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Wirtschaft: Giovanni Agnelli: Verehrt vom Volk und seinen Angestellten

Giovanni Agnelli kann an seinem 80. Geburtstag auf ein spannendes Leben zurückblicken: Erst Playboy und Frauenheld, dann Firmenchef und Patriarch und jetzt Elder Statesman, verehrt vom Volk und den eigenen Angestellten.

Giovanni Agnelli kann an seinem 80. Geburtstag auf ein spannendes Leben zurückblicken: Erst Playboy und Frauenheld, dann Firmenchef und Patriarch und jetzt Elder Statesman, verehrt vom Volk und den eigenen Angestellten. Niemand außer dem Papst kann in Italien eine derartige Autorität beanspruchen wie er: "Wer zu Agnelli geht, muss einen Kniefall machen." Das musste selbst Medienmilliardär Silvio Berlusconi einmal in aller Ehrfurcht einräumen. Drei Jahrzehnte lang stand Giovanni Agnelli an der Spitze von Fiat, dem größten privaten Industriekonzern Italiens, der heute mehr als 223 000 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von rund 57 Milliarden Euro vorweisen kann. Erst mit 75 Jahren räumte er den Chefsessel. Doch noch heute zittern in Rom die Regierungen, wenn der Fiat-Ehrenpräsident und Senator auf Lebenszeit, mit den schlohweißen Haaren und dem zerfurchten Gesicht, die Stimme erhebt.

Erst spät hatte Agnelli, Enkel des gleichnamigen Firmengründers, der 1899 die Societa Anomina Fabbrica Italiana (Fiat) ins Leben rief, Interesse an der Produktion von Automobilen und anderen unternehmerischen Aktivitäten gezeigt. "Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie ein Auto produziert wird", gab der Patriarch einmal zu. Bevor er zum Industriellen-Idol aufstieg, war der studierte Jurist in den 50er und 60er Jahren vor allem als Liebhaber schneller Wagen, schöner Frauen und als Liebling des internationalen Jet-Set bekannt. Ein schwerer Autounfall im Jahr 1952 und die Heirat mit Prinzessin Marella Caraciolo di Castagneto im darauf folgenden Jahr makieren nach Meinung mancher ein Ende der gelegentlich exzessiven Ausschweifungen.

Zielstrebig bereitete sich Agnelli nun auf den Firmenvorsitz vor und löste 1966 den damals fast 83-Jährigen Vittorio Valletta an der Spitze des Unternehmens ab. Mit Giovanni Agnelli dem Jüngeren zog ein neuer Führungsstil in die Fabriken des Großunternehmens ein. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die ein eher schroffes Verhältnis gegenüber ihren Untergebenen gezeigt und den Betrieb autoritär geführt haben, gab er sich ein fürsorgliches Image, galt als weltoffen und charmant - als überraschend dynamischer Manager modernen Zuschnitts. Unter Agnelli entwickelte sich der Fiat-Konzern über den Automobilbereich hinaus zu einem Technologiekonzern mit breitgefächerten Unternehmensbereichen: Nutzfahrzeuge, Land- und Baumaschinen, Zulieferteile, Anlagenbau, Flugtechnik sowie das Verlagswesen und die Kommunikationsbranche sind nur einige Beispiele für die Aktivitäten des Multi-Konzerns.

Wenn der 80-Jährige diesen Montag seinen Geburtstag feiert, trübt aber ein dunkler Schatten seine sonst erfolgreiche Vergangenheit. Vor vier Jahren starb Giovanni Alberto, sein Neffe und designierter Nachfolger - ein Krebsleiden hatte den damals 33-Jährigen binnen weniger Monate dahingerafft. Sein einziger Sohn Edoardo schied im Alter von 46 Jahren erst kürzlich aus dem Leben. Er wurde mit zertrümmertem Schädel unter der "Selbstmörder-Brücke" bei Turin gefunden. Dazu kommt, dass auch im Konzern nicht alles so läuft wie Agnelli es sich vorstellt. Der Verkauf der Fiat-Autos ist ins Stocken geraten und dann ist da immer noch das quälende Problem, endlich wieder einen aus dem Familienclan für die Firmenspitze zu finden. Außerdem ist es kein Geheimnis, dass ohne einen weiteren strategischen Partner das Autogeschäft in den kommenden Jahren gefährdet sein könnte.

Wie die Gegenwart auch aussehen mag, heute widmet sich der "Alte" vornehmlich anderen Problemen: Wenn Formel-1-Star Michael Schuhmacher von der Fiat-Tochter Ferarri eine Formkrise hat, fliegt Agnelli höchstpersönlich per Hubschrauber bei Ferarri ein und spendet väterlich Trost. Außerdem gehört dem Milliardär der Spitzen-Fußballclub Juventus Turin. Doch immer wieder kreisen die Gedanken darum, wie es mit Fiat weitergehen soll.

Alexander Funk

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