selber das Urteil darüber lassen, ob eine bestimmte Vereinbarung dem Kartellverbot unterliegt und ob es Gründe gibt, das Kartell dennoch zu billigen.

TAGESSPIEGEL: Macht man damit nicht den Bock zum Gärtner?

WOLF: Die Unternehmen sollen selbst beurteilen, ob die Vereinbarung mit einem Wettbewerber ein Kartell darstellt und ob es gegebenenfalls legalisierungsfähig ist.Und falls sie zu dem Schluß kommen, daß kein Kartell vorliegt oder es Ausnahmegründe gibt, können sie das, was sie vorhaben, auch ausführen.Die Kommission schaltet sich erst später ein, etwa wenn es Beschwerden gibt.Dann prüft sie, ob die Unternehmen mit ihrer Einschätzung richtig liegen.So kann man verfahren, wenn es um vertikale Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Unternehmen auf verschiedenen Ebenen - also Lieferanten und Händlern - geht.Das halten wir auch in Deutschland so.Aber bitteschön nicht bei der horizontalen Kartellkontrolle, wenn Unternehmen auf gleicher Ebene gemeinsame Sache machen.

TAGESSPIEGEL: Und warum will die EU-Kommission dieses Prinzip jetzt umstoßen?

WOLF: Die Wettbewerbsbehörde hat enorme Überhänge und hofft, daß sich auf diesem Wege ein Großteil der Fälle von selbst erledigt.

TAGESSPIEGEL: Wenn sich Van Miert durchsetzt, muß dann auch das deutsche Recht geändert werden?

WOLF: Wahrscheinlich schon.Mittelfristig müßten wir diesen Systemwechsel wohl nachvollziehen, auch wenn wir das nicht wollen.Das Wettbewerbsrecht muß in der Europäischen Union in seinen Grundzügen einheitlich bleiben.

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