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Für höhere Löhne:

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Wirtschaft: Gewerkschaften machen gegen Minilöhne mobil Berliner DGB beklagt Ausbeutung von Einwanderern

Berlin - Gewerkschaftsvertreter warnen angesichts der vollständigen Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für Arbeitnehmer aus mittel- und osteuropäischen EU-Staaten vor Lohndumping, rechnen aber nicht mit massenhaften Wanderungsbewegungen ab dem 1. Mai.

Berlin - Gewerkschaftsvertreter warnen angesichts der vollständigen Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für Arbeitnehmer aus mittel- und osteuropäischen EU-Staaten vor Lohndumping, rechnen aber nicht mit massenhaften Wanderungsbewegungen ab dem 1. Mai. Nach Berlin zum Beispiel werde es wegen des relativ niedrigen Lohnniveaus wohl nur wenige Polen ziehen, sagte am Donnerstag die Vorsitzende des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg, Doro Zinke. Die Menschen im Nachbarland „gehen nicht dorthin, wo sie wenig verdienen“.

Frank Bsirske, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, verlangte erneut einen branchenübergreifenden Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Es bedeute einen Fortschritt, dass drei Parteien im Bundestag dafür seien; nur von einer christlichen Regierung habe er „anderes erwartet“. Die ablehnende Haltung der FDP nannte Bsirske „asozial“. Bundesweit müssten rund 1,4 Millionen „Aufstocker“ neben ihrer Arbeit staatliche Hilfe beziehen – darunter 400 000 Vollzeitbeschäftigte. Zusammen mit dem Reporter und Autor Günter Wallraff und dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg, stellte Brsirske das Buch „Leben ohne Mindestlohn. Arm wegen Arbeit“ vor. Darin geht es beispielsweise um eine Düsseldorferin, die Supermarktregale für 1,86 Euro pro Stunde einräumt.

In Berlin und Brandenburg müssen laut DGB-Landeschefin Zinke etwa eine Million Arbeitnehmer mit weniger als 1100 Euro im Monat auskommen. Neben Mindestlöhnen seien begleitende „Strategien gegen Lohndumping“ nötig. Dies gebe es etwa in der Pflegebranche, wo der seit kurzem geltende Mindestlohn oft umgangen werde: Polnische Frauen würden als billige „Haushaltshilfen mit kleinem Pflegeanteil“ angestellt, aber genau wie Pflegefachkräfte beschäftigt. Ein weiterer Trick bestehe darin, Polinnen zur Anmeldung eines angeblich selbstständigen Gewerbes zu drängen. Mit solchen Methoden machten polnische Vermittler viel Geld. Die Frauen hingegen müssten bis zu 20 Stunden täglich in Bereitschaft bleiben und verdienten nur 1000 bis 1500 Euro im Monat. Vor allem für polnische Arbeitnehmer öffnet im Mai eine Beratungsstelle mit einer mehrsprachigen Anwältin im Berliner DGB-Haus.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderte, flächendeckend gesetzliche Mindestlöhne einzuführen und alle Branchen ins Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufzunehmen. Die Bundesregierung habe sich „zaudernd und zögerlich“ gezeigt, kritisierte Wowereit, der auch stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender ist. Ängste und Sorgen der Menschen vor der Öffnung des Arbeitsmarkts müssten ernst genommen werden. Berlin erhoffe sich aber auch einen „neuen Impuls für die Entwicklung unserer gemeinsamen Region mit Blick auf unsere polnischen Nachbarn“.

Die volle Freizügigkeit gilt ab Mai für Arbeitnehmer aus Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien, der Slowakei und den drei baltischen Republiken. CD/sip/dapd

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