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Wirtschaft: Gemeinsam gegen den Kollaps

Warum die Zentralbanken erneut die Geldinstitute stützen. Märkte reagieren positiv.

Berlin - Stundenlang trudelte der deutsche Aktienindex Dax am Mittwoch dahin – dann stieg er plötzlich in die Höhe wie eine Rakete. Binnen weniger Minuten gewann das wichtigste Kursbarometer 150 Punkte, am Ende waren es sogar fast 300 Punkte oder fünf Prozent. Einen solchen Sprung hatte es monatelang nicht mehr gegeben. Auch der Euro gewann gegenüber dem Dollar deutlich.

Ausgelöst hatten das Feuerwerk die Notenbanken Europas, der USA, der Schweiz, Kanadas, Großbritanniens und Japans mit einer überraschenden koordinierten Aktion. Sie erleichterten Währungs-Tauschgeschäfte untereinander, um Finanzierungsengpässe bei Banken und Unternehmen zu verhindern. Man habe die Aktion unternommen, um „dem globalen Finanzsystem Liquidität zuzuführen“, wie es hieß. Ziel sei es, „den Anspannungen an den Finanzmärkten entgegenzutreten“ und so einer Kreditklemme vorzubeugen. Überall solle Liquidität in allen Währungen verfügbar sein. Die Vereinbarung ist bis Februar 2013 befristet.

Das Ziel der Aktion: Vor allem die europäischen Banken sollen sich leichter Dollar beschaffen können. Sie hatten es zuletzt immer schwerer gehabt, an Dollar zu kommen – angesichts ihres starken Engagements in europäischen Krisenländern misstrauten Investoren ihnen zunehmend und liehen ihnen US-Dollar nur noch gegen hohe Aufschläge.

Händler begrüßten das Vorgehen der Währungshüter, verlangten aber eine politische Lösung für die Schuldenkrise. „Dies ist nur ein Herumlaborieren am Symptom, fundamental ändert sich nichts“, sagte ein Investor. Schon vor der Aktion der Notenbanken hatte China seine Geldpolitik gelockert. Erstmals seit drei Jahren werde das Land Anfang Dezember Devisenreserven abbauen, teilte die Zentralbank mit. Es ist bisher das deutlichste Signal, dass sich Peking um das Wirtschaftswachstum im Land sorgt.

Die Zentralbanken standen unter Handlungsdruck, weil sich zuletzt die Spannungen innerhalb der Banken verschärft hatten. Sie liehen einander immer weniger Geld und parkten es lieber bei der EZB. Am Mittwoch näherten sich die eintägigen Einlagen der Banken bei der Notenbank der Marke von 300 Milliarden Euro. Die sogenannten Übernacht-Einlagen summierten sich zuletzt auf 297,1 Milliarden Euro. Sie liegen damit so hoch wie seit Anfang November nicht mehr. Die Schwelle von 300 Milliarden wurde zuletzt Mitte 2010 im Zuge der ersten Griechenland-Krise überschritten. Auch die eintägigen Ausleihungen der Banken liegen mit derzeit 2,7 Milliarden Euro deutlich über ihrem üblichen Durchschnitt. 2008 hatte der Kollaps des Interbankenmarktes dazu geführt, dass die Finanzkrise viele Institute an den Rande des Ruins brachte und rasch auf die Realwirtschaft übergriff.

Mehrere Banken sind zudem von Seiten der Ratingagenturen unter Beschuss geraten. Standard & Poor’s senkte die Bonitätsnoten von 15 der 37 größten Banken. Die meisten der Banken kommen aus den USA und aus Europa. Deutsche Banken wurden allerdings nicht herabgestuft. Eine Stufe schlechter bewertet werden unter anderem die US-Banken Citigroup, Goldman Sachs, Morgan Stanley, JPMorgan und Bank of America, die britischen Banken Barclays und HSBC sowie die Schweizer UBS. Eine schlechtere Bonitätsnote bedeutet für die Banken, dass sie sich teurer refinanzieren müssen – bei ohnehin geschwächter Geldbasis.

Weitere Unbill droht der Finanzbranche in der kommenden Woche. Die Europäische Bankenaufsicht EBA will den endgültigen Kapitalbedarf der geprüften 70 Banken bekannt geben. Zuletzt hatte sie eine Summe von zusammen 106 Milliarden Euro ermittelt – angesichts des schwachen dritten Quartals könnte diese Summe aber noch höher ausfallen. Bis Mitte 2012 müssen die Banken eine harte Kernkapitalquote von neun Prozent nachweisen. Finanzkreisen zufolge sind es in Deutschland mit Commerzbank, Deutscher Bank, der LBBW und der NordLB sowie der DZ Bank fünf Häuser, bei denen der Stresstest eine Kapitallücke ausmachen wird. Einige Häuser können sich das fehlende Geld womöglich nur mit staatlicher Hilfe besorgen. mit dpa, rtr

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