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Wirtschaft: Geheimnisse der Leuna-Gutachter

Im Streit um den angeblichen Subventionsbetrug kursieren unterschiedliche AnalysenVON EBERHARD LÖBLICH, LEUNADie Vorwürfe des Subventionsbetruges gegen den französischen Konzern Elf Aquitaine im Zusammenhang mit dem Bau der Raffinerie "Leuna 2000" sind alles andere als neu.Aber sie erhalten durch die Zweifel der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) über die tatsächliche Höhe der Investitionskosten zusätzliche Nahrung.

Im Streit um den angeblichen Subventionsbetrug kursieren unterschiedliche AnalysenVON EBERHARD LÖBLICH, LEUNA

Die Vorwürfe des Subventionsbetruges gegen den französischen Konzern Elf Aquitaine im Zusammenhang mit dem Bau der Raffinerie "Leuna 2000" sind alles andere als neu.Aber sie erhalten durch die Zweifel der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) über die tatsächliche Höhe der Investitionskosten zusätzliche Nahrung.Um rund 1 Mrd.DM sollen die Franzosen ihr Engagement hochgerechnet und damit eben auch die Subventionszusagen von Bund und Land Sachsen-Anhalt in die Höhe getrieben haben.Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte deshalb bereits im vergangenen Jahr ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Subventionsbetruges eingeleitet, dieses Verfahren später aber an die Kollegen in Magdeburg abgegeben.Die Ermittler in Magdeburg stellten das Verfahren "mangels einer feststellbaren Substanz der Vorwürfe" Ende 1996 ein. Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Klaus Schucht, der seinerzeit als Mitglied des Treuhandvorstandes den Verkauf der Raffinerie Leuna und des lukrativen Netzes der Minol-Tankstellen eingefädelt hatte, will zu den Vorwürfen keine Stellung mehr nehmen und verweist auf frühere Äußerungen zu der Affäre.Schucht hatte in der Vergangenheit betont, daß die tatsächliche Höhe der Investitionskosten und damit auch der Beihilfen von Bund und Land im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative Aufbau Ost (GA) erst nach Abschluß der Gesamtinvestitionen konkret feststellbar seien.Zu Beginn der Übernahme habe Elf Aquitaine zwar einen Abschlag auf die zu erwartenden Investitionsbeihilfen bekommen, der nach dem damals noch geltenden EU-Recht auch vollkommen zu Recht ausgezahlt worden sei.Seit der Änderung des EU-Subventionsrechts werden die Beihilfen auch für einzelne Investitionsabschnitte jeweils erst nach Vorlage der entsprechenden Rechnungen ausgezahlt. Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission sicher Recht daran getan, die Einleitung eines offiziellen Untersuchungsverfahrens wegen des Verdachts des Subventionsbetruges vorerst zu verschieben.Bei ihrem Verdacht beruft sich die Kommission auf ein von der BvS in Auftrag gegebenes Gutachten.Die britische Beraterfirma Solomon kommt darin zu dem Schluß, daß die Investitionskosten für die Mitteldeutsche Erdölraffinierie (Mider), deren 100prozentiger Gesellschafter Elf-Aquitaine ist, um rund 1 Mrd.DM zu hoch angesetzt sind."Solomon ist aber in der Studie von allgemeinen Zahlen ausgegangen, ohne die durch die deutschen Umweltstandards entstehenden Mehrkosten zu berücksichtigen", meint Philippe Armand, der Vorsitzende der Mider-Geschäftsführung.Inzwischen gebe es ein weiteres Gutachten, an dem ebenfalls Solomon beteiligt gewesen sei und das den Vorwurf des Subventionsbetruges voll und ganz entkräfte. Erhöhte technische Standards zur Sicherung der Umweltverträglichkeit der Anlage kosten eben mehr Geld, meint Armand - und erhält auch in dieser Einschätzung Rückdeckung aus dem Magdeburger Wirtschaftsministerium."Man kann eine neue Erdölraffinerie natürlich mit unterschiedlichen technischen Ausstattungen zu durchaus unterschiedlichen Preisen bauen", sagte ein Sprecher des Ministeriums vor wenigen Tagen."Elf Aquitaine hat sich für einen erhöhten technischen Standard entschieden, der auch ein bißchen mehr kostet." Das falle aber in den Bereich der unternehmerischen Freiheit und sei von der Politik nicht in Frage zu stellen. Der Verdacht zu Unrecht erhaltener Subventionen erhält allerdings neue Nahrung durch die völlig ungeklärten Eigentumsverhältnisse an der Mider.An der Gesellschaft, die die Raffinerie "Leuna 2000" bauen lassen wollte, waren zunächst Elf-Aquitaine, die Thyssen-Handelsunion sowie ein russisches Konsortium um den Konzern Rosneft beteiligt.Die Russen und die Thyssen-Handelsunion haben sich längst aus der gemeinsamen Gesellschaft zurückgezogen, Elf-Aquitaine hält nunmehr 100 Prozent der Mider-Anteile.Darauf möchten die Franzosen aber nicht unbedingt sitzenbleiben, wenn die Raffinerie im Herbst den Betrieb aufnimmt."Die Russen haben bei ihrem Ausstieg ernsthaft ihren Willen bekundet, zu einem späteren Zeitpunkt wieder in die Gesellschaft einzusteigen", hatte Elf-Aquitaine-Chef Philippe Jaffré im Februar bei der Vorstellung des Jahresergebnisses erklärt."Wir wären aber auch bereit, ganz neue Partner mit ins Boot zu nehmen." Diese Partner sitzen nach den Vorstellungern Jaffrés in Berlin beziehungsweise Bonn.Denn der französische Konzern beruft sich auf eine Abmachung bei der Leuna-Privatisierung, wonach die BvS nach Inbetriebnahme der neuen Raffinerie mit einem Drittel der Anteile in die Betreibergesellschaft Mider einsteigen werde.Die Treuhand-Nachfolgerin will davon aber nichts wissen, sondern hat allenfalls Bereitschaft signalisiert, für diesen Gesellschafteranteil einen internationalen Investor zu suchen.Wirtschaftsminister Klaus Schucht dagegen räumte kürzlich ein, daß der Privatisierungsvertrag tatsächlich die Option auf eine Rücknahme von 33 Prozent der Mider durch die BvS beinhalte.Zugleich müsse Elf-Aquitaine dann aber auch ein Drittel des Minol-Netzes zurückgeben.Die Bereitschaft der Franzosen dazu scheint recht gering. Die Spekulationen erhalten durch die Gerüchte um Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe im Vorfeld der Privatisierung natürlich weitere Nahrung.Mit diesen Gerüchten beschäftigt sich nicht nur die Pariser Staatsanwaltschaft, sondern auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß des Bundestages.Der wahre und komplette Hintergrund der Leuna-Privatisierung wird sich wohl erst in 20 Jahren erhellen.Dann wird das Tagebuch, das der frühere Treuhand-Direktor und jetzige Wirtschaftsminister Schucht während der Privatisierungsverhandlungen geführt hat, aus dem Giftschrank des Bundesarchivs geholt.In diesem Tagebuch seien Fakten und die Ergebnisse vertraulicher Unterredungen zwischen verschiedenen Beteiligten enthalten, "die jeder abstreiten würde und über die es auch keinerlei Akten gibt", kündigte Schucht vor einigen Wochen vielsagend an.

EBERHARD LÖBLICH[LEUNA]

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