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Geplatzte Übernahme: Herber Rückschlag für Merck

Völlig sicher hatte sich der Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck gegeben. Doch nun hat Bayer das Spiel gemacht und Merck muss sich strategisch neu positionieren.

Darmstadt - Das neue Unternehmen werde eine optimale Größe haben und für den globalen Wettbewerb gerüstet sein, hatten Mercks führende Köpfe verkündet, als sie ihre Übernahmepläne für die Berliner Schering AG publik machten. Ohne «wenn» und «wäre» sprachen sie von der Zukunft, schon war von der «neuen Merck» die Rede. Das Gegengebot des deutschen Pharma-Riesen Bayer machte all dies mit einem Schlag obsolet. Nur elf Tage nach ihrer Bekanntgabe gab die Merck KGaA am Freitag die Übernahmepläne auf.

Nach Auffassung der Geschäftsleitung sei «ein höherer Preis je Schering-Aktie aus der Sicht von Merck nicht gerechtfertigt», hieß es in einer kurzen Mitteilung. «Wir sind nach wie vor überzeugt, dass eine Kombination eine gute Option für beide Unternehmen gewesen wäre», setzte Merck-Chef Michael Römer noch hinterher. Auch künftig werde man «alle Optionen» zur Stärkung der eigenen Position prüfen.

Mehrere starke Standbeine

Dies lässt noch einmal die strategische Bedeutung des Vorhabens anklingen: Der Übernahmeversuch zielte darauf ab, sich durch eine deutliche Vergrößerung gegen Angriffe größerer Konkurrenten zu wappnen. «Einen deutschen Pharmachampion» wollte man nach den Worten von Aufsichtsratschef Wilhelm Simson schaffen. Bislang ist Merck selbst unter den international betrachtet allesamt kleinen deutschen Pharmaherstellern nur die Nummer vier.

Mit Krebstherapeutika, Verhütungs- und Herzmitteln sowie Medikamenten für das zentrale Nervensystem sollte ein gemeinsames Unternehmen mehrere starke Standbeine haben. Auch eine stattliche Anzahl weit gediehener Entwicklungsprojekte wollte sich Merck sichern, um die Aussicht auf künftige Umsatzsteigerungen zu verbessern.

Kurzfristiger Profit löst keine strategischen Probleme

Kurzfristig könnte die Durchsetzung von Bayer im Übernahmepoker Merck zwar einen Profit bringen, sagt Pharma-Analyst Alexander Groschke von der Landesbank Rheinland-Pfalz. Denn die schon gekauften knapp fünf Prozent der Schering-Aktien hätten dank gestiegener Kurse 250 bis 300 Millionen Euro an Wert gewonnen. «Aber das löst keines der strategischen Probleme von Merck», sagt Groschke. Ein Unternehmenssprecher konnte am Freitag noch keine Angaben dazu machen, was mit den Schering-Aktien passieren soll.

Die eigentliche Idee, den Pharma-Bereich zu stärken, ist nach Einschätzung Groschkes mit dem Nachgaben von Merck erledigt. Speziell bei patentgeschützten Medikamente fehlt dem Unternehmen die kritische Masse. Auch die Auswahl an geeigneten Übernahmekandidaten ist weiter geschrumpft. Schwarz Pharma, Altana oder der Niederländer Organon kämen laut Groschke in Frage. «Je nach Preis würde das ein wenig helfen, aber der Befreiungsschlag wäre es auch nicht.»

Planung durcheinander geraten

Auf das Problem von Mercks Vertriebsnetz weisen Analysten des Finanzhauses Lehman Brothers hin: Für Hoffnungsträger wie das Parkinson-Medikament Sarizotan müssen die Darmstädter ohne Schering erst eigene Vertriebswege in den wichtigen Märkten USA und Japan aufbauen. Schering hätte ein komplettes Netz mitgebracht.

Nicht zuletzt könnte die Personalplanung bei Merck durcheinander geraten. Der gerade erst von der Lufthansa abgeworbene Spitzenmanager Karl-Ludwig Kley sieht sich nun dem Wechsel von einem DAX-zu einem MDAX-Unternehmen gegenüber. Ob der als Nachfolger für Merck-Chef Michael Römer gehandelte Kley angesichts dieser Aussicht weiter zur Verfügung steht, bleibt abzuwarten. (Von Christoph Dreyer, dpa)

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