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Geldof-Interview: „Afrika braucht einen neuen Agrarfonds“

Bob Geldof, Rockstar und Armutsaktivist, über Hilfsversprechen und den G-8-Gipfel in Japan.

Sir Bob, die Industrienationen sind weit davon entfernt, ihre Entwicklungshilfe-Versprechen zu erfüllen. Überrascht Sie das?

Was mich empört, ist das Ausmaß der Unehrlichkeit. Zur Halbzeit sind gerade 14 Prozent der bis 2010 zugesagten Gelder geleistet worden. Dabei ist es verdammt noch mal Aufgabe der Regierungen, zu ihren Versprechen zu stehen. Es ist überhaupt kein Wunder, dass es diese große Skepsis der Wähler gegenüber der politischen Klasse gibt. Für Afrika bedeuten nicht eingelöste Versprechen nichts anderes als Hunger und Tod.

Deutschland hat bislang nur zwölf Prozent der versprochenen Entwicklungshilfegelder überwiesen. Sind Sie enttäuscht von Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Überhaupt nicht. Merkel hat eine exzellente Führungsrolle bei der globalen Armutsbekämpfung übernommen. Wie sie 2007 die Geberkonferenz für den globalen Hilfsfonds auf den Weg gebracht...

...der gegründet wurde, um Aids, Tuberkulose und Malaria zu bekämpfen...

...das war wirklich spektakulär. Ich bin ganz zuversichtlich, dass Deutschland seine Entwicklungshilfegelder weiter aufstockt. Dabei geht es nur um einen winzigen Teil eures Haushalts. In den nächsten beiden Jahren wird sich Deutschland noch sehr anstrengen müssen.

Gibt es nur Tränen oder auch Erfolge im Kampf gegen die Armut?

Obwohl die Entwicklungsgelder spärlich fließen, sind die Ergebnisse beeindruckend. Der Data-Bericht zeigt unter anderem, dass von 1999 bis 2005 in Afrika 29 Millionen Kinder zusätzlich in die Schule gehen – das ist mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung. Weitere Investitionen in Bildung, Gesundheit und Landwirtschaft sind unglaublich wichtig. Man kann keinen vernünftigen Staat und eine stabile Wirtschaft aufbauen, ohne eine Basis von Menschen, die einigermaßen versorgt ist. Das ist auch in unserem Interesse: Wenn wir verhindern wollen, dass Hunderttausende Einwanderer nach Europa kommen, sollten wir alles tun, um dort die Wirtschaft aufzubauen.

Sie dringen vor allem auf staatliche Hilfe. Ist es nicht viel wichtiger, private Investoren nach Afrika zu locken?

Die meisten sind doch schon da, zumindest was Chinesen, Inder und Amerikaner angeht. Ich frage mich nur, wo zum Teufel die Europäer bleiben?! Afrika wird eine gigantische ökonomische Macht sein. Wenn wir Europäer jetzt nicht in Afrika investieren, werden wir das Spiel verlieren.

In zwei Wochen treffen sich die G-8-Staaten zum Gipfeltreffen in Japan. Haben Sie Sorge, dass die Afrika-Hilfe angesichts hoher Ölpreise und weltweiter Ernährungskrise von der Agenda fliegt?

Die Ernährungskrise wird wohl das große Thema sein. Das beste Ergebnis des Gipfels wäre der Beschluss, einen neuen globalen Fonds für die Landwirtschaft aufzulegen, unter Federführung der Weltbank . In Afrika gibt es genug Land und genügend Farmer. Und es kann auch genug Essen für alle geben, wenn die Bauern entsprechende Hilfe und endlich Zugang zum EU-Agrarmarkt erhalten. Und das heißt: Agrarsubventionen runter. Ich würde mir wünschen, dass Deutschland dafür die Initiative übernimmt.

Sir Bob Geldof (53), Rocksänger, setzt sich seit Mitte der 1990er Jahre zusammen mit Bono von U2 für Schuldenerlass in der Dritten Welt ein. Das Gespräch führte Maren Peters.

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